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18. April 2016 Lesezeit: ~5 Minuten

Rezension: Fotos für die Pressefreiheit 2015

Am 3. Mai erscheint die neue Ausgabe der Reihe „Fotos für die Pressefreiheit“ des Vereins Reporter ohne Grenzen. Grund genug, die aktuelle Ausgabe nochmals zu betrachten.

Seit 1994 gibt Reporter ohne Grenzen Publikationen heraus, die sich kritisch mit Angriffen auf Journalismus, Presse- und Informationsfreiheit befassen. In seiner aktuellen Form erscheint „Fotos für die Pressefreiheit“ seit 2010.

Fotos für die Pressefreiheit 2015

Nach einer Einleitung und einem Grußwort beginnt das Heft mit der „Rangliste der Pressefreiheit“, veranschaulicht anhand einer Weltkarte. Rot markiert sind die Länder, in denen es im Heft geht: Deutschland, USA, Hongkong, Liberia, Israel, Mazedonien, Afghanistan, Kolumbien, Ukraine, Honduras, Thailand, Tschad, Palästinensische Gebiete, Türkei, Irak, Aserbaidschan, Kuba, Iran und Syrien.

Die Auswahl verdichtet sich auf der gezeigten Karte auf einen groben geografischen Ballungsraum. Einseitig wirkt es dennoch nicht. Auf den 100 Seiten werden Reportagen geboten, die den europäisch geprägten Betrachter auch mit Berichten zu Themen konfrontieren, die sonst als wenig präsent wahrgenommen werden.

Fotos für die Pressefreiheit 2015

Die thematisierten Länder nehmen jeweils eine Seite ein, längere Reportagen auch zwei bis drei Seiten. Die gezeigten Bilder stehen beispielhaft für aktuelle Ereignisse und Entwicklungen. Die Bandbreite an Bildstilen reicht von klassischer Reportage-Fotografie bis hin zu experimentellen Serien und inszenierten Konzepten zum jeweiligen Thema.

Mit Syrien, Afghanistan und dem Irak sind Länder vertreten, die in Deutschland in erster Linie in Gestalt geflüchteter Menschen in der medialen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit vorkommen. Auch die Türkei hat derzeit eine besondere Rolle in der deutschen Medienlandschaft. Es geht um medial inszenierte Skandale, den umstrittenen Deal mit der Europäischen Union und die Abschiebepolitik.

„Fotos für die Pressefreiheit“ thematisiert das repressive Vorgehen der Erdogan-Regierung gegen kritische, insbesondere kurdische, Journalist*innen. Auf den Bildern zu sehen sind Aufnahmen von Demonstrationen sowohl von Gegner*innen, als auch von Anhänger*innen der Regierung. Die Türkei belegt mit Platz 149 von 180 einen der unteren Plätze der Länder in Sachen Pressefreiheit.

Fotos für die Pressefreiheit 2015

Über Afghanistan wurde zuletzt in Deutschland diskutiert, als Innenminister de Maizière das Land bereiste, um festzustellen, ob Deutschland afghanische Geflüchtete wieder in Teile des Landes abschieben könne. Während de Maizières Besuch dort erschütterte ein weiterer Anschlag der Taliban die Hauptstadt Kabul. De Maizière mahnte die afghanische Bevölkerung, es sei ein „Verrat an der Zukunft Afghanistans“, würden gebildete Afghanen ihre Heimat in Richtung Deutschland verlassen.

2014 war für afghanische Journalisten das gefährlichste Jahr seit dem Sturz der Taliban, berichten Reporter ohne Grenzen auf Seite 13. Es ist von Übergriffen und staatlicher Repression die Rede, Gewalt von bewaffneten Aufständischen, Drogenkartellen und korrupten Eliten stiegen deutlich an.

Für eine Besserung der Zustände setzt sich Reporter ohne Grenzen in Zusammenarbeit mit der lokalen NGO „Nai – Supporting Open Media in Afghanistan“ seit Langem ein. Erwähnt werden auch die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus und die Journalisten Nils Horner und Ahmad Sardar, die in Afghanistan ums Leben kamen. Afghanistan belegt in der Rangliste Platz 122.

Fotos für die Pressefreiheit 2015

Zum Krieg in Syrien zeigt das Heft die Arbeit der Fotografin Alice Martins. Ihre Doppelbelichtungen sind auf mehreren Reisen nach Syrien entstanden und könnten, so Martins, auch jeden anderen Krieg zeigen. Menschen sind an Kriegsbilder gewöhnt, so die Fotografin.

Meine Montagen zeigen Ursache und Wirkung, zeigen eine Aktion und die Gefühle, die diese hervorruft.

Martins berichtet von persönlichen Erfahrungen und ihren Erlebnissen in der schwierigen Arbeit als Kriegsfotografin. Sie erläutert die Hintergründe der gezeigten Bilder und berichtet davon, wie sie in ihrer Arbeit Erlebtes verarbeitet und das richtige Verhältnis von Empathie und Distanz zu wahren versucht.

Fotos für die Pressefreiheit 2015

Außerdem findet sich im Heft eine Reportage von Martin Schlüter, der die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes kurz vor ihrem Umzug fotografiert hat. Zu den USA wird angemerkt, dass unter Präsident Obama stärker gegen investigativen Journalismus vorgegangen wurde als unter seinen Vorgängern.

Aus den vielen Reportage-Fotos sticht die Serie „Look“ der iranischen Fotografin Newsha Tavakolian heraus. Die inszenierten Portraits ihrer Nachbar*innen stehen für ein Leben in einem abgeschotteten Land. Begleitet werden die Bilder von einem Bericht zur Pressefreiheit unter Präsident Rohani.

Fotos für die Pressefreiheit 2015

„Fotos für die Pressefreiheit“ bietet einen gut aufbereiteten Überblick über ein global wichtiges, aber oft wenig transparentes Thema. Die bildgewaltige Zusammenstellung ist vielseitig und spannend, ohne auf besonders schockierende Bilder zu setzen. Zudem laden die durchdachte Aufmachung und gute Verarbeitung zum Sammeln der unterschiedlichen Ausgaben ein. Ein Durchblättern des aktuellen Hefts stimmt nachdenklich und lässt den Betrachter die diesjährige Veröffentlichung Anfang Mai mit Spannung erwarten.

Auf der Webseite von Reporter ohne Grenzen lassen sich mehr Informationen zur Transparenz des Vereins finden. Wer die Arbeit unterstützen möchte, kann neben dem Kauf der Publikationen auch Mitglied werden oder spenden.

Informationen zum Buch

Titel: „Fotos für die Pressefreiheit“
Herausgeber: des Vereins Reporter ohne Grenzen
Seiten: 106
Sprachen: Deutsch
Erscheinungsdatum: 3. Mai 2015
Verlag: TAZ
Ausgabe: Gebunden
ISBN-10: 3937683569
ISBN-13: 978-3937683560
Größe: 21 x 1,5 x 27,9 cm
Preis: 12 €

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