15. Mai 2014 Lesezeit: ~6 Minuten

Von Liebe und Zweifeln

Ich wollte seit Langem Fotografin werden. Richtig professionell zusammen mit Modellen arbeiten und etwas Großes erschaffen, so wie es einige meiner Vorbilder machten. Also beschloss ich, nach der Realschule auf mein Abitur zu verzichten und mir meinen damaligen Traum zu erfüllen: Fotografin werden.

Ich entschied mich dafür, ein Jahr lang auf eine freie Fotografie-Schule zu gehen. Die Zeit dort war wunderschön und ich fühlte mich so wohl, dass ich beschloss, das Ganze auf den nächsten Level zu heben. Mit Anfang 17 packte ich meine Sachen, verließ die Wohnung und das Dorf, in dem ich groß geworden war und zog in ein weiteres Dorf neben der Stadt, in der ich meine Ausbildung absolvieren würde.

© Ines Rehberger

Es war ein kleines Pass- und Bewerbungsstudio mit viel Fotografie-Zubehör zum Kaufen. Klar, es war nicht das, was ich mir erhofft hatte, aber damals dachte ich, es würde mich eines Tages dorthin bringen. Ich hatte dieses eine Ziel vor Augen und so nahm ich es hin, dass die Ausbildung sich immer mehr zur Fehlentscheidung entwickelte.

Technische Dinge lernte ich im Blockunterricht, für den ich alle paar Monate in einem Internat leben musste, im Geschäft lernte ich wie man mit Kunden umgeht und wie man jeden Tag mit ein und derselben Kameraeinstellung Pass- und Bewerbungsfotos macht, mit denen die Kunden am Ende sowieso nicht zufrieden waren.

© Ines Rehberger

Der Alltagstrott kam schnell und dass ich den halben Samstag arbeiten musste, während ich unglaubliches Heimweh hatte und die Bahnfahrt nach Hause mich einiges an Geld und Zeit kostete, machte es nicht einfacher. Zudem schien ich mit meiner blassen Haut und meinem Hang zur Farbe Schwarz einfach nicht dazu passen zu wollen. Mein Chef und ich waren – untertrieben gesagt – auch nicht gerade auf einer Wellenlänge. Hier war Fotografie ein Handwerk und keine Kunst.

Die Lust am Fotografieren verschwand schnell, aber ich zwang mich, privat zu fotografieren, um mein liebstes Hobby weiterhin an mich zu binden.

© Ines Rehberger

Ich zähle den Tag, an dem ich meine Ausbildung beendet habe, zu einem der schönsten Ereignisse, die ich je erleben durfte. Dass Fotografie nicht das war, was ich beruflich mein Leben lang machen wollte, war mir bereits nach einem Jahr bewusst geworden. Aber ich hatte für diese Ausbildung alles stehen und liegen gelassen und so zog ich es bis zum Ende durch.

Letztendlich war ich froh, einen fertigen Abschluss zu haben, auch wenn ich den Titel „professionelle Fotografin“ nicht besonders mochte. Denn ich wusste nun, dass es eben nur ein Status war und nichts, was etwas über die Person an sich oder ihre Kunst aussagt.

© Ines Rehberger

Seitdem sage ich von mir, dass ich Hobby-Fotografin bin und es auch bleiben werde. Fotografie bedeutet mir sehr viel und ich stecke in meine Bilder all mein Herzblut, viele Gedanken und Gefühle. Und in diesem einen ganz besonderen Hobby möchte ich frei sein. Ich will von niemandem in eine Schublade gesteckt werden oder mich unter Druck setzen lassen. Das mag bei anderen Menschen, die eine solche Ausbildung machen, ganz anders sein.

Diese Zeit war jedoch in einer Hinsicht sehr wertvoll: Ich hatte nun viele neue Emotionen, die ich in meinen Bildern verarbeiten konnte. Bis heute versuche ich, eben diese Gefühle wie Einsamkeit, Heimweh, Fernweh, Sehnsucht, Melancholie und so weiter mit Hilfe von Modellen und meinen Anweisungen in bildlicher Form auszudrücken. Fotografie ist mittlerweile kein Hobby mehr, sondern ein fester, sehr wichtiger und starker Teil von mir.

© Ines Rehberger

Es ist mir wichtig, dass ein fertiges Bild am Ende so ist, dass ich selbst davor verweilen möchte und mir Gedanken dazu mache. Umso glücklicher macht es mich, wenn andere Menschen genauso über meine Fotografie denken und die Emotionen bei ihnen ankommen. Einfacher wäre es wohl, mich selbst zu fotografieren, da ich die Person bin, deren Gefühle ich ausdrücken möchte.

Jedoch liebe ich es, neue Menschen kennen zu lernen und meine Emotionen durch ihre eigenen zu verstärken. Zudem ist es immer wieder eine kleine Herausforderung eine andere Person in meine Gefühlswelt einzuschließen. Da die meisten meine Geschichte nicht kennen, versuche ich, den Betrachtern meiner Bilder Interpretationsfreiheit zu geben und trotzdem dafür zu sorgen, dass eine Serie im Grunde Sinn ergibt. Daher bestücke ich jede mit einem Titel, der alle Bilder miteinander vereint.

© Ines Rehberger

Ich fotografiere mittlerweile ausschließlich bei natürlichem Licht und am liebsten draußen in der Natur. Dort gibt es einfach nichts, was großartig vom Modell ablenken könnte und ich bewege mich gern frei. Während des Fotografierens achte ich sehr darauf, den Bildausschnitt schon so zu legen, dass ich in der Nachbearbeitung nichts daran machen muss.

Wie ich ein fertiges Bild bearbeite, hängt vom Thema des Shootings ab. Farben mag ich in meinen Bildern im Allgemeinen eher gedeckt und meist entweder in bläulichen oder rötlichen Tönen. Mit den Farben versuche ich, die Geschichte der Serie zu intensivieren.

Anfangs machte ich Bilder für mich selbst, um mich auszudrücken und schwierige oder auch besonders schöne Zeiten in Bilderform ablegen und archivieren zu können. Mittlerweile, da ich weiß, dass ich Menschen mit meiner Fotografie emotional erreiche, fotografiere ich auch für sie. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, dass ich nicht mehr missen möchte. Je mehr Menschen es werden, desto mehr scheint der Druck zu steigen.

© Ines Rehberger

Aber ich versuche, stets mir klar zu machen, woher ich komme und wieso ich fotografiere. Und dann weiß ich wieder, dass ich gar nicht mehr brauche als mich, meine Kamera, meine eigene Zufriedenheit, eine Menge Spaß und ein paar Menschen, die mich unterstützen. Und zwar in dieser einen Sache, die ich an meinem Leben und Dasein am meisten liebe: Der Fotografie.