Eine Person trägt auf dem Rücken etwas die Straße entlang.
26. Mai 2014 Lesezeit: ~6 Minuten

Im Gespräch mit Nayeem Kalam

Beim Durchstöbern der Bilder meiner letzten Asien–Reise kam mir die Frage in den Sinn, warum ich in all den Netzwerken und Foto-Websites so wenig Bilder von Fotografen aus dieser Gegend sehe.

Reisefotografie ist eine Sache, aber es musste doch auch Menschen geben, die, in asiatischen genauso wie in europäischen Ländern, die Welt um sich herum mit der Kamera festhalten. Nur kannte ich so gut wie keine. Einige Websites, Blogs, Portfolios und Flickr-Streams später bin ich auf Nayeem Kalam aufmerksam geworden.

Die Lichtstimmung, persönliche Note und gleichzeitig das Alltägliche in seinen Bildern faszinierte mich. Ich freue mich sehr, dass er bereit war, ein Interview mit mir zu machen.

Ein Mädchen mit einem Spinnenschleier. Eine Straßenfotografie.

Danke, dass Du Dir Zeit für dieses Interview nimmst. Erzählst Du uns etwas über Dich und was Dich zur Fotografie gebracht hat?

Ich heiße Nayeem Kalam und komme gebürtig aus Chittagong, Bangladesch. Mein Vater ist aus Myanmar (Burma) immigriert und ein bekannter, wohlhabender Mann. Allerdings sehr konservativ und kein großer Fan der Fotografie.

Ich habe mein halbes Leben im Ausland verbracht und sollte einen soliden höheren Bildungsgrad erzielen, was ich nie wirklich erreicht habe. Stattdessen habe ich meine Jugend in Cafés und Bars verbracht, mich unter viele verschiedene Nationalitäten gemischt.

Ich habe mein Leben genossen, wo es nur ging, vor allem mit Frauen. Ich hatte ein märchenhaftes Leben. Mit der Fotografie habe ich eine lange Geschichte, die begann, als ich neun Jahre alt war, mit meiner ersten Kamera.

Eine Yashica, wenn ich mich richtig erinnere. Aber ernsthaft damit beschäftigt habe ich mich erst, als ich aus Europa zurückkam und mein Land in Fetzen wieder sah.

Bettler überall, Ungerechtigkeit und Korruption, die die Straßen und alles andere regierte. Armut und fehlende Bildung, Mangel an Menschenrechten und das blinde Folgen anderer Kulturen und Trends.

Ich habe nichts gesehen, was mir gefallen hat – außer den Gesichtern der Menschen. So bin dazu gekommen, wenn man es „richtige“ Fotografie nennen will.

Eine Frau mit einem Notizblock und langem Tuch über dem Kopf. Eine Straßenfotografie.

Beim Betrachten Deines Flickr-Streams ist mir aufgefallen, dass Du zu vielen Fotos einiges zum Hintergrund erzählst, wer zu sehen ist und in welcher Situation das Bild entstanden ist. Fotografierst Du meist Fremde oder Dir bekannte Menschen aus Deiner Heimatstadt?

Ich fotografiere tatsächlich viele Fremde Leute während des Kaffeetrinkens vor einem Hotel. Außerdem fotografiere ich oft aus dem Auto heraus, während des Fahrens (sorry). Hauptsächlich fotografiere ich Menschen, die ich kenne.

Die meisten davon kenne ich, weil ich einmal ein Foto von ihnen gemacht habe. Ich spreche mit den Leuten, die ich fotografiere und versuche, eine Verbindung aufzubauen.

Du musst so eine Menge Leute kennen gelernt und viele Lebensgeschichten gehört haben.

Oh ja, mit Sicherheit!

Ein Mann hält seine Hände vor sein Gesicht. Eine Straßenfotografie.

Wonach entscheidest Du Dich für ein Motiv, das Du festhalten willst? Ist es eine bestimme Seite, die Du abbilden möchtest?

In einem Wort: Instinkt. Ich würde gern etwas Persönliches mitteilen. Ich bin kurzsichtig, brauche Kontaktlinsen, die oft ein Spiel mit mir treiben. Ich bin eine sorglose Seele und kümmere mich nicht darum.

Außerdem trinke ich viel, was meine Augen austrocknet. Damit kämpfe ich jeden Tag und sehe dadurch oft nur wenig.

Aber wenn ich etwas sehe, sehe ich es wie kein anderer. Ich wünschte, ich könnte alles fotografieren; das ist der Drang, der mich weitermachen lässt.

Ansonsten hätte ich die Fotografie schon vor Jahren aufgegeben. Und zu der bestimmten Seite, die Du angesprochen hast: Es ist eine Kombination aus Licht und Menschlichkeit.

Ein Mann läuft mit seiner Tochter, die ihn anlächelt, die Straße entlang. Eine Straßenfotografie.

Wie reagieren die Leute, wenn Du sie fotografierst?

Meistens scheinen sie ehrlich gesagt etwas geschockt zu sein, aber meistens erscheint auch gleich darauf ein Lächeln. Negative Reaktionen habe ich bisher nur ein oder zweimal erhalten.

Und was regelmäßige Straßen-Portraits angeht, bin ich überrascht von der großen Geduld und Bescheidenheit, die Menschen mir entgegenbringen. Ich glaube, es wäre nahezu unmöglich, so im Westen zu fotografieren.

Andere Fotografen berichten mir oft davon, dass sie Angst bekommen, wenn Sie versuchen, Dinge zu tun, die ich mache. Ich bin unglaublich glücklich und gesegnet in diesem Bereich.

Äußerlich etwas von den Einheimischen abzuweichen, hilft sehr. Und auch, wenn es stolz klingen mag: Ausstrahlung und Charisma sollten nicht unterschätzt werden.

Eine Junge steht mit Schirm im Regen. Eine Straßenfotografie.

Mit welchem Equipment arbeitest Du und warum hast Du Dich dafür entschieden?

Ich benutze Canon–Kameras, die EOS 1Ds Mark II & III, wegen ihrer Größe. Ich mag ihre Solidität und Stabilität. Außerdem habe ich große Hände und diese Kameras sind gut zu halten.

Da ich hauptsächlich abends oder nachts viel aus dem Auto heraus fotografiere, nutze ich schnelle Objektive. Ich habe momentan ein 50mm f/1.2L und ein 85mm f/1.2L II. Ich liebe die Tiefenschärfe, die sie mir bieten. Die meisten meiner Fotos entstehen gerade auf Blende 1.2.

Noch eine Frage zum Schluss: Hast Du irgendwelche fotografischen Vorbilder?

Um ehrlich zu sein, ich habe nie Fotografen verfolgt. Ich hatte auch nie eine Ausbildung oder einen Kurs in Fotografie, habe nie Bücher darüber gelesen und war, es mag dich überraschen, noch nie in meinem Leben auf einer richtigen Ausstellung.

Vielen Dank für das Interview, Nayeem!

Cheers!

Dieses Interview wurde von Chris Hieronimus auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.

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