Junger Mann auf Brückengeländer gelehnt
09. August 2014 Lesezeit: ~5 Minuten

Das Kameraband II

Gestern hat Lukas erzählt, wie er Silje kennengelernt hat. Heute lesen wir die Geschichte aus ihrer Sicht.

Regen. Alles, was ich höre, ist der Regen. Es ist früh am Morgen, ich sitze im Zug und bin auf dem Weg zurück zum Gatwick Flughafen in London. Auf dem Weg nach Hause. Obwohl ich in diesem Moment, mit den Gefühlen, die ich habe und nachdem ich all diese tollen Menschen getroffen habe, nicht genau weiß, wo mein Zuhause wirklich ist.

Auf meinen Kopfhörern beginnt „Kings and Queens“ von „30 Seconds to Mars“ zu spielen und der Regen rinnt nun geräuschlos, genau wie meine Tränen. Es ist verwirrend, von Freude erfüllt zu sein und gleichzeitig zu fühlen, wie das eigene Herz mit jedem Meter ein wenig mehr zerbricht. Alles, woran ich denken kann, ist die Wärme und Sicherheit von Deiner Hand in meiner und wie ich wünschte, sie nicht mehr loslassen zu müssen. Das ist der Anfang. Ich weiß das jetzt noch nicht, aber das ist der Anfang unserer Liebesgeschichte.

junger Mann vor Bäumen im Abendlicht

sich umarmendes Paar

Viel früher. Es ist es Sommer. Ich sitze in meinem Zimmer, in unserem Haus, in Bergen in Norwegen und klicke durch eine endlos scheinende Liste talentierter Fotografen in einer neuen Gruppe auf Facebook. Plötzlich unterbricht mich eine Freundschaftsanfrage von einem gewissen Lukas Monschein – von Dir. Ich kenne Deine Fotografien schon seit einer Weile von Flickr und als ich mich durch Deine Profilbilder klicke, kommt zu der Tatsache, dass Du tolle Fotos machst, noch eine weitere hinzu: Du sieht unverschämt gut aus.

Kurz nachdem ich Deine Anfrage angenommen habe, beginnen wir, miteinander zu schreiben. Schnell werden aus kurzen Nachrichten längere Texte und schließlich kleine Romane. Ich fühle mich mehr denn je wie ich selbst, wenn ich mit dir rede und es fühlt sich völlig selbstverständlich an, dass sich nach wenigen Monaten eine enge Freundschaft entwickelt. Eine „2245-Kilometer-Freundschaft“. Du lebst in Österreich. Ich in Norwegen.

Paar vor Klippenlandschaft

Junger Mann in weißem Hemd vor blauer Abendlandschaft

Das erste Mal wirklich getroffen haben wir uns am 31. August 2012 abends um kurz nach 23 Uhr in London bei einem Flickr-Foto-Meetup. Nach stundenlangem Suchen nach richtigen U-Bahnen, Straßen und Hostels stand ich vor einer Gruppe junger Menschen. Ich sah sie auf mich zu rennen und innerhalb von Sekunden hatte ich alle umarmt. Nur einer blieb ein Stück zurück. Du. Unsere erste Umarmung. Du riechst wunderbar.

Ich erinnere mich, wie wir spät abends zu zweit losgezogen sind. Wir gingen gefühlte Stunden durch die Straßen auf der Suche nach einer gemütlich Bank und etwas Stille. Die Bank, für die wir uns dann entschieden haben, stand in der wohl dunkelsten Gasse Londons. Immerhin hingen überall kleine bunte Fahnen und vermischten so eine leicht unheimliche mit einer bezaubernden Sommernachtsstimmung.

Stundenlang saßen wir einfach da und hörten zusammen Lieblingslieder des anderen. Zu „Kings and Queens“ haben wir uns zum ersten Mal geküsst und es fühlte sich wie das einzig Richtige an. Aber schon auf dem Weg zurück zum Hostel stand der unangenehme Gedanken zwischen uns, dass wir in wenigen Tagen wieder viel zu weit entfernt voneinander leben würden.

Mädchen mit Fernglas

Nachdem ich wieder zuhause war, dauerte es nicht lange, bis ich einen Flug nach Österreich buchte. Fünfzehn Tage, um genau zu sein. Wir wussten beide nicht, woran wir waren, wohin es führen würde und erst, nachdem wir eine Woche keinen Kontakt haben konnten, weil du im Urlaub warst, wurde uns bewusst, wie viel Zeit wir täglich miteinander verbachten und wie wichtig wir uns tatsächlich waren.

Es war mein wahrscheinlich schönstes Ferngespräch, als du angerufen hast, um mir zu sagen, dass Du es nicht länger aushälst, mich nicht als Deine Freundin zu haben. Damit hattest Du mich endgültig. Von da an hieß es: Wir gegen den Rest der Welt.

Trotzdem waren es noch fast 70 Tage bis zu meinem Flug nach Österreich. Wir beschlossen, ein Zehn-Wochen-Projekt zu starten, um das Warten zu verkürzen. Jeder machte jede Woche ein konzeptuelles Bild für den anderen. So konnten wir uns immer auf etwas freuen, egal wie schlimm sich die Entfernung gerade angefühlt hat.

Paar das sich an den Köpfen berührt

You & Me © Silje Tveitnes

Einige meiner absoluten Lieblingsbilder sind durch dieses Projekt entstanden. Einfach deshalb, weil ich mein Herz und meine Seele besonders in jedes dieser Bilder gesteckt habe und mich ganz neu über die Fotografie mit Dir verbunden gefühlt habe. Du wurdest meine größte Inspirationsquelle und bist es immer noch.

Meine erste Reise zu Dir war am 23. November 2012. Heute, zwei Jahre, vierzehn Reisen und ungefähr 30.000 Kronen später, beginnt das letzte Kapitel dieser Fernbeziehung. Wir suchen gerade nach einer gemeinsamen Wohnung in Norwegen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es fühlt sich wunderbar an. Frei, voller Tatendrang, Liebe und Dankbarkeit. Dankbarkeit vor allem auch für die Fotografie. Sie hat uns zusammengebracht und sich wie ein unsichtbares Band um uns gelegt.

Dieser Artikel wurde für Euch von Laura Zalenga aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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