Foto eines aufgeschlagenen Buches und Zoom auf den Titel.
23. Mai 2016 Lesezeit: ~5 Minuten

Rezension: Sarmad Magazine Book Two

Als das große, quadratische Paket ankommt, bin ich verwundert. Als ich die Lagen von Pappe und Karton Schicht für Schicht entferne, liegt am Ende ein 28 x 29 cm großes Buch vor mir und ich staune nicht schlecht. Das Sarmad Magazine Book Two ist wunderschön. Und das ist jetzt wirklich in Eigenregie entstanden, ohne Verlag und großes Geld dahinter?

Golnar und Alireza Abbasy, ein Geschwisterpaar wohnhaft in Teheran im Iran und Maastricht in den Niederlanden, sind die beiden Köpfe hinter diesem unabhängigen Magazin. Im April 2012 wurde Sarmad als Online-Magazin geboren, im November 2014 kam dann das Buch Eins in Eigenproduktion auf den Markt.

Sie verstehen das Buch als Möglichkeit, einzelnen unbekannten Künstlern eine Plattform zu bieten, ihre Werke zu publizieren und zueinander in Position zu bringen. Die beiden Bücher vereinen einen Teil der bereits zuvor online gezeigten Fotografien und die Arbeiten solcher Fotograf*innen, die sich extra für die Bücher beworben haben, darunter beispielsweise Isa Marcelli, Michał Małkiewicz oder Samantha Sealy.

In der Tradition von Sarmads genereller Linie geht auch in Buch Zwei alles um das Experimentieren in der Fotografie, als ein Medium im weiten Reich des Bilder-Machens; die Fotografen hier sind nicht nur Techniker, die Augenblicke im Strom der Zeit einfangen, sondern auch Künstler, die durch das Mittel der Fotografie Bilder erschaffen. In dieser Ausgabe findet Ihr Lochkamera-Fotografien, Cyanotypien, Kollodium-Nassplatten und alte Fundstücke sowie Collagen.

Foto eines aufgeschlagenen Buches mit einem Polaroidlift.

So stellt sich das Sarmad Magazine seinen Lesern vor. Auf 40 Seiten werden verschiedenste Ergebnisse der experimentellen, analogen Fotografie von 20 Fotografen und Fotografinnen vorgestellt. Im Vergleich zu Buch Eins betrachtet Buch Zwei sehr viel mehr die Randsparten der Fotografie, zeigt aber auch weniger Bilder, dafür auf deutlich größerem Format in ganz anderer Haptik.

Es ist jeweils die rechte Seite jeder Doppelseite bedruckt, die Bilder sind so groß wie möglich dargestellt, Querformate berühren sogar oftmals beide Ränder. Die schwarzweißen Fotografien überwiegen deutlich, es gibt aber auch ein paar Farbbilder oder Farbexperimente aus der Dunkelkammer.

Foto eines aufgeschlagenen Buches mit vier Belichtungsstreifen.

Foto eines aufgeschlagenen Buches mit blauem Bild.

Das Magazin liegt wunderschön schwer in der Hand, das Papier ist dick und griffig. Golnar und Alireza Abbasy haben sich dieses Mal bewusst für das sehr aufwändige Risografie-Druckverfahren entschieden, bei dem jedes Foto ähnlich wie bei einem Siebdruck mit einer extra dafür angefertigten Schablone gedruckt wird.

Das macht das ganze Buch Zwei zu einem kleinen Kunstwerk, da jede Version der auf 120 Bücher limitierten Auflage etwas anders geworden ist. Das besondere Druckverfahren geht Hand in Hand mit den Fotografien, die auch in experimentellen und oft handwerklichen Prozessen entstanden sind, der Inhalt spiegelt sich also wunderschön in der Form des Buches wider.

Nahaufnahme eines Risographiedruckes, bei dem die Ränder eteas voneinander abweichen

In der Nahaufnahme erkennt man das Siebdruckverfahren per Schablone

Während Buch Eins im Iran als relativ normaler Digitaldruck fabriziert wurde, wurde für Buch Zwei mit dem Charles Nypels Lab in der Jan van Eyck Academy in Maastricht zusammengearbeitet. Die Arbeitsweise der Risografie mit ihren monotonen und mehrfarbigen Drucken wird von Jo Frenken im Sarmad Magazin Buch Zwei im Essay „Risography Supressing the Impulse“ erklärt.

Des weiteren findet man den längeren Text „Camera Obscura, as Liberating as a Brush“ von Alireza Abbasy, in dem sie die Unabhängigkeit der Lochkamera von der Fotoindustrie und ihre Einfachheit lobt:

Die langen Belichtungszeiten machen im Grunde die Zusammenfassung eines ganzen Zeitraumes möglich: nicht wie im Video mit Tausenden von Einzelbildern, sondern mit einem einzigen Bild. Indem alle Bilder in ein einziges zusammenkomprimiert werden, ergibt das fertige Bild so etwas wie eine Zeitkapsel, in der eine ganze Zeitspanne eingefangen wird.

Mit solchen Sätzen bringt Alireza mich auf eine ganz neue Wahrnehmungsebene und macht eine teilweise fast philosophische Betrachtungsweise von Fotografie möglich. Die Mischung aus den beiden Essays zu Beginn gefolgt von 33 Seiten Bildern und einem abschließenden Index mit Fotograf*innen, Titeln und ein paar einzelnen Erklärungen hinterlässt bei mir einen sehr stimmigen Gesamteindruck.

Foto eines aufgeschlagenen Buches mit einem Schwarzweißfoto.

Foto eines aufgeschlagenen Buches mit einem Schwarzweiß-Portrait einer Frau.

Foto eines aufgeschlagenen Buches mit vier kreisrunden Fotos.

Das Buch Zwei ist in meinen Augen sehr viel besser konzipiert als Buch Eins, in dem ich auch mit einem Bild vertreten war und ich bereue es nun bei jedem Durchblättern, mich für dieses großartige Folgeprojekt nicht auch beworben zu haben.

Im Herbst wird das Buch Zwei voraussichtlich in zweiter Auflage gedruckt, die erste ist fast vergriffen. Bestellungen kann man per E-Mail oder über Facebook einreichen. Ich kann es sehr empfehlen.

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