14. Oktober 2014 Lesezeit: ~7 Minuten

Mit 35 mm durch Italien

Et in Arcadia ego – Schon Goethe wusste auf seiner Italienreise vom Paradies im Süden Europas zu berichten. So nun auch ich, zwar nicht in schriftlicher Form, aber dafür mit einigen Fotos aus den Bereichen Street, Landschaft und Architektur. Und ja, ich gebe Goethe Recht, vor allen Dingen ist Italien für Fotografen ein Paradies voller vielfältiger Motive.

Ohne jegliche Italien-Vorkenntnisse, außer der obligatorischen Pizza beim Italiener um die Ecke, ging es mit zwei Freunden in einem Fiat Punto (die perfekte Tarnung im italienischen Autodschungel) Richtung Süden: Drei Wochen, sieben Stopps, knapp 3500 km quer durch Italien.

An der Vollformatkamera baumelte nichts weiter als ein 35-mm-Objektiv mit einer Anfangsblende von f/1.4. Fotografie stand zu keiner Zeit der Reise im Mittelpunkt – oftmals aus der Hüfte geschossen, selten mit Hintergedanken und das Ganze in den meisten Fällen mit voll geöffneter Blende.

Mann mit Zigarette läuft durch eine belebte Straße.

Großer Platz vor Torbogen.Haus mit Statue einer Hand mit ausgetrecktem Mittelfinger.

Warum? Ich kann es nicht genau sagen – so habe ich es gefühlt, so habe ich Italien und seine Menschen gesehen und so habe ich, nicht immer erfolgreich, versucht, an den rosaroten Gläsern meiner Touristenbrille vorbeizuschielen. In der Bearbeitung der Aufnahmen habe ich versucht, eine Authentizität dieser gesehenen Momente widerzuspiegeln.

Die Reise beginnt mit dem ersten Halt in Mailand. Es ist der 15. August. Es ist Ferragosto, einer der wichtigsten italienischen Feiertage. Das realisierten wir jedoch erst vor Ort – einer Millionenstadt, die abseits der touristischen Ecken von leergefegten Straßenzügen, geschlossenen Restaurants, Bars und Clubs geprägt wurde.

Zwei Männer auf einer Bank.

Fahrräder am Straßenrand.

Von Mailand ging es weiter nach Cinque Terre – fünf malerische Dörfer an der italienischen Riveira, gebaut in die Felswände der Küste. Traumhaft gelegen, umrahmt von Weinbergen in den Hügeln und azurblauem Meer an der Küste.

Die Orte, die durch oftmals abenteuerliche Trampelpfade und Hiking-Trails voneinander getrennt sind, tragen die nicht weniger schön klingenden Namen Riomaggiore, Manarola, Corniglia, Vernazza und Monterosso.

Im türkisblauen Meer badende Menschen

Angeblich sollte Cinque Terre noch ein Geheimtipp sein – nur leider nicht im Jahr 2014. Wohl auch nicht in den Jahren zuvor. Der zehn Jahre alte Reiseführer wusste wohl noch nichts von den Massen südostasiatischer Reisegruppen, die morgens mit dem ersten, die Küste entlangfahrenden Zug in die einzelnen Dörfer gekarrt wurden.

Eine gigantische Masse umherwirbelnder Touristen belagerte die schmalen, mit tausenden Treppenstufen gespickten Gassen. Es hatte den Anschein, als seien die Einheimischen geflüchtet – auf einen Italiener kamen gefühlt 20 Touristen.

Bucht mit Booten und Häusern

Die Hiking-Trails hingegen wurden bei gefühlten 40 °C Außentemperatur nur selten betreten – wer sich dennoch auf den Weg macht, wird mit einem traumhaften Blick über die Küste belohnt. Das gleiche Spektakel wie am Morgen zeigte sich jedoch auch wieder jeden Abend um 20 Uhr.

Sobald der letzte Zug den Bahnhof verlässt, sind die Handvoll Touristen, die in einem der wenigen Hotels beziehungsweise – wie wir – im Acht-Personen-Zimmer des einzigen, einer Kaserne gleichenden Hostels übernachten, fast alleine im eigentlich schönen Fischerdorf.

Hauspassage von oben.Blick auf Meer mit Straße und Hauswand im Vordergrund.

Ein Schauspiel, das wir zwei Nächte miterleben durften – Cinque Terre lebt von einer traumhaften Lage, in der es sich lohnt, die Natur zu erkunden. Sich mehrere Tage mit hunderten Reisegruppen durch die Gassen in das nächstbeste, überteuerte Restaurant oder Café zu drängen, ließ unser Touri-Herz nicht höher schlagen.

Cinque Terre hinter uns gelassen, fuhren wir durch die Toskana nach Florenz. Eine Stadt geprägt von Kunst und jeder Menge Kultur – nicht nur in Museen, sondern vor allen Dingen auf den Straßen der Stadt.

