Ein Mann raucht und steht an einem Mikrofon
15. Dezember 2015 Lesezeit: ~7 Minuten

Testbericht: Leica M Monochrom (Typ 246)

Für viele Fotografen ist es schon ein wunderbares Gefühl, eine Leica in der Hand zu halten, geschweige denn, dauerhaft eine benutzen zu können oder gar zu besitzen. Bei allem Für und Wider zum Thema Preis vs. Leistung besitzt Leica eine Art gepachtete Magie wie kaum eine andere Marke in allen mir bekannten Branchen.

Mit viel Mühe habe ich mir vor einigen Jahren diesen Traum mit einer M9P erfüllen können und durfte nun sogar ausgiebig das aktuelle Schwarzweiß-Topmodell testen.

Es gibt mittlerweile etliche Tests, in denen die Funktionen und Fähigkeiten dieser Kamera ausgiebig untersucht, beschrieben und verglichen wurden. Wie aber verhält die MM sich, wenn sie nicht unter Laborbedingungen geprüft wird? Wie lässt es sich mit ihr real arbeiten, wenn die Bedingungen mal nicht optimal sind?

Ich finde regelmäßig Situationen vor, in denen zum Beispiel helle Lichter und extreme Schatten zugleich die Aufnahme erschweren. Oder ich erlebe sich plötzlich ändernde Bedingungen, wie zum Beispiel der rasche Wechsel zwischen hellen und dunklen Bedingungen, wenn zum Beispiel rotierende Scheinwerfer im Spiel sind.

Ein Musiker singt in ein Mikrofon

Das Ergebnis ist dann oft nicht zufriedenstellend, weil es grundsätzlich an Zeit fehlt oder die Veränderungen der Konditionen so schnell geschehen, dass ständig neues Einstellen der Kamera oder ein Tausch von bereits voreingestellten Kameras unmöglich sind.

Um die Kamera daraufhin zu testen, habe ich mich entschieden, sie bei einem Thema zu nutzen, das ich seit einiger Zeit verstärkt verfolge:

Musiker. Auf der Bühne, Backstage, bei Proben – überall, wo sie mich lassen. Die Aufbauten bei Konzerten, wenn Stars die Bühne betreten, sind meist perfekt inszeniert. Das Licht ist perfekt gesetzt sowie choreografiert und wirklich alles ist top auf die Musiker abgestimmt.

Wie ist es aber, wenn dem nicht so ist, wenn man ein Konzert in einer kleinen ranzigen Bude fotografiert oder man sich in einem engen Proberaum befindet, in der eine 40 Jahre alte Glühbirne und ein flimmernder Monitor die einzigen Lichtquellen sind?

Musiker im Proberaum

Mit meiner Leica M9P stoße ich des Öfteren an meine Grenzen, weil ich es vermeiden möchte, einen Blitz zu verwenden. Rasche Bewegungen werden dann selbst bei maximaler ISO von 2500 schnell zu Wischiwaschi-Kunstwerken.

Ich habe zwar auch Konzerte mit der MM fotografiert, möchte aber hier das Verhalten der MM unter fiesen Lichtbedingungen in einem Proberaum unter die Lupe nehmen. Seit einiger Zeit begleite ich eine Formation von erfahrenen Musikern, die neben erfolgreichen Tribute-Projekten, Studio- oder TV-Jobs, frei von allem Druck, rein aus Spaß an der Musik eine Band gegründet haben, um einfach nur zu spielen, zu komponieren und all ihren Ideen freien Lauf zu lassen.

Alle Erlebnisse und Entwicklungen, die die Jungs auf ihrem Weg zu den Brettern der Welt machen, dokumentiere ich von Anfang an. Sie nennen sich Trashpilots, lieben Mett sowie Jägermeister und wer auf die Idee kommt, einen Song in den heiligen Katakomben zu covern, wird nackt an den Baum vorm Proberaum gekettet. Habe ich das so richtig beschrieben, Jungs?

Ein bemalter Fußboden

Geübt im Umgang mit dem Messsucher und den (im Vergleich zur M9P marginal unterschiedlichen) Funktionen, konnte ich gleich das vertraute 35 mm Summicron von 1991 anschließen und die gewohnten Einstellungen vornehmen.

