Bilderschnipsel
27. Januar 2016 Lesezeit: ~9 Minuten

Crashkurs Analog Teil 7: Farbvergrößerung

Die Diskussion um analog oder digital ist nicht totzukriegen. Für die analoge Fotografie werden meistens der Workflow, die Entschleunigung, die Fokussierung oder der Film-Look ins Feld geführt. Für mich gibt es noch einen weiteren, sehr gewichtigen Grund: Die Tatsache, dass ich am Ende des Prozesses Fotografien in der Hand halte, die nicht nur meine, sondern mittlerweile auch die Wände von Freund*innen und Bekannten bedecken.

Digitale Bilder sind für mich in hohem Maße unbefriedigend, weswegen ich Scans auch nur noch gelegentlich pro forma mache.

Die Papierentwicklung beschränkt sich bei den meisten auf schwarzweiß – wogegen nichts einzuwenden ist. Es stehen ausreichend Filme, Papiere, Entwickler, Toner, Techniken und mehr zur Verfügung, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Gleichzeitig gibt es viele Motive, die ich in Farbe sehen möchte. Warum also nicht auch auf Papier bringen?

Die Farbentwicklung auf Papier scheint eine Art Black Box der analogen Fotografie zu sein: Bloß nicht anfassen, kompliziert! Dabei ist sie kaum komplizierter als die Schwarzweiß-Entwicklung. Es gibt jedoch einige Unterschiede zu dieser Variante. Einer der wichtigsten ist die Kontraststeuerung, die bei Farbe de facto nicht möglich ist. Zwar gibt es unterschiedlich kontrastreiche Papiere, die sichtbaren Unterschiede sind tatsächlich jedoch gering. Somit gilt es, bereits das Negativ optimal zu belichten.

Aus eigener, teils schmerzhafter Erfahrung ist es bei der Farbvergrößerung ebenfalls ratsam, zu noch nicht abgelaufenem Film zu greifen (bewusste Ausnahmen lasse ich hier einmal außen vor). Beides lässt sich zwar auch für schwarzweiß sagen, jedoch sind die Ausgleichsmöglichkeiten im Nachhinein deutlich größer.

 

Dunkelkammerausrüstung

Im Folgenden stelle ich kurz meine Dunkelkammerausrüstung zur Farbentwicklung vor.

Der Vergrößerer, in meinem Falle der sehr verbreitete Durst M605, braucht zwingend einen Farbmischkopf. Manche Schwarzweiß-Vergrößerer sind aufrüstbar. Auf die Notwendigkeit des Mischkopfs werde ich später eingehen.

Ein Mischkopf

Mischkopf am Vergrößerer

Das Papier wird wahrscheinlich von Kodak oder Fuji kommen. Beide machen gute Farbpapiere, das zur Zeit gebräuchlichste dürfte das Fuji Crystal Archive sein. Wer etwas giftigere Farben mag, kann von Zeit zu Zeit noch Kodak Endura erstehen. Zwar gibt es dieses bereits zugeschnitten, aus finanziellen Gründen kann ich jedoch bei größerem Durchsatz zum Kauf auf Rolle und zum Zuschneiden per Rollenschneider raten.

Beim Kauf von Rollen ist etwas Vorsicht geboten, da manche Papiere auf die Digitalausbelichtung per Laser optimiert sind und sich in der analogen Dunkelkammer schlecht verarbeiten lassen. Im Zweifelsfalle hilft eine kurze Nachfrage beim Händler des Vertrauens. Im Gegensatz zu schwarzweiß gibt es Farbpapiere nur auf PE-Basis.

Die RA-4 Chemie, bestehend aus Color Developer (CD), Bleichfixierer (BFX) und gelegentlich Starter, gibt es von diversen Anbietern. Für kleinere Ansätze gibt es „Amateurkits“, die dann zwischen 2,5 und 5 Liter pro Bad abdecken. Normalerweise sollten ein Liter CD- und ein Liter BFX-Lösung für zwei Quadratmeter Papier ausreichen.

