13. August 2014 Lesezeit: ~5 Minuten

Die Flut in Bosnien

Schlagzeilen wie „Balkan-Staaten versinken im Wasser“ und „Die schlimmste Flut, die der Balkan je erlebt hat“ beherrschten die Medien am Wochenende 17./18. Mai 2014. Ein zweitägiger Dauerregen hatte in Serbien und Bosnien-Herzegowina zu heftigen Überschwemmungen und Erdrutschen geführt. Mehr als eine Million Einwohner in der Balkan-Region waren von der plötzlichen Flut betroffen.

Als Mitglied der Hilfsorganisation „@fire Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V.“, die weltweit schnelle Nothilfe nach verheerenden Naturkatastrophen leistet, war ich natürlich sofort in Alarmbereitschaft.

In der Nacht zum Sonntag erfolgte dann der Einsatzauftrag, ein Team wurde zusammengestellt. Als Fotojournalist sollte ich das Team foto- und videografisch begleiten und die Öffentlichkeitsarbeit aus dem Einsatz heraus unterstützen.

Der Blick ins Tal.

Vorsicht Minen-Schild.

Schon vor der kroatisch-bosnischen Grenzen hatten wir die ersten Anzeichen der Flut gesehen. Seitlich der Autobahn waren immer wieder Felder und ganze Landstriche überflutet. Direkt nach Überfahren der Grenze bei Slavonski Brod direkt, am Fluss Sava, waren dann bereits einige Häuser überflutet.

Die weitere Fahrtroute musste dann sogar aufgrund überfluteter und zerstörter Straßen umgeplant werden. Durch eine Bergregion hindurch wurden die gewaltigen Schäden immer sichtbarer: Notdürftig wieder befahrbar gemachte Straßen, von Erdrutschen niedergewalzte Häuser und überflutete Ortschaften.

Während ich schon bei der Abfahrt beim Verladen der Ausrüstung einige Fotos gemacht hatte, versuchte ich auch auf der Fahrt, die verheerenden Schäden fotografisch zu dokumentieren. Zeit, anzuhalten war selten, deshalb musste ich oft aus dem Fenster heraus im Vorbeifahren fotografieren. Spät am Abend kamen wir dann im Zielort, der Stadt Bijeljina in der Grenzregion zu Serbien, an.

Kaputte Häuser am Strassenrand.

Ein Mann rettet sein Hab und Gut.

Doch die Ausmaße der Flut in der Stadt wurden erst am nächsten Tag sichtbar. Viele Straßen, Häuser und Landstriche waren noch immer überflutet. Nur drei Tage vor unserer Ankunft stand in der gesamten Stadt das Wasser noch rund 1,5 Meter hoch. An mehreren Häusern begannen wir mit Pumparbeiten, um Keller, Garagenzufahrten und Senken vom Wasser zu befreien.

Als Dokumentarfotograf, der gleichzeitig Teammitglied ist, musste ich dabei immer einen Spagat machen. Zwar sollte ich die Arbeit der Hilfsorganisation und die Eindrücke im Katastrophengebiet festhalten, musste aber natürlich immer wieder auch selbst anpacken.

Auch die Tatsache, dass ich natürlich durch meine Kleidung als @fire-Mitglied erkennbar war, erforderte ein besonderes Fingerspitzengefühl, wenn es darum ging, die von der Flut betroffene Bevölkerung zu fotografieren. Jedoch kam es zu keinerlei Problemen.

Die Menschen waren sehr aufgeschlossen und froh, dass ihnen endlich geholfen wird. Als die Bewohner eines Slums bei sinkendem Wasserstand während unseren Pumparbeiten mit den Händen Fische fingen, präsentierten sie gern ihren Fang vor der Kamera.

Ein Mann im gelben Tshirt beim Wasserabpumpen.

Jungen fangen einen Fisch im Wasser.

Ein Junge mit einem Fisch in der Hand.

Nach zwei Tagen Pumparbeit in Bijeljina ging es dann am Donnerstag weiter in die Ortschaften Samac und Odzak. Die jeweiligen Bürgermeister hatten @fire um dringend benötigte Hilfe gebeten. Für das zweite Einsatzteam, das sich bereits in Deutschland auf seinen Einsatz vorbereitete, sollten wir die Lage erkunden.

Auf der Ladefläche eines LKW der bosnischen Armee ging es mit dem Bürgermeister durch die Stadt. Die in einem Kessel gelegene Ortschaft war noch immer teils zwei Meter hoch überflutet. Zahlreiche Bewohner wurden bereits evakuiert – einige Menschen waren aber in ihren Häusern verblieben.

Auf der Fahrt mit dem LKW galt es für mich, so viele Eindrücke wie möglich einzufangen. Vorbei an Menschen, die auf dem Balkon den vorbeifahrenden Hilfskräften zuschauten, überfluteten Häusern und Autos, aber auch einem unter Wasser stehenden Friedhof.

Dabei hatte ich fast das Gefühl eines Katastrophentouristen, der möglichst spektakuläre Fotos schießen will. Ging es aber doch um eine wichtige Aufgabe. Denn nur mit einem detaillierten Lagebericht, der auch über die UN den zahlreichen anderen internationalen Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt wird, kann die Hilfe zielgerichtet koordiniert werden.

Ein überflutetes Haus, ein Kind steht auf dem Balkon und schaut zum Fotografen.

Ein überfluteter Friedhof.

Ein Mann schaut in die Ferne und steht auf einer zerstörten Strasse.

Nicht nur menschlich und als Hilfskraft war der einwöchige Einsatz für mich eine besondere Erfahrung, sondern auch fotografisch.

Seit fast acht Jahren als Fotojournalist für wiesbaden112.de habe ich schon einige Feuerwehr-, Rettungsdienst- und Polizeieinsätze erlebt. Eine Flutkatastrophe solchen Ausmaßes ist da trotzdem noch etwas anderes. Zumal ich als Fotograf gleich mehreren Aufgaben gerecht werden musste.

Zwei Männer in gelben Tshirts beschauen sich die Lage.

Einerseits sollten eindrucksvolle Fotos entstehen, die die Arbeit der Hilfsorganisation darstellt. Das ist insbesondere wichtig, um den Einsatz über Spenden finanzieren zu können.

Andererseits hatte ich auch den Anspruch, mich als Fotojournalist und Dokumentarfotograf weiterzuentwickeln und die Emotionen und auch das Leid der Bevölkerung, die von der schlimmsten Flutkatastrophe im Balkan seit Beginn der Wetteraufzeichnungen betroffen war, festzuhalten.

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