Ein Stapel Foto-Bücher und Bände sitzen auf einem älteren Sessel.
31. Mai 2015 Lesezeit: ~9 Minuten

Die 5 Fotobücher des Monats

Liebe Fotografinnen und Fotografen, verehrte Leser. Wie Ihr wisst, veröffentlichen wir seit Kurzem jeden Monat eine Auswahl der – meiner Meinung nach – wichtigsten, interessantesten oder auffälligsten Fotobücher. Für alle, die sich von der schier unfassbaren Flut publizierter Druckwerke überfordert fühlen, soll dies eine kleine Hilfe sein.

Heute möchte ich mich bei unserem Redakteur Tilman Haerdle bedanken, der mir mit einer Buchempfehlung unter die Arme gegriffen hat, die gleich als erste hier aufgeführt ist. So musste ich aus (im Mai) 28+ Publikationen in der engeren Auswahl lediglich vier heraussuchen, was mir die Arbeit um einiges erleichtert hat.

 

Ausschnitt des Titelbildes des Fotobuches „Hold The Line“ von Siegfried Hansen

Siegfried Hansen: hold the line*

Siegfried Hansen ist, soweit ich weiß, das einzige deutsche Mitglied des Straßenfotografie-Kollektivs iN-PUBLiC. Während einige Mitglieder wie Trent Parke, David Gibson oder Mark Alor Powell schon diverse Bücher publiziert haben, wird es dieses Jahr auch einige Erstlingswerke aus den Reihen des Kollektivs geben. Neben Matt Stuart, dessen Buch im Herbst erscheinen wird, präsentierte auch Siegfried Hansen am 30. April mit „hold the line“ sein erstes Buch.

„hold the line“ ist kein umfangreiches Werk, es hat nur wenige dutzend Seiten. Hansen setzt mit diesem Buch ganz auf Grafik. Sein Stil ist sowieso dadurch gekennzeichnet, dass er in seinen Bildern über die grafische Ebene ungewohnte Zusammenhänge herstellt, manchmal trickst er regelrecht unsere Wahrnehmung aus. Im Buch geht er noch einen Schritt weiter. Die Bilder lösen sich teilweise in große Farbflächen auf. Oft muss man sehr genau hinschauen, um das Foto wieder in eine räumliche Szene zu übersetzen.

Die Bilder sind randlos gedruckt, es gibt keine weißen Flächen und auch keinen Text außer dem Impressum auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels. Hansen verzichtet nicht ganz auf bereits bekannte Bilder, aber man spürt, dass er mit diesem Buch seine Herangehensweise radikalisiert hat.

Abstraktion ist ein Leitmotiv, das andere ist der Versuch, soweit wie möglich Bezugspunkte aus dem Bild zu nehmen, um Proportionen und Perspektiven in Frage zu stellen. „hold the line“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Bilderbuch“, das nicht nur für Erwachsene geeignet ist, sondern auch Kindern Spaß machen dürfte. Nicht zuletzt, weil viele Bilder durchaus lustig sind und man sich beim Betrachten mancher auch gut mehr oder minder absurde Geschichten ausdenken kann.

Informationen zum Buch

Gebundene Ausgabe: 56 Seiten
Verlag: Kettler, Dortmund
Größe: 20 x 27 x 1 cm
Preis: 24 €

 

Ausschnitt des Covers vom Buch A 40 von Sebastian Mölleken

Sebastian Mölleken: A 40*

Land und Leute einer bestimmten Gegend zu fotografieren, ist nichts Neues. Und trotzdem hat Sebastian Mölleken etwas geschaffen, was in dieser Form einzigartig ist: Er suchte sich nämlich als Orientierungspunkt die, wie der Titel schon sagt, A 40. Entlang der Autobahn durchs Ruhrgebiet dokumentierte er Landschaften, Baustellen und natürlich auch die Menschen, die dort leben.

Als ich von diesem Buch zum ersten Mal hörte, gefiel mir die Idee sofort – und als es dann ausgepackt und durchgeblättert vor mir lag, war ich überrascht und von der Masse der Portraits auch ein wenig erschlagen.

Doch jedes Mal, wenn ich das Büchlein wieder in die Hand nahm, wurde deutlicher, wie gut und gelungen die Portraits einzelner Charaktere doch sind. Zwar ist jedes Portrait vom Bildaufbau (hochkant, mit Reflektor aufgehellt) und dem Hintergrund (grau) identisch, doch bei der Auswahl der Personen hat sich Mölleken große Mühe gegeben.

„A 40“ ist das glatte Gegenteil von romantisierendem Kitsch, denn zwischen den Portraits findet sich die trockene Tristesse des Ruhrgebiets: Autobahnmauern, Parkplätze und Unterführungen. Das ist ein zurückhaltendes Buch, das Zeit braucht. Wenn man sie ihm gibt, möchte man es nicht mehr aus der Hand legen.

Informationen zum Buch

Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
Verlag: Kettler, Dortmund
Größe: 17,9 x 24,5 x 1,5 cm
Preis: 19,80 €

 

Ausschnitt des Covers vom Buch Passbilder von Berthold Steinhilber

Berthold Steinhilber: Passbilder*

Für viele ist die Landschaftsfotografie seit Langem tot, denn es gibt nicht viel Neues am digitalen Horizont der dargestellten Natur – insbesondere dann, wenn das Wort „Drama“ ins Spiel kommt. Dem widerspricht ganz entschieden dieser Band aus dem Verlag Frederking & Thaler.

