09. Mai 2014 Lesezeit: ~7 Minuten

Fenster: Ausstellungstipps, Ausgabe 3

Wieder haben wir fünf Empfehlungen für Euch, quer über Deutschland verteilt. Die Auswahl fällt uns zwar immer wieder schwer, aber es ist schön, dass wir Euch über die einzelnen Ausstellungen in unserem neuen Format mehr erzählen können als früher. Schwerpunkt heute: Dokumentarische Portraits und Reportage.

Berlin

Tipp von Marit Beer

Zu Ehren Harald Hauswald und zu seinem 60. Geburtstag zeigt die Galerie Friedrichshain Berlin Fotografien aus den Jahren 1976 bis 2014. Er gilt als „kritischer Chronist der Endzeit der DDR“ und ist Mitbegründer der Ostkreuzagentur.

Wer das Ostberlin nicht kannte und gern kennenlernen möchte, dem empfehle ich unbedingt, diese Ausstellung zu besuchen. Die Bilder handeln vom Leben der einfachen Bürger, abseits der großen Ereignisse. So portraitierte er Eckensteher, Hooligans, Hausbesetzer oder Künstler.

Er war ein Teil von ihnen und kannte sich in den maroden und grauen Hinterhöfen Ostberlins aus. Denn bevor er seinen erlernten Beruf als Fotograf ausübte, war er als Telegrammbote oder Heizer in der Stadt unterwegs.

Zu sehen noch bis zum 20. Juli, an diesem Tag findet die Finissage um 19 Uhr statt.

Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin
Tel.: (030) 296 16 84, fotogalerie@kulturring.org
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa 14.00 – 18.00 Uhr, Do 10.00 – 18.00 Uhr

 

Günther Uecker © Lothar Wolleh

2. Vatikanischen Konzil © Lothar Wolleh

Magdeburg

Tipp von Katja Kemnitz

Lothar Wolleh portraitierte in den sechziger und siebziger Jahre über einhundert international bekannte Maler, Bildhauer und Aktionskünstler. Jede Aufnahme zeigt den jeweiligen Künstler im Zusammenhang mit seinem Werk.

Das Kunstmuseum Magdeburg zeigt eine Auswahl der Künstlerportraits. Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Roncalli-Haus Magdeburg, statt. Dort sind weitere Arbeiten von Lothar Wolleh zu sehen, die zwischen 1962 und 1965 in Verbindung mit dem 2. Vatikanischen Konzil entstanden sind.

 

Indien Wüste Thar © Günter Pfannmüller

Äthiopien © Günter Pfannmüller

Frankfurt

Tipp von Katja Kemnitz

Bereits 1992 zog Günter Pfannmüller los und reiste von Land zu Land für sein Projekt „Auf der Suche nach Würde“. Mit einem riesigem mobilen Tageslichstudio portraitiert er die Menschen auf seinem Weg und versuchte so, die Repräsentanten der letzten traditionell lebenden Kulturen zu bewahren. Entstanden sind seitdem mehrere Bildbände*.

Die Galerie BRAUBACHfive aus Frankfurt präsentiert die Schwarzweiß-Fotografien aus dem Projekt noch bis zum 31. Mai 2014. „In Search of Dignity zeigt, dass die Würde des Menschen unantastbar, aber keineswegs unsichtbar bleibt.“

 

© Till Mosler

© Till Mosler

Köln

Tipp von Aileen Wessely

Im Rahmen der Filmreihe „Im Land der Morgenfrische. Filme aus Nordkorea“ zeigt das Allerweltskino ebenfalls eine Fotopräsentation mit Arbeiten von Till Mosler. Der 39-jährige Kölner Hobbyfotograf interessiert sich insbesondere für Ostasien und stellt hier eine Auswahl von Arbeiten aus vier Reisen der letzten elf Jahre nach Nordkorea vor.

Dabei war er in unterschiedlichen Gegenden zu verschiedenen Jahreszeiten unterwegs und konnte alltägliche ebenso wie seltene Eindrücke festhalten. Diese bieten die Möglichkeit, die Lebensweise und das Bild über die dortigen Menschen, unabhänig von der Meinung der Medien hierzulande besser zu vermitteln. Der schnelle Wandel dieser Länder, ihre geschichtlichen Hintