Füße und eine Hand in einer Wasserfontäne vor blauem Himmel.
27. September 2014 Lesezeit: ~5 Minuten

Die Regeln des Wassers

Ich denke mal, dass jeder die ursprüngliche Idee hinter diesen Bildern kennt, die darin besteht, ein paar glückliche Momente mit Freunden oder der Familie am Strand festzuhalten.

Am Anfang fotografierte ich mit der Canon 7D, die ich hatte, allerdings „hielt“ diese Kamera meinem Wunsch, dem Wasser nahezukommen, nicht stand. Ziemlich schnell traf mich eine große Welle und ich saß mit einer toten Kamera für fünf Monate ziemlich dumm da. Dann entschied ich mich endlich und kaufte eine wasserdichte Olympus.

Diese Kamera ließ mich nun so nah ans Wasser heran, dass sich alles änderte: Die Figuren, die Schatten und sogar das Licht. Alles folgte ganz neuen Regeln, die manchmal ziemlich unvorhersehbar und für das Auge ziemlich beeindruckend waren.

Zwei Kinder spielen im Gegenlicht im Wasser vor blauem Himmel.

Ein Junge spielt im Wasser vor blauem Himmel.

Als ich die Ergebnisse später auf meinem Computermonitor ansah, waren die Ergebnisse so imposant, dass der Wow-Effekt alle meine Bemühungen vereitelte, die besten auszusuchen. Nur langsam begannen meine Augen, klarer zu sehen und einige Bilder begannen, aus der Masse hervorzustechen, sie sprachen irgendwie zu mir und lehrten mich zur gleichen Zeit etwas.

Ich lernte also eine Menge Dinge aus den Erfahrungen mit Wasser. Zuerst einmal war ich in der Lage, die besten Bilder ziemlich schnell zu identifizieren, während ich alle irgendwie eindrucksvollen Effekte beiseite ließ. Das wäre sowieso früher oder später passiert, aber das Wasser half mir, es eher zu lernen.

Es verbesserte außerdem meine Reaktionszeit, wenn es darum ging, ein bestimmtes Subjekt zu fotografieren. Das ist eine sehr gute Sache, denn die Wahrheit ist, dass sehr viele Fotos verloren gehen, weil die eigene Reaktionszeit zu langsam ist.

Ein Kind und ein Schiffsrumpf durch Wasser betrachtet.

Portrait aus dem Wasser heraus mit unscharfem Gesicht.

Nachdem ich eine kleine Auswahl dieser Bilder zusammengestellt hatte, setzte ich mich hin und verglich sie mit alten Bildern, die ich früher aufgenommen hatte, etwa mit Straßenbildern. Ich bemerkte, dass die meisten von ihnen mehr gemeinsame als unterschiedliche Elemente hatten, wenn man die Straßenfotografie mal etwas weiter betrachtet als nur zu sagen, dass Straßenfotografie ist, wenn man auf die Straße geht und alles fotografiert, was sich bewegt.

Im Wasser haben die Menschen dort und ihre Interaktionen untereinander in meinen Augen die gleichen Charakteristiken wie jede andere Art von sozialen Interaktionen, die man im sogenannten Rahmen der „Straßenfotografie“ festhalten könnte.

Drei Menschen vor blauem Himmel mit Wasserspritzern.

Gesicht von unten vor blauem Himmel mit Wolke.

Auch als fotografisches Element fasziniert mich das Wasser. Manchmal steht es ganz still und gibt einem die Ruhe, das Bild zu komponieren, während die einzige Sorge dabei ist, den Horizont anständig zu zentrieren. Ein andermal wird es unverhersehbar und füllt den Bildausschnitt mit Linien und Formen und man hat so viel Zeit, zu verstehen und es zu genießen.

Die Sachlage wird so richtig unkontrollierbar, wenn gleichzeitig Menschen und Wasser im Bild sind, dann nimmt das Schicksal das Steuer in die Hand, entreißt dem Fotografen jegliche Verantwortung und dann steht man nur noch so da und bewundert, wie sich dieser Körper mit diesem Urelement vereinigt.

Badeszene mit einigen Leuten, im Vordergrund eine ältere Frau mit rotem Ball.

Dicker Bauch in einer Badehose im Wasser, im Hintergrund ein Surfer.

Ich genieße wirklich jeden einzelnen Klick der Kamera, wann immer ich in dieser Umgebung bin, aber oft genug teilen die restlichen Menschen um mich herum diese Freude nicht gleichermaßen mit mir.

Als ich eines Tages an einem Strand zwei Badende fotografierte, die Tennis spielten, stand ein Mann auf, kam zu mir herüber und fragte mit beängstigendem Ton: „Warum fotografieren Sie meine Frau?“ Ich antwortete mit einem breiten Lächeln und erklärte ihm, dass ich nicht nur seine Frau fotografierte, sondern eine Gruppe von Menschen, die ohne sie vollkommen uninteressant wäre. Und auch, dass ihre Anwesenheit einen einzigartigen Moment schuf, der nie wieder kommen würde. Drei Minuten nachdem er mich angesprochen hatte, war ich schon dabei, Fotos von ihm und seiner Familie zu machen.

Wasserfontäne vor blauem Himmel.

Spiegelung zweier Menschen auf einem Schiff.

Aber die Leute sind nicht immer so aufgeschlossen. Als ich eines anderen Tages mit einem bekannten Straßenfotografen und Freund von mir, der nach Athen gekommen war, Fotos machte, fand ich mich plötzlich in einer Auseinandersetzung mit einem Typen wieder, der nicht wollte, dass ich Fotos von zwei Frauen machte, die ihm wiederum vollkommen unbekannt waren.

Nach diesem Kampf begannen die zwei Frauen, ihn zu beleidigen und gaben mir ihre Telefonnummern für den Fall, dass ich entscheiden würde, den wütenden Typen anzuklagen und sie als Zeuginnen für meine Seite bräuchte. Ich denke mal, dass mein fotografierender Freund nun noch einmal darüber nachdenken wird, erneut nach Athen zu kommen.

Unterwasseraufnahme mit einer Leiter und Füßen unter Wasser und einem Kopf über Wasser.

Ein anderes Mal in Istanbul fing eine Frau an, einem anderen fotografierenden Freund gegenüber zu rufen: „Polizei, Polizei, die machen Bilder von mir!“ Meiner Meinung nach hält dieser Freund immer noch den Geschwindkeitsrekord unter den Straßenfotografen.

Das ist das Spiel und das sind seine Regeln.

Dieser Artikel wurde für Euch von Aileen Wessely aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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