Der Stuttgarter Fotograf Berthold Steinhilber fotografierte insgesamt 77 (!) Pässe, die durch die tatsächlich atemberaubende Landschaft der Alpen führen und suchte sich damit eines der aufwändigeren Themen aus. In der mir vorliegenden, gebundenen Ausgabe entfalten die oft doppelseitig gedruckten Gebirgsaufnahmen eine durchaus beeindruckende Tiefe.

Und im direkten Vergleich zum vorhergehenden „A 40“ ist dieser Band laut, heftig und intensiv. Das liegt nicht nur am Thema selbst, sondern insbesondere an der Umsetzung des studierten und viel prämierten Fotografen. Seine Aufnahmen sind, das ist nicht von der Hand zu weisen, sehr stark bearbeitet. Und dieses Unterfangen hat zwei Seiten.

Zum Einen wirken die Aufnahmen meiner Meinung nach dadurch sehr kraftvoll und spiegeln die Würde und Herrlichkeit der Alpen wider. Zum Anderen jedoch hat sich der World-Press-Photo-Award-Träger dadurch auch ein paar Schnitzer eingehandelt, die hier und da durchschimmern und dem ganzen Buch mindestens einen Punkt Abzug einhandeln. Das mag dem Laien vielleicht nicht auffallen, geübten Fotomenschen jedoch umso mehr (ich verzichte an dieser Stelle bewusst auf Details, denn das ist nicht der Sinn der Sache).

Ich habe mich trotzdem dazu entschieden, „Passbilder“ in diese Reihe aufzunehmen, weil das Positive des Bandes die kleinen Fehlerchen bei Weitem überwiegt. Wer eine Begeisterung für Berge, Natur und die Alpen pflegt, wird hier trotzdem gut bedient sein. Übrigens: Steinhilber gab auf Spiegel Online ein aufschlussreiches Interview zum Projekt.

Informationen zum Buch

Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Frederking & Thaler
Größe: 27,3 x 29,2 x 3 cm
Preis: 49,99 €

 

Ausschnitt des Titelbildes des Jahresbandes vom Wold Press Photo 2015

World Press Photo 15*

Im Jahre 1955 gegründet, gibt die World Press Photo Foundation jährlich einen Band heraus, der die Arbeit internationaler Pressefotografinnen und -fotografen würdigt und mit dem Pressebild des Jahres eine der Einsendungen als wichtigste auszeichnet. Für die 2015er Ausgabe, die die besten Aufnahmen des Jahres 2014 bespricht, wurden sage und schreibe 97.912 Fotos eingereicht.

Über die Jahre wurde der World-Press-Photo-Jahresband zur tonangebenden Publikation im Fotojournalismus, was inzwischen dazu führt, dass Gewinner kurz vor der Prämierung wegen Bildmanipulation disqualifiziert werden. Dieses Mal war Giovanni Troilo dran, u. a. weil eine seiner Aufnahmen gestellt war.

Aus dem vorliegenden Band wurde von der Jury des verliehenen Awards das Portrait einer intimen Szene gewählt: Zu sehen sind zwei homosexuelle Männer, die in St. Petersburg leben und der russischen Unterdrückung und Ausgrenzung immer wieder ausgesetzt sind. Des weiteren finden sich im Band ikonenhafte Fotos zu den wichtigsten Themen des letzten Jahres – unter anderem auch eine Exekution im Iran und die Proteste in Kiew.

Für mich als Herausgeber und (werdender) Fotojournalist ist World Press Photo eine unverzichtbare Investition. Denn so bekomme ich nicht nur einmal jährlich sehr gute Aufnahmen zu sehen, sondern auch einen visuellen Überblick über die aktuellen Trends und Herangehensweisen im weiten Feld des Fotojournalismus.

Informationen zum Buch

Taschenbuch: 160 Seiten
Verlag: Thames & Hudson
Größe: 23,1 x 29,7 x 1,3 cm
Preis: 28,40 €

 

Ausschnitt des Titelbildes von Inshallah des Fotojournalisten Dima Gavrysh

Dima Gavrysh: Inshallah*

Dima Gavrysh ist bekannt für seine sehr düstere Art, Momente in Krisengebieten aufzunehmen. Der in der ehemaligen Sowjetunion geborene Fotojournalist lebt heute in den USA und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Afghanistan den alltäglichen Betrieb der eingesetzten Armee festzuhalten.

Mit Inshallah (Arabisch: „so Gott will“) veröffentlicht Gavrysh nun sein erstes Buch, das seine tiefschwarzen, diffusen Aufnahmen in Zusammenarbeit mit dem Verlag Kehrer präsentiert. Der Fotograf verliert im Buch nur wenige Worte über die Geschichten hinter den Bildern, sondern überlässt es den Betrachtern selbst, in die oft grausame Welt des Krieges einzutauchen.

Vielleicht ist es gerade das Unbestimmte, Undeutliche und Skizzierende, das die quadratischen und vollflächig gedruckten Fotografien Gavryshs in der bildüberfluteten Thematik von Andersarbeitenden abhebt. Denn so eröffnen die Eindrücke Kapazitäten zum freien Assoziieren, zum Selbstvorstellen der bedrückenden Szenen, weil nicht sofort alles vorweggenommen wird.

Manchen Betrachtern wird es schlussendlich zu sehr „Kunst“ und zu wenig „Objektivität“ sein, zu düster und zu dunkel. Mir jedenfalls haben es diese Bilder angetan und ich bin gespannt darauf, was aus der kreativen Ader dieses Herren noch fließen wird.

Informationen zum Buch

Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
Verlag: Kehrer
Größe: 29,7 x 30 x 2 cm
Preis: 44,90 €

 

Wie jeden Monat hoffe ich sehr, dass für alle Leser auch dieses Mal etwas dabei war. Welcher Band in dieser Auswahl interessiert Euch am stärksten?

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