14. April 2016 Lesezeit: ~4 Minuten

Stacked – Hochhäuser Berlins

Als ich im ehemaligen West-Berlin aufwuchs, hatte ich keine Ahnung, dass ich mal in einem anderen Land leben würde. Vor bald zehn Jahren wurde jedoch Kopenhagen meine neue Heimat. Der markanteste Unterschied zu Berlin war für mich die Bebauung der Stadt.

Viele Häuser stammen noch vom Beginn des 20. Jahrhunderts und es scheint fast so, als wenn Kopenhagen die Nachkriegsjahre übersprungen hätte, zumindest bautechnisch gesehen. Und je öfter ich nach Berlin reiste, umso deutlicher wurde mir, dass Berlins Nachkriegsbauten eigentlich eine gewisse Besonderheit sind. Wie Relikte aus einer anderen Zeit, die gleichzeitig aber noch fest verankert in der Gegenwart sind.

Ein Hochhaus

Als Kind wuchs ich nicht allzu weit entfernt von der von Walter Gropius geplanten Gropiusstadt auf, einer Großwohnsiedlung mit knapp 20.000 Wohnungen und weitläufigen Parkanlagen. Aufgrund der Nähe hielt ich mich häufig innerhalb der Gropiusstadt auf; sei es, weil Freunde dort wohnten oder wegen des Freibads, das ich im Sommer jeden Tag besuchte. Von der Geschichte hinter den Bauten hatte ich als Teenager natürlich keine Ahnung.

Später als Student und junger Erwachsener hat sich mein Leben dann meist eher im Zentrum Berlins abgespielt und auch meine Freunde bzw. Familie zogen weg. Erst viele Jahre später kam ich wieder in die Gegend und fand diese Konzentration von Hochhäusern an einem Ort recht seltsam, aber dadurch auch sehr interessant, zumal das Stadtbild von Kopenhagen so ganz anders ist.

Ein Hochhaus vor einem blauen Himmel

Ende 2014 habe ich mir dann in den Kopf gesetzt, die Berliner Nachkriegsbauten mein nächstes Projekt werden zu lassen. Ich verbrachte einen Großteil des folgenden Jahres mit den Vorbereitungen. Das Konzept hatte ich mir relativ schnell überlegt, doch vor allem die Planung bzw. Umsetzung hat viel Zeit gebraucht.

Ich musste freistehende Gebäude finden, die ich aus großer Entfernung fotografieren konnte, um zum einen keine störenden Elemente im Bild zu haben und zum anderen perspektivisch einen flachen Neigungswinkel zu erhalten. Das bedeutete auch, dass ich Geld für ein Teleobjektiv sparen musste. Das eigentliche Fotografieren hat daher dann auch relativ wenig Zeit in Anspruch genommen.

Ein Hochhaus

Wichtig bei diesem Projekt war mir, die Gestaltung und Bauweise der Gebäude zu zeigen und weniger den sozialen Kontext, obwohl dieser natürlich auch eine Rolle für mich spielt. Daher wollte ich eine gewisse Vergleichbarkeit der Bauten herstellen, also mittels einer sehr stringenten Darstellung die Gebäude quasi nebeneinander stellen.

Für mich sind diese Gebäude ein Stück weit eine Kuriosität, denn sie waren zunächst eine einfache und kosteneffiziente Lösung in der Stadtplanung, die in den Nachkriegsjahren vor allem mit Wohnungsmangel zu kämpfen hatte. Später jedoch wurden viele zu Problemvierteln mit einem eher schlechten Ruf.

Ich finde es interessant, wie sich unsere Gesellschaft verändert und wie sich damit ehemals sehr gute städtebauliche Maßnahmen ins Gegenteil verkehren. Daher auch der Titel „Stacked“ als eine Referenz an das als veraltet angesehene Wohnkonzept: Vertikale Verdichtung statt einer eher horizontalen Ausbreitung des Wohnraums.

Minimalistische Aufnahme eines Hochhaus

Aber auch als Hinweis darauf, dass diese Form des Wohnens zumeist von anderen als den späteren Bewohnern geplant und entschieden wurde. Ein elementarer Bestandteil des Daseins, das Wohnen, wurde also vorgegeben. Und das war sicherlich auch ganz normal.

Heutzutage jedoch können wir zwischen einer Vielzahl von Produkteigenschaften wählen, die eigentlich keinen Einfluss auf die Funktionalität haben, zum Beispiel der Farbe des Laptops. Nun ist Wohnraum kein Produkt wie jedes andere, doch bin ich der Meinung, dass heute immer noch häufig die Entscheidung über die Gestaltung von öffentlichem Wohnraum von anderen getroffen wird. Die Folgen dieser unzureichenden Abstimmung trägt die Gesellschaft.

Hochhaus vor blauem Hintergrund

Daher wollte ich die schönen Seiten dieser Bauten auf meinen Bildern zeigen, an einem sonnigen Tag und ohne Graffiti. Dass die Realität anders aussieht, wird jedem Betrachter sofort klar sein, doch genau diese Reflexion möchte ich mit diesem Projekt anstoßen.

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