Live View, Video und die neue Scharfstellungsmöglichkeit der MM sind mir ziemlich schnuppe und so habe ich mir zwei Varianten überlegt, die meiner gewohnten und für mich funktionierenden Arbeitsweise entsprechen. Zum einen habe ich gezielt ISO-Werte gewählt und alternativ die ISO-Automatik verwendet.

Letztere Einstellung habe ich bis zum Anschlag von ISO 25000 gehen lassen, bei der manuellen Variante habe ich mir grob ein Limit der Verschlusszeit von 1/60 gesetzt, bevor ich eine Stufe höher wandere.

Musiker im Proberaum

Die Automatik ist ein wenig freigiebiger mit höheren Werten und es kam des Öfteren vor, dass sie freiwillig schnell mal bei 12500 landete. Manuell musste ich tatsächlich nie wirklich über ISO 6400 gehen, um nutzbare Ergebnisse zu bekommen, 8000 habe ich dann aber doch einige Male ausprobiert.

Nach etwa 1500 Bildern mehrerer Abende war ich der Meinung, mir ein Bild machen zu können und war spontan enttäuscht. Okay, sie lieferte fast rauschfreie Bilder bis ISO 6400, ab 8000 bemerkte man es und beim maximalen Wert war es gerade so gut oder schlecht wie bei ISO 2500 der M9.

Diesen gefühlt ultimativen Vorsprung gegenüber der M9, den ich erwartet habe, empfand ich aber irgendwie nicht, auch wenn der ISO-Wert nun zehn Mal höher lag. Was stimmte nicht (mit mir)? Ich habe dann direkt zum Vergleich an mehreren weiteren Abenden eine Nikon D700 mitgenommen und wollte wissen, wo diese Magie geblieben ist, wo die ach so hochgelobten Ergebnisse waren. Mit meinen Bildern der M9 und denen der D700 war ich ja irgendwie zufrieden und die MM haut da nicht alles raus?

Ein Schlagzeuger spielt

Zwei Wochen habe ich gebraucht, um eine entscheidende Sache zu verstehen: Die RAWs der MM kann ich nicht so entwickeln wie ich es von meinen farbigen RAWs gewohnt bin. Erste wichtige Erkenntnis: Die Interpretation der Farben kann ich nachträglich nicht mehr beeinflussen und das muss ich erst einmal als gegeben hinnehmen.

Mein Preset der D700 ist ohnehin etwas anders als das der M9, das wusste ich ja. Obwohl die D700 auch heute noch eine top Kamera ist, kommt sie zum Beispiel an die klaren Bilder der M9 unter vergleichbaren optimalen (Licht-)Bedingungen nicht heran.

Die Regler kann ich an den M9-RAWs in Lightroom viel heftiger ziehen, ohne dass mir alles wegsuppt. Also habe ich mir ein RAW der MM genommen und nicht mit den eigenen Grundeinstellungen der M9-Entwicklung bearbeitet, sondern jeden Reiter, jeden Knopf einzeln angepasst und siehe da: Ich bin begeistert.

Gruppenfoto von vier Männern

Was auch immer der ausschlaggebende Punkt meiner Standard-Einstellung der M9 war, dass die MM so abstrafend darauf reagierte – nun habe ich den atemberaubenden Dynamikumfang der MM erst erkennen können, habe gesehen, wie viel Luft tatsächlich nach oben ist.

Besonders in den Lichtern habe ich viele verloren geglaubte Details wiedergefunden. Die Bearbeitung der MM-RAWs erinnerte mich plötzlich an das Erstellen analoger Abzüge oder die ersten digitalen Bildbearbeitungen vor 20 Jahren. In Sachen Spielraum bei den Tonwerten von Trommelscans, aber auch in der Art und Weise der Bearbeitung wie zu Beginn der 90er mit den Urversionen von Photoshop: Abwedeln und Nachbelichten mache ich nun in Lightroom.

Zwei Musiker im Proberaum

Herrlich, denn das ist es, was die MM in meinen Augen in ein völlig anderes Licht rückt: Das Gefühl, in die Qualitäten analoger Zeiten zurückversetzt zu werden und somit eine echte Leica in Händen zu halten.

Mit dieser Erfahrung konnte ich nun wieder eifrig an den Reglern schrauben, um meinen bevorzugten Look zu kreieren, konnte nun aber Bereiche nutzen, die vorher nicht zu erreichen waren. Wie konnte ich nur glauben, dass es keiner Arbeit bedarf, eine Kamera mit diesen Fähigkeiten kennenzulernen?

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