Sänger wird vom Publikum getragen.
11. Februar 2016 Lesezeit: ~8 Minuten

Im Gespräch mit André Habermann

Mieses Licht, viel oder auch gar keine Bewegung auf der Bühne und davor kein Platz im Gedränge zwischen all den anderen Menschen – Konzertfotografie ist nicht das einfachste Genre, das man sich aussuchen kann. Trotzdem halten viele fleißig aus dem Publikum ihre Knipsen hoch oder begeben sich als offizielle Fotografen in den Graben.

Hallo André! Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview nimmst. Zuerst einmal: Wer bist Du und was machst Du?

Hallo, ich habe zu danken. Also, mein Name ist André Habermann, ich bin 38 Jahre alt, lebe und arbeite in München. Als Web-Entwickler beschäftige ich mich tagsüber mit Quellcode – der Abend und die Wochenenden gehören meist meinem Online-Magazin NEØLYD, über das ich unter anderem meine Konzertfotos veröffentliche.

Sänger schaut in die Kamera, Licht direkt hinter seinem Kopf.

Eines der ersten Fotos. The Robocop Kraus (2006)

Wie bist Du anfangs zur Fotografie gekommen?

Ich glaube, das war so gegen Ende 2004. Ein guter Freund von mir hatte sich gerade eine Digitalkamera zugelegt, die ziemlich schnell sein, und somit irgendwie auch unser, ständiger Begleiter auf kleineren Konzerten wurde. Irgendwann wurde ich neugierig und dufte auch mal ein Konzert durchfotografieren.

Ich war allerdings ziemlich naiv. Das ernüchternde Ergebnis: Von ca. 300 Fotos waren gerade einmal zwei bis drei halbwegs brauchbar. Trotz oder gerade wegen dieser miesen Ausbeute war ich irgendwie angefixt. Kurze Zeit später legte ich mir meine eigene Kamera zu und begann, das Treiben auf der Bühne zu dokumentieren.

Älterer Mann im Dunkeln, leicht von hinten beleuchtet.

Pentagram / Bobby Liebling (2015)

Warum gerade Konzertfotografie, was fesselt Dich daran?

Tja, was fesselt mich daran, gute Frage. Sagen wir mal so: Bei der Konzertfotografie gibt es eigentlich keine guten Bedingungen oder es sind die denkbar schlechtesten Bedingungen, die man sich vorstellen kann. Ständig wechselnde oder ultraschlechte Lichtverhältnisse, viel Bewegung und immenser Zeitdruck. Bei vielen Künstlern darf man meist nur während der ersten drei Songs fotografieren. Nun, vielleicht ist diese Herausforderung, gepaart mit meiner Leidenschaft für Musik, genau das, was mich an der Konzertfotografie so fasziniert.

Gitarrist vor aufgetürmten Boxen.

Dinosaur Jr. (2013)

Welche Möglichkeiten hast Du bei der Konzertfotografie, Dich fotografisch zu entwickeln? Im Gegensatz zu anderen Genres entzieht sich das, was vor Deiner Linse passiert, ja fast gänzlich Deinem Einfluss.

Das stimmt. Während den Shows kann ich leider wenig bis gar nichts steuern und ich bin stets auf die „Performance“ der jeweiligen Künstler angewiesen. Aber genau das finde ich spannend, da dadurch kein Konzert dem anderen gleicht. Gelegentlich habe ich sogar schon versucht, über Live-Mitschnitte vorab ein Gefühl für die bevorstehenden Shows zu entwickeln, aber durch nicht konstante Parameter wie Stimmung, Bühnengröße und Lichtverhältnisse war das meist nicht sehr aussagekräftig und hat mir folglich überhaupt nicht geholfen.

Wenn ich mir mein fotografisches Schaffen so anschaue, dann sehe ich eine für mich positive Entwicklung. Ein Beispiel: Als ich begonnen habe zu fotografieren, habe ich unbewusst – zumindest kann ich das jetzt nicht mehr ganz nachvollziehen – portraithafte Aufnahmen gemacht. Da war es mir auch egal, ob ein störendes Mikrofon das halbe Gesicht verdeckt oder ungünstig am Mund klebt. So etwas versuche ich jetzt zu vermeiden. Ich glaube, ich darf sagen, dass sich mein ästhetischer Blick für mich persönlich am meisten weiterentwickelt hat.

Sänger hält ein Bierglas in die Kamera.

House Of Pain (2011)

Gibt es etwas rund um die Konzertfotografie, was Dich beschäftigt oder nervt?

Ich muss gestehen, dass ich ungern Singer-Songwriter*innen ablichte, da bei den Konzerten – visuell gesehen – meist sehr wenig passiert. Dann fällt mir ganz spontan noch die sogenannte „3 Songs, No Flash“-Regel ein. Den zweiten Teil, also „No Flash“, kann man zwar getrost ignorieren, da ein Blitz eh nur die Lichtstimmung ruiniert und die Künstler stört – aber vom fotografischen Aspekt gesehen, werden viele Konzerte erst zu einem späteren Zeitpunkt interessant.

Nämlich genau dann, wenn es verschwitzte Körper, Interaktion mit dem Publikum, Solos oder so etwas gibt. Dann steht aber niemand mehr im „Graben“, um das Treiben entsprechend festzuhalten. Daher besuche ich sehr gern kleinere Clubshows, bei denen diese Regel eher selten ausgesprochen wird. Allerdings hat man hier wieder mit schlechteren Lichtverhältnissen und manchmal auch verschärftem Platzmangel zu kämpfen.

