Metanoia
Draußen färben sich die Blätter bunt, wehen, fallen, die Blumen am Straßenrand haben längst den Sommer hinter sich gelassen, senken ihre Blüten in Richtung Herbst. Die warmen Tage sind passé und Veränderung liegt in der Luft. Mit den fallenden Blättern beginnen wir, zu erinnern. Und das, was war und sein wird, zu hinterfragen.
Die Idee hinter Metanoia, im philosophischen Sinne bedeutend die Änderung der eigenen Lebensauffassung oder der Gewinn einer neuen Weltsicht, ist der Versuch, jenen aufkommenden Prozess des Aufbruchs und des Umdenkens festzuhalten.
Acht junge Frauen, alle unter 20 Jahre alt, die gerade den Aufbruch in eine neue Lebensphase wagen und dabei zwangsläufig in einen losen Zustand des Hin-und-her-gerissen-Seins zwischen zwei Lebensabschnitten geraten. Zwischen Schule und Universität. Zwischen Verinnerlichen und Abschiednehmen. Zwischen Vorstellung und Realität. Zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Sie sind die, die sich lossagen von ihrem sicheren Hafen, einer Stadt, die eine Mischung aus Wohlbefinden und Beengung darstellt. Ein kleiner, vertrauter Kosmos aus einer Handvoll geliebter Menschen, Alltag und Erinnerungen. Sie verlassen all das, für etwas, dessen Umrisse sie nur schleierhaft erahnen können. Doch trotzdem suchen sie das Neue, das Unbekannte.
Wie diese jungen Frauen befand auch ich mich beim Entstehen des Projekts genau in diesem Prozess. Einer Schwebephase, in der Erinnerungen verblassen und in Fragmente zu zerfallen drohen, während der Blick auf das Neue, auf die Zukunft gerichtet ist. Wenn mir auf diese Weise das Hier und Jetzt entgleitet, berufe ich mich auf die Fotografie, um der Vergänglichkeit des Augenblickes entgegenzutreten.
Für „Metanoia“ portraitierte ich diese jungen Frauen, fast alle aus meinem nahen Umfeld, in ihrem eigenen Zuhause. Denn von Zuhause brechen sie auf, dort werden die Sehnsüchte ihrer Zukunft gesät und dort nährt sich der Boden ihrer Erinnerungen. Kombiniert sind die Fotos mit Gedankenfragmenten von Charlotte Dresen und Marlene Simmig, zwei der portraitierten jungen Frauen, zu Heimat und Aufbruch.
Beim Entwickeln des Projekts sagte eine Freundin zu mir, sie fände es toll, dass ich mich auf junge Frauen konzentriere. Sie entdecke immer mehr eine Souveränität unter ihnen, eine Art Verbundenheit und spüre von Zeit zu Zeit immer mehr Bewunderung für einige von ihnen. Genau das spürte ich auch beim Fotografieren.
Denn egal, wie sehr sich die Mädchen unterscheiden mögen, in unseren Gesprächen kehrten wir doch meistens zu den gleichen Gedanken zurück. Ähnliche Ängste, ähnliche Ideen vom späteren Ich, ähnliche Träume, Wünsche, Vorstellungen. Und das, obgleich unserer vielfach so verschiedenen Ausgangspunkte und Ziele.
Bezeichnend ist die Ambivalenz unserer Gefühle. Gleiche Fragen bei den Gedanken an morgen, an das, was kommt. Heute hier, morgen dort. Was passiert dazwischen?