Ein schlafendes Kind, auf das Lichtstrahlen fallen.
20. April 2016 Lesezeit: ~5 Minuten

Meine Kindheit und die halbe Portion

Im Jahr 1967, ein Jahr später wurde meine Schwester geboren, kaufte mein Vater eine Olympus PEN FT. Bevor er sich zum Kauf entschloss, ging er zu einem AGFA-Fotohändler in Itzehoe, der ihn mit dem Halbformat bekannt machte und die Vorzüge anpries: Die Olypmus PEN FT war eine kleine und leichte Kamera zu einem, für diese Qualität, günstigen Preis.

Das Halbformat versprach, eine geldsparende Variante für den hobbymäßigen Fotografen zu sein. Insbesondere, wenn er vorhatte, auf Diafilm zu fotografieren: einfacher Preis bei doppelter Ausbeute. Mein Opa, ein gelernter Fotograf, brachte dieser Erwerbung jedoch keine Anerkennung entgegen:

Das halbe Format schätzte er als nicht leistungsfähig genug ein, die Verkleinerung der Negative versprach geringe Qualität und so hielt er es für überflüssig, sich mit der Kamera weiter zu beschäftigen. Trotz dieses Urteiles bin ich mit dieser Kamera groß-fotografiert worden.

Ein Kind schaut in die Kamera.

Die ersten Versuche machte mein Vater mit einigen Schwarzweißfilmen. Danach stieg er auf Diafilm um und mein Aufwachsen sowie das meiner Schwester wurden in Farbe auf Dia gebannt. Für mich war der Anblick eines halben Dias auf der Leinwand normal, meist natürlich im Hochformat, das bot die Kamera ja so an.

Mein Vater hat mit der Kamera bis 2004 fotografiert, er nahm die PEN FT mit nach Australien, auf eine Rundreise über den Kontinent. Auf dieser Reise wurde die Kamera im Zelt während einer regnerischen Nacht im Outback nass. Trotzdem funktionierte sie noch. Zurück in Deutschland wurde mein Vater in Hamburg bei Olympus vorstellig: Der Mechaniker konnte keinen Schaden feststellen.

Meine ersten fotografischen Gehversuche machte ich mit der PEN FT im Keller meiner Eltern. Mit einem Freund zusammen machten wir Mehrfachbelichtungen oder Bewegungsstudien bei Dunkelheit mit Taschenlampe. Das Ergebnis war ernüchternd, denn der Film war nicht richtig eingespult und hatte nicht transportiert.

Zwei Kinder im Sandkasten.

Auf die PEN FT bin ich vor einem halben Jahr wieder gestoßen: Mein Vater, der Diafotografie schon lange müde, hat mich gefragt, ob ich mich seiner alten Fotoausrüstung annehmen möchte, er hätte dafür keine Verwendung mehr. Nachdem ich über diese schöne kleine Kamera einiges gelesen hatte, wuchs meine Neugier und Bereitschaft, es einmal mit dem halben Format auszuprobieren.

Die Kamera ist klein, leicht, sieht gut aus, belichtet wie ich es möchte und die alten Objektive sind außerordentlich leistungsfähig. Dazu sind die Kamera und die dazugehörigen Objektive zu einem überschaubaren Preis zu haben.

Auch eventuell anstehende Reparaturen (der Verschluss ist eine rotierende Spezialkonstruktion, die nach 50 Jahren unter Umständen einer Überholung bedarf) sind schnell, günstig und freundlich bei dem OM Doktor durchführbar. Alles Argumente, die für einen Versuch sprechen.

aneinander gereihte Häuser in schwarzweiss

Für mich ist das Fotografieren mit der PEN FT ein bisschen wie digitales Fotografieren auf Film: Ich habe keine Hemmungen, für ein Motiv fünf Fotos zu belichten und hinterher zu entscheiden, welches ich am besten finde. Mein Vater hatte zwei Objektive: Ein 38 mm f/1.8, das 100 mm f/3.5 und ich habe für kleines Geld noch ein 20 mm f/3.5 dazu gekauft, da ich Weitwinkel mag.

Für das 20 mm gibt es keine Gegenlichtblende und die Gummi-Universalblende von JJC funktioniert nur, wenn die Blende ganz zurückgezogen ist, sonst hat man eine ungewollte Vignettierung. Da diese Ausrüstung leicht und klein ist, nehme ich oft einfach die Kamera mit den beiden anderen Objektiven mit.

Zu Ostern hatte ich die Kamera mit auf Heimatbesuch in Schleswig-Holstein und habe damit ein kleines Fotoprojekt durchgeführt: Orte meiner Kindheit mit der Kamera meiner Kindheit fotografieren. Gleichzeitig wollte ich noch alte Fotos aus meiner Kindheit für diesen Artikel heraussuchen.

Zu diesem Zweck gab mir mein Vater einen großen Briefumschlag mit entwickelten, aber noch nicht gerahmten Dias. Da ein Film für 72 Fotos Platz bot, war die Auswahl groß und der Ausschuss auch. Ich hielt also den nicht gerahmten Ausschuss in meinen Händen. Das, was aus den Jahren meiner Kindheit fotografisch liegengeblieben ist.

Ein Hochhaus und ein Baum.ein Junge im Schnee

Beim Durchsehen der alten Fotos ist mir aufgefallen, dass es kaum doppelt oder falsch belichtete Fotos gibt. Die Kamera misst die Belichtung sehr zuverlässig und gerade für Schwarzweißfilme, die ja sehr gutmütig sind, funktioniert sie hervorragend.

Ich habe mich in den Tagen an viele Einzelheiten aus meiner Kinder- und Schulzeit zurück erinnert, ich spüre im Angesicht der Fotografien körperlich das Vergehen der Zeit. Einiges von dem, was ich im Umschlag gefunden habe, möchte ich zur Erinnerung aufbewahren.

Mutter und Kind auf dem Balkon.

Gleichzeitig war ich beim Besuch des Wohnviertels und dem Garten meiner Eltern erstaunt, dass alles noch deutlich näher an meiner Erinnerung lag, als ich dachte. Alles kommt mir nur wenig verändert vor, auch wenn ich alles weiträumiger und großzügiger erinnere.

Ich bin meinem Vater dankbar, dass er die Kamera und die Dias aufbewahrt hat, so dass ich die Gelegenheit bekommen habe, noch einmal in meine Vergangenheit einzutauchen und sie zu berühren. Ich freue mich darüber, dass er an den Fotos und der Kamera nicht weiter festhält, sondern sie mir übergibt und ich damit weiter fotografieren kann.

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