Da Farbpapier fast über das gesamte Spektrum sensibilisiert ist, habe ich kein Licht an, solange ich mit Papier hantiere. Das heißt, dass ich komplett im Dunkeln arbeite und dort auch mein Papier zuschneide. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig, aber man kommt schnell rein.

Es gibt Lampen, die auf Farbpapier optimiert sind, jedoch sind diese nicht zwingend mit modernen Papieren kompatibel. Wer ohne Licht nicht arbeiten kann, sollte auf jeden Fall möglichst weit dimmen und Schleiertests durchführen. Zur Beurteilung der Farben ist dagegen weißes Licht bzw. Tageslicht von Vorteil – das gilt übrigens auch für die Schwarzweiß-Entwicklung.

Aus Gründen der Einfachheit benutze ich gerne ein LED-Kopflicht. Wenn es exakt sein muss, schaue ich mir die Prints vor der Tageslichtlampe an oder gehe kurz an die frische Luft. Ebenso wie bei Schwarzweiß-Abzügen sollte die abschließende Beurteilung erst nach der Trocknung des Papiers erfolgen.

Zur Entwicklung selbst können verschiedene Systeme genutzt werden, die ich kurz mit ihren Vor- und Nachteilen erläutern möchte.

 

Die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten im Überblick

Das für viele naheliegendste System ist sicherlich die Schalenentwicklung. Prinzipiell braucht es lediglich eine Schale für die CD-Lösung, eine für die BFX-Lösung und eine Wässerungsapparatur. Der Vorteil daran ist die Verfügbarkeit – wer schwarzweiß entwickelt, dürfte die Sachen bereits zuhause haben.

Ein großer Nachteil ist jedoch die Temperaturkonstanz, da die Farbchemie optimalerweise 35 °C haben sollte. Zwar kann auch eine Entwicklung bei 25 °C zum Erfolg führen, allerdings ist bei Temperaturänderungen keine Reproduzierbarkeit gegeben. In Maßen könnte Abhilfe durch Heizplatten geschaffen werden. Ein weiterer Nachteil ist die große Oberfläche der Chemie: Bei hohen Temperaturen oxidiert diese schneller und in schlecht belüfteten Dunkelkammern reichert sich die Chemie in der Luft an.

Eine andere Möglichkeit ist die Trommelentwicklung, zum Beispiel mit Hilfe von JOBO-Drums. Meiner Meinung nach ist das die mit Abstand schlechteste, da sehr umständliche Lösung. Die Temperatur kann per Rotationsmaschine konstant gehalten werden. Das Papier wird in die Trommel gegeben und ähnlich prozessiert wie Film bei der klassischen Trommelentwicklung.

Natürlich muss die Trommel nach jeder Nutzung gereinigt und getrocknet werden, außerdem muss die Chemie permanent hin- und hergeschüttet werden – insgesamt ist das Prozedere arbeitsintensiv und bei vielen Probestreifen sehr anstrengend. Darüber hinaus ist die Anschaffung der Maschinen nicht billig.

Eine deutlich bessere Alternative, die ich auch in meiner Dunkelkammer verwende, ist die Maschinenentwicklung. Dabei wird das Papier in die Entwicklungsmaschine eingezogen, wird durch die beiden Bäder gezogen und kommt entwickelt wieder heraus. Bei einigen Maschinen ist eine Wässerungs- und Trocknungseinheit dabei.

Der große Vorteil ist die exakte Einhaltung der Temperatur per Thermostat und die exakte Chemieverweildauer durch die gleichmäßige Beförderung. Dadurch sind die Ergebnisse relativ gut reproduzierbar und das Arbeiten ist denkbar einfach. Bei guten Maschinen ist eine Chemieregeneration möglich und insgesamt lässt sich ein hoher Durchsatz verarbeiten. Nachteilig sind die Anschaffungskosten und das eher beschränkte Angebot.