Eine Frau sitzt vor einer Pizzeria neben einem Moped.

Fotoautomat an einer Straße

Ein Straßenschild mit Streetart.

Rom – die ewige Stadt und der nächste Stopp unserer Reise. Erschlagen von den Monumenten und der Hitze der in den Sommermonaten einem Kessel gleichenden Metropole, war es gar nicht so einfach, nicht in die klassische Touristen-Schiene zu rutschen und den Blick auf die Dinge, Szenen und Menschen um mich herum und Abseits der Sehenswürdigkeiten zu richten.

Nachdem ich dies jedoch einigermaßen geschafft hatte, bot mir Rom unglaublich viele Straßenszenen, in denen die Menschen wie Modelle vor wunderschöner Architektur für mich zu posieren schienen.

Zwei Polzeibeamte auf der Straße.

Statue mit zwei Wachmännern.Baum zwischen zwei Fenstern.

Neapel – stinkt, ist dreckig und voller Graffiti. Das war zumindest das, was ich zuvor von der Geburtsstadt der Pizza gehört hatte. Dass ich das bereits am ersten Abend bei einem Spaziergang durch die Altstadt genau so unterschreiben würde, hatte ich jedoch nicht erwartet.

Das war jedenfalls der erste Eindruck. Und auch der zweite. Vielleicht sogar der dritte. Doch irgendwann, je länger man in der Stadt ist und die Abende in den Schlangen der stundenlang wartenden Gäste der besten Pizzerien der Stadt verbringt, eröffnet sich ein anderer Blick auf die Stadt.

Hausfassade mit Grafftis

Frau mir Verkaufswaren.

Ich beginne, ein gewisses Flair zu spüren, die Stadt hat etwas – jedenfalls rede ich mir das ein. Was es ist, kann ich nicht sagen, aber sie ist interessant und bietet Motive. Motive en masse. Jetzt weiß ich auch, wann ich das meiste Flair verspürt habe. Genau. Es war, als ich die Stadt verlassen und Pompeij und den Vesuv besucht habe.

Nächtliche Straßenszene.

Nächtliche Straße mit kleinem Bäumchen.Landschaft, eine steinige Wand.

Von Neapel ging es weiter zum südlichsten Punkt unserer Reise. Entlang der wunderschönen Amalfiküste bezogen wir die Zimmer im billigsten aller Unterkünfte im ansonsten sehr hochpreisigen Positano.

Das Hostel, dessen Kosten die Studentengeldbeutel schon hart ans Limit brachte, lag traumhaft schön am höchsten Punkt der Stadt und damit gerade einmal 2.000 Stufen und eine dreiviertel Stunde Fußweg vom „Stadtkern“ und Strand entfernt.

Hauswand mit türkiser Tür.

Mann auf einer Bank.

So schön die Aussicht beim Abstieg durch die schmalen Gassen auch ist, bei jedem Schritt abwärts steigt die Gewissheit, dieselbe Strecke wieder hinauf zu müssen. Besonders interessant ist das nach einer durchzechten Nacht in einem der Clubs am Meer. Der Aufstieg – falls man denn die richtigen der unzähligen Wege und Treppen gewählt hat – ähnelt dann eher einer Alpenüberquerung.

Wenn bei all dem dann noch ausreichend Kraft für das eine oder andere Auslösen der Kamera vorhanden ist, macht es einem die Amalfiküste recht einfach, interessante Motive zu finden – egal ob Landschaft oder Straße.

Blick über Häuserdächer auf den Strand.

Mit jeder Menge Wehmut ging es dann zum letzten Stopp: Venedig. Die Lagunenstadt hat den Auslöser meiner Kamera richtig strapaziert. Stark an der Grenze zum Kitsch (und oftmals weit darüber hinaus) ließen Venedig und vor allem die umliegenden, weniger stark touristisch überlaufenen Orte, wie beispielsweise Murano, mein Fotografenherz höher schlagen.

Ja, Venedig fährt die volle Ladung Klischees auf, kann aber auch anders – Form, Farben und die Struktur der immer weiter absinkenden Häuserfassaden stellten eine ideale Einladung für eine minimalistische Serie dar.

Hafen und Häuser von oben.

Hausfassade

Mann auf einer Brücke liest eine Zeitung.

Doch warum plötzlich versuchen, Serien zu produzieren? In Venedig habe ich es dann gar nicht versucht. Nein, hier wollte ich in der Masse schwimmen, setzte meine rosarote Brille auf, schielte nicht an den Gläsern vorbei und gab mir am letzten Tag die volle Dröhnung Pauschaltourismus mit allen Klischees. Ich liebte es.

Ähnliche Artikel