17. Februar 2016 Lesezeit: ~5 Minuten

Somalia

Die Fotos entstanden 1989 während einer Arbeitsreise nach Somalia. Das Land war schon damals in Kämpfe rivalisierender Clans verstrickt. Nominell wurde das Land von einer Zentralregierung in Mogadishu unter dem Diktator Siad Barre gesteuert.

Die gewachsenen Clanstrukturen waren jedoch auch unter der herrschenden Diktatur stärker als alle politischen Steuerungsmaßnahmen. Sie hatten schon die Kolonialzeit überlebt, die das Land bis 1970 in einen Norden unter britischer und einen Süden unter italienischer Herrschaft geteilt hatte.

Eine Frau schaut aus dem Haus.

Frauen und Männer in landestypischen Gewändern.

Ein toter Fisch

Ein Großteil der Bevölkerung lebte 1989 traditionell nomadisch, die Lebensbedingungen waren für viele Menschen schwierig. Ein verlorener Krieg gegen Äthiopien sowie Dürren hatten die Versorgungslage verschärft, die Sterblichkeitsrate war hoch.

Ziel unseres Projektes war es, Filme zu drehen, die der Bevölkerung Maßnahmen der medizinischen Grundversorgung vermitteln sollten: Kinder impfen zu lassen sowie Brunnen und Latrinen zu graben, um Infektionskrankheiten einzudämmen.

Die fertigen Filme sollten dann mit einem mobilen Kino in den Siedlungen der Nomaden gezeigt werden. Finanziert wurde das Projekt von einer norddeutschen Sektion des Lions-Club, vor Ort unterstützt von der gtz, der damaligen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, die später in der heutigen GIZ aufgegangen ist.

Frauen mit Kindern schauen wohin.

Männer und Frauen sitzen auf einem Laster.

Blick über die Dächer auf den Ozean.

Während unseres Aufenthalts im Land war der Norden um die Stadt Hargeisa aufgrund der Gefahrenlage bereits nicht mehr zu bereisen. Diese Region befand sich fest in der Hand von Rebellen, die gegen die Regierung des von südlichen Clans abstammenden Diktators Barre kämpften. Auch in den südlichen Landesteilen passierten wir immer wieder schwer bewaffnete Patrouillen, die auch hinter unserem Fahrzeug her schossen, wenn unser Fahrer meinte, anzuhalten sei nicht notwendig.

Unterwegs waren wir zu fünft: Unser durchaus besonnener, landeskundiger somalischer Fahrer sowie ein Dolmetscher, außerdem ein Arzt vom Hamburger Tropeninstitut und ein Deutscher, der sich als Faktotum um alle technischen Belange kümmerte – und der Autor dieses Textes, der die filmische Umsetzung einschließlich der Kameraarbeit besorgte. Für mich war es die erste Reise in ein afrikanisches Land, zugleich die erste in ein muslimisches – und in ein Entwicklungsland obendrein.

Ein Holzsammler am Strand.

Ein geschlachtetes Kamel und zwei Personen.

Ein Mann sitzt vor einem Haus.

Wir verbrachten viele Wochen in Somalia. Allein eine Woche dauerte es, während der wir jeden Morgen in einem Büro des Präsidenten in Mogadishu vorstellig werden mussten, um unter Einsatz kleiner Geldbündel alle erforderlichen Stempel für unser Projekt zusammen zu bekommen.

Es gab in der Zeit wohl kein Land, in dem mehr Hilfsorganisationen aus aller Welt vertreten waren. Allen Nationen war die geopolitische Bedeutung des Horns von Afrika klar und das äußerte sich nicht nur in großzügiger militärischer Unterstützung des Landes.

Diktator Barre hatte sich während seines letzten Krieges gegen Äthiopien von der bis dahin befreundeten Sowjetunion ab- und den USA zugewandt. In deren Gefolge war die gesamte westliche Welt mit ihren weißen Jeeps ins Land eingefallen, die Sowjets waren trotzdem auch immer noch da.

Männer am Straßenrand.

Frauen und Männer auf der Straße.

Ein Ziegenbock am Strand.

Die Mitarbeiter der Organisationen verbrachten die meiste Zeit in mit hohen Mauern und Stacheldraht umhegten Oasen der Ruhe. Es gab für sie faktisch nicht viel zu tun, die Hilfslieferungen waren schnell verteilt und die starren Strukturen der großen Organisationen sahen praktische Arbeit im Kleinen nicht vor. Mit Fördermitteln wurden nutzlose Straßen in die Wüste geteert, die nach wenigen Unwettern unterspült und zerstört waren.

Wir fuhren über die Dörfer, in denen die meisten Kinder und auch viele jüngere Erwachsene noch nie Weiße gesehen hatten. Begleitet von „galo, galo“-Rufen, die uns nicht als Weiße, sondern als Ungläubige charakterisierten, wurden wir neugierig umringt. Wir wurden teils skeptisch, aber immer respektvoll und gastfreundlich empfangen.

Zwei Männer schauen in die Kamera.

Die Frau und das Meer.

Männer mit Stöcken.

Den Dreharbeiten folgte eine Phase der Schulung der Einheimischen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst Filme zur Bildung der Bevölkerung zu drehen. Sie waren das probateste Mittel, um Menschen, die nie eine Schule besucht hatten, Wissen zu vermitteln.

Während unseres Aufenthalts verschärfte sich der Bürgerkrieg immer weiter. Am Tag unserer Abreise wurde der katholische Bischof von Mogadishu ermordet. Obwohl Katholiken eine verschwindend kleine Minderheit im Land stellten, genügte das als Zündfunke, um eine weitere Eskalation auszulösen.

eine lachende Frau

Eine Frau in bunter Tracht mit Kopfschmuck.

Kinder auf der Wiese

Das Land ging vollends in Kämpfen rivalisierender Banden unter. 1991 wurde Diktator Barre entmachtet, ein Jahr später entsandte die UN Blauhelme, kurz darauf artete die Friedensmission „Restore Hope“ in eine Schlacht unter US-amerikanischer Führung aus.

Nach verlustreichen Kämpfen zogen sich die Truppen zurück und die westlichen Länder überließen das Land wieder sich selbst. Unsere Filme konnten nie gezeigt werden.

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