 

Die Vorgehensweise

Der Workflow ist ähnlich der Schwarzweiß-Vergrößerung: Belichten, entwickeln, (bleich-)fixieren, wässern, trocknen. Genau wie bei schwarzweiß beginne ich mit einem Probestreifen zur ungefähren Zeitermittlung. Als Grundfilterung nehme ich filmbasierte, selbst ermittelte Anhaltswerte. Der Probestreifen gibt dann bei der optimalen Zeit auch schon eine Idee der Farbigkeit.

Das Verständnis über die Filterung ist essentiell für das weitere Vorgehen. Farbmischköpfe haben drei Farbfilterräder: Gelb, Magenta und Cyan. Die Zusammensetzung aus diesen drei Farben bestimmt die Farbigkeit des Bildes, vergleichbar mit CMY(K)-Drucken.

Ausgedrückt wird die Filterung in Filterwerten, beispielsweise 40 (Gelb) – 50 (Magenta) – 0 (Cyan). Der Cyanfilter wird meist auf 0 belassen, sodass es nur noch zwei Filtervariablen gibt. Hat ein Bild einen Gelbstich, so muss Gelb zugefiltert werden – beispielsweise durch erhöhen des Filterwertes von 40 auf 50.

Da Blau die Komplementärfarbe von Gelb ist, wird das Bild folgerichtig blauer. Dementsprechend lässt sich ein Blaustich durch die Reduktion des Gelbfilterwertes beseitigen. Natürlich muss nach größeren Änderungen der Filterwerte auch die Zeit nochmals angepasst werden, da sich die Filterdichte und damit die Lichtdurchlässigkeit ändert. Dies ist vor allem für den Magenta-Kanal von Relevanz.

Belichtungsstreifen

Teststreifen zur Ermittlung der Belichtung

Farbfiltertestdrucke in Schnipselform

Farbfilter-Testdrucke

Anfangs ist es sehr schwierig, die Farbigkeit eines Bildes richtig zu beurteilen. Mit zunehmender Erfahrung fällt das leichter, jedoch gibt es auch die Möglichkeit, unterstützend Color Analyzer zu verwenden. Bisher hat mir die Filterung nach Augenmaß ausgereicht, allerdings gibt es noch immer Motive, bei denen es schwierig ist, die Farben richtig einzuschätzen. Es sei jedoch gesagt, dass es häufig nicht „die richtige Filterung“ gibt: Was gefällt, ist in Ordnung.

Ein Weg durch die Highlands.

Simone schaut böse

 

Spielereien jenseits der Farbneutralität

Sehr spannend sind für mich gecrosste Filme, also Diafilme, die C-41 entwickelt wurden und daher wie ein normales Negativ verarbeitet werden können. Die klassischen, bekannten Farbstiche (die wohl eher als Scan-Artefakte bezeichnet werden sollten) lassen sich, je nach Lust und Laune, entweder reproduzieren oder entfernen.

Einige Filme führen zu extremen Kontrasten, beispielsweise der Kodak E100VS oder Elitechrome 100. Hier bietet es sich an, bereits beim Fotografieren die Filmcharakteristika zu bedenken. Die genannten Filme benutze ich beispielsweise fast ausschließlich bei bewölktem oder regnerischem Wetter.

Andere, wie der leider vor langer Zeit abgesetzte Kodak EPL400X, sind dagegen großartig, um knallige, leuchtende Farben bei normalem Kontrastumfang zu generieren. Darüber hinaus lassen sich auch mit konventionellen Negativfilmen – gewollt wie auch im gezeigten Fall ungewollt – durchaus interessante Effekte durch eine völlig verdrehte Filterung erzielen.

Ein Bild einer Treppe und bunter Bilder an der Wand.

Elitechrome 100 Xpro

Eine Frau schaut in die Kamera mit Blumenkranz

Ektachrome 400x Xpro

Ein rot-violettes Boot in der Wüste.

Verdrehte Filterung

Alles in allem war der Einstieg in die Farbvergrößerung sehr viel einfacher als befürchtet. Ich kann Interessierte zu diesem Schritt nur ermutigen – Ihr werdet es nicht bereuen!

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