10. Juni 2016 Lesezeit: ~3 Minuten

In aller Stille sichtbar

Altes, alte Dinge und Vergangenes geben mir ein Gefühl von Ruhe. Ein Gefühl, das ist. Sie entlassen mich aus einem Druck, der durch die Modernität des Schnelllebigen von Fashion entstehen kann. Manche Aufnahmen erinnern durch die Art, wie ich die Figur in meinen Bildern darstelle – lesend, grübelnd, in Rock oder Kleid – an das letzte Jahrhundert.

Weiter passt eine Form der Verhüllung, des Verhülltseins, zu meinem inneren Empfinden, das oft nicht sichtbar zu werden scheint, was auch nicht unbedingt notwendig ist. Ein Grundempfinden, das vermutlich viele Menschen teilen können.

Eine Frau steht am Fenster und schaut hinaus.

Ein Blatt im Wind an einem Baum.

Auch bin ich interessiert daran, wie wir uns fühlen: In Kleidern und nackt. In welcher Hülle ich ich sein kann, welche „Hülle“ die Verschleierung ablegen kann. Meine Bilder nehme ich mit einer Filmkamera auf. Seit einigen Jahren und auch momentan arbeite ich ausschließlich analog. Auf ein digitales Nachbearbeiten verzichte ich – die Sachen sind, wie sie sind.

Eine Frau steht am Fenster, auf dem Fensterbrett liegen Orangen.

Eine Winterlandschaft, ein See und ein Wanderweg.

Ich experimentiere mit Filmen, verwende abgelaufenes Material, tauche den Film mal in eine Wasserlösung, setze ihn der Sonne aus. Leidenschaftlich gern löse ich mit meiner Polaroid Land Camera aus und bin dabei immer wieder aufs Neue von der Magie begeistert. Für mich wird das nicht Perfekte, ein Ergebnis mit kleinen Fehlern, in etwas Flüchtiges und Vages getaucht.

Sinas Bilder sind Gemälde, sie sind Standbilder, unbewegtes Dasein, Stillleben, verharrend, wartend, ruhig und beobachtend, Miniaturen, die wollen, dass man nähertritt, ganz nah – bis die Rauheit des Korns ins Auge sticht und fast pointilistisch die Konturen auflöst.

Eine Frau stützt sich auf ihr Bett.

Eine Frau öffnet den Reißverschluss ihres Kleides und entblößt damit ihren Rücken.

Eine Frau sitzt am Schreibtisch, den Kopf auf dem Tisch liegend.

Es geht stark um Sensibilität, äußerste Sensibilität. Um Wörter wie Blau, Natur, Einsamkeit, Verstand, Ruhe, Sensibilität. Ich fotografiere keine Idee, kein Konzept. Mir ist es wichtig, aus einer Haltung, in der es mir gut geht, zu fotografieren. Mehr noch, einfach zu sein. Meistens bin ich in Stille, meistens allein, wenn ich Fotos mache.

Sinas Bilder sind Gedichte, die die Beziehung zwischen mir und meiner Umwelt, zwischen meinem Raum im Inneren und dem Außen besingen und hinterfragen – wer bin ich? Wo ist mein Platz? Wo gehöre ich hin?

Weiße Blüten vor einem Fenster.

Eine Frau sitzt auf dem Tisch und schaut aus dem Fenster.

Sina ist Zuschauerin ihrer eigenen Welt. Als Beobachterin ihres eigenen Selbst spürt sie sich nach, um sich in immer neuen Standpunkten, die sich zugleich doch so ähneln, zu ergründen.

Weiblichkeit heißt für mich, echt zu sein, roh sein zu können, vor allem, entspannt zu sein. Ein gütig und sanft vor sich hinplätschernder Bach. Bei Zeiten ein wild tosender Wasserfall. Fotografie bedeutet für mich das Ausdrücken einer Eigenheit der Seele an sich. Ich mache etwas, das hier und gleichzeitig abwesend ist, in der Fotografie sichtbar.

Die Zitate stammen aus einem Essay, das Egon Lauppert zu meinen ausgestellten Arbeiten verfasst hat.

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