Sänger liegt auf der Bühne.

The Kills (2008)

Braucht man denn noch den klassischen Konzertfotografen, der vorn im Graben steht und nach drei Liedern einpacken muss? Im Publikum stehen ja alle mit ihren Handys und machen auch Aufnahmen.

Wenn man auf anspruchsvolle Bilder oder anders gesagt auf Ästhetik und Qualität Wert legt, dann auf jeden Fall. Ich empfinde den niederqualitativen, meist verwackelten und total übersteuerten Pixelbrei als in keiner Weise mit den Aufnahmen aus dem Graben vergleichbar. Aber da kommt es natürlich auch auf denjenigen, der die Kamera bedient an, denn neben dem Beherrschen der Technik sollte auch ein gutes Gespür bzw. ein gutes Auge vorhanden sein.

Auch von der messbaren Bildqualität können die Telefonfotos – die sich meiner Meinung nach spätestens nach zwei Tagen zu einer Dateileiche entwickeln – nicht mithalten. Nicht umsonst sollte man sich nur mit einer hochwertigen Ausrüstung und sehr lichtstarken Objektiven in den Graben begeben.

Sängerin liegt auf der Bühne.

Oh Land (2011)

Hast Du Tipps für Anfänger im Genre Konzertfotografie? Für welche Hinweise wärest Du dankbar gewesen, wenn Du an Deine ersten Schritte zurückdenkst?

Geduld. Auf jeden Fall Geduld. Man darf nicht erwarten, dass bei den ersten Versuchen die perfekten Fotos entstehen. Deswegen sollte man Ruhe, Zeit und Mut zum Experimentieren der persönlichen Einstellungen und Perspektiven mitbringen. Zudem empfehle ich, bei der Hardware nicht zu geizen, denn sie macht neben allem Talent auch einen großen Unterschied. Besonders in kleineren Clubs sollte bzw. muss man auf lichtstarke Objektive zurückgreifen. Das kostet ordentlich Geld, keine Frage, lohnt sich aber sehr.

Auch die Verwendung des RAW-Formats empfehle ich, denn die digitalen Rohdateien bieten enorme Vorteile bei der Nachbearbeitung. Außerdem sollte man die Locations vorher genau studieren und wenn man mit seiner Ausrüstung anrückt, sollte man vorab die Erlaubnis vom Veranstalter, dem Club oder der Band eingeholt haben, denn oft ist der Einlass schon mit einer einfachen Spiegelreflex nicht erlaubt. Auch sollte man sich unbedingt an die vorher abgesprochenen Regeln halten.

Sänger am Mikrofon.

Atoms For Peace (2013)

An welchen Orten fotografierst Du am liebsten Konzerte?

Aus lichttechnischen Aspekten präferiere ich größere Locations wie die Muffathalle, Tonhalle oder das (für seinen miesen Sound bekannte) Zenith. Für intime Stimmungen bieten sich kleinere Clubs an. Sehr zu empfehlen sind die diversen Örtlichkeiten im Feierwerk und das Milla in der Münchner Innenstadt.

Wie siehst Du die Zukunft der Konzertfotografie?

Die Zukunft der Konzertfotografie sehe ich sehr gelassen, denn im Gegensatz zu Tonträgern werden Liveauftritte nie stagnieren. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber ich habe sogar das Gefühl, dass in letzter Zeit immer mehr Konzerte ziemlich schnell ausverkauft sind. Sogar in München – und das will was heißen.

Sängerin streckt ihre Zunge heraus.

Die Antwoord (2015)

Was waren Deine bisher tollsten Konzerterlebnisse?

Oh, da gab es viele. Aber fotografisch gesehen waren die Auftritte von Peaches, The Kills und Die Antwoord sehr interessant. Aber das bizarrste Konzert was ich jemals erlebt habe, war die Vorband von Peaches. Hyenaz – ein Duo aus Berlin, sehr arty, hatten eine ziemlich krasse Show abgeliefert. Viel nackte Haut gepaart mit mystischer Performance, die (glücklicherweise) kurz vor dem Geschlechtsverkehr endete.

Zwei halbnackte Menschen im Dunkeln teilweise von Scheinwerfern im Licht sichtbar.

Hyenaz (2015)

Was treibst Du denn abseits der Konzertfotografie noch so, was interessiert Dich?

Generell interessiert mich sehr viel, aber leider fehlt mir oft die Zeit, da ich durch meinen Vollzeit-Job und NEØLYD schon ziemlich ausgelastet bin. Aber neben dem Konsum von guter Musik erfreue ich mich auch gern am Schaffen befreundeter Künstler, Fotografen und Illustratoren wie zum Beispiel Alexander Binder, Falko Ohlmer, Gerald von Foris, Rene Arbeithuber und Tim Brüning.

Gitarrist

Black Rebel Motorcycle Club (2013)

Welche Pläne hast Du für Deine fotografische Zukunft?

Konkrete Pläne mache ich diesbezüglich nicht. Ein kleiner Traum wäre jedoch, bei einer kompletten Tour mitzureisen und das Geschehen auf, hinter und neben der Bühne zu dokumentieren.

Dann drücke ich Dir die Daumen, dass sich diese Gelegenheit für Dich ergibt und danke Dir für Deine Zeit, André!

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