Eine Hand gießt Kaffe ein.
23. Juni 2015

Die Architektur des Alltäglichen von Oliver Schmidt

Von Oliver Schmidt habe ich mein erstes Kunstwerk erstanden. Damals vor vier Jahren saß ich in seinem Wohnzimmer und konnte meinen Blick nicht von einem Bild einer wild verwachsenen Landschaft abwenden. Ich hatte den Eindruck, dass bei den Fotografien von Oliver Schmidt etwas anders ist, als bei allen anderen Fotografien, die ich zum damaligen Zeitpunkt gesehen hatte.

Oliver Schmidt ist ein konzeptioneller Künstler, der in Berlin lebt. Obgleich er einen Abschluss in Fotografie hat, ist sein künstlerisches Schaffen nicht darauf beschränkt. Neben Skulpturen und handgefertigten Figuren schafft er Wandteller, die er mit neuzeitlichen Fotografien bestückt. Seine Arbeiten sind ein Paradebeispiel dafür, wie das Obskure der menschlichen Natur humorvoll auf den Punkt gebracht werden kann.

Schwerpunkt seiner fotografischen Arbeit bilden Materialvorlieben und die Suche nach Licht. Seine Arbeit mit Mischlicht ist für viele Fotografien charakteristisch. Inhaltlich interessieren ihn vor allem domestizierte Landschaften und der Mensch als Skulptur im alltäglichen Raum. Dadurch kommen Menschen in seinen Bildern zwar vor, werden aber selten als Persönlichkeiten sichtbar.

Zu diesen Skulpturen des Alltäglichen gehören auch Bilder von Hinterhöfen, Hecken und Nischen. Es sind gerade solche Orte, die das Durchschnittsauge selten beachtet oder oft willentlich verschmäht. Es sind die Alltagslandschaften, die verwahrlost oder gestutzt, manchmal trostlos oder farblos unsichtbar sind.

Startpunkt seiner fotografischen Dokumentation des Alltags war die Rückkehr nach einem längeren Auslandsaufenthalts in New York. Dort begann er zu fotografieren, was andere Linsen nicht ablichten. Seine fotografischen Arbeiten, die seitdem entstanden, hat er auf einem Tumblr-Blog gesammelt. Am Anfang wollte Oliver Schmidt fünf Fotografien pro Tag veröffentlichen. Dabei blieb es jedoch nicht, manche seiner Bilder entstanden im Minutenabstand. Über 7.000 Fotografien hat er bislang gesammelt.

Eine Hand greift nach einem Glas.

Eine Skulptur eines Astes in Mülllanschaft.

Kleiderbügel hängen an einem Balken.

Eine Kinderhand greift durch ein Loch.

Palmen stehen an einer Häuserwand.

Eine Frau verdeckt ein Kind.

Äste hängen herab.

Eine Hand hält ein Glas.

Ein Zaun verbirgt eine Wand.

Ein Fernseher zeigt eine Landschaft in einer Bar.

Eine Kinderhand greift durch eine Tür.

Menschen werden verdeckt.

Eine Hand hält einen Blumenstrauss.

Eine Hand hält eine Kanne am Kaffeetisch.

Oliver Schmidt ist ein chaotischer Stratege und Sammler, dessen Blog vor allem das Ziel hat, Struktur in seine fotografische, tagebuchartige Sammlung zu bringen sowie Alltagsbanalitäten für andere sichtbar zu machen. Mittlerweile verfolgt er ein weniger starres Konzept. Manche Bilder verfolgen gezielte Thematiken, andere sind als Antwort auf vorherige Bilder zu verstehen.

Schmidts Bilder sind Zeugen des Banalen und Unentdeckten mit einer eigenen Ästhetik. Was zunächst unspektakulär scheint, erhält Bedeutung, wenn die Komposition hinter den Bildern erkannt wird. Manchmal lassen einen die Arbeiten von Oliver Schmidt etwas ratlos zurück. Wenn man sich näher damit beschäftigt, werden der kühne Witz und die strategische Komposition sichtbar.

Man erkennt, worum es ihm geht: Linien, Farben, Licht und Muster, die zu Skulpturen des Alltäglichen werden. Sicherlich keine leicht verdauliche Kost, aber eine, die bei längerer Betrachtung nach anfänglicher Verwunderung ein Gefühl des Verstehens hinterlässt.

Der Fotograf arbeitet eng mit der Galerie Lindner in Essen zusammen und fotografiert analog mit einer Großformatkamera sowie digital mit einer Nikon D700 bzw. Nikon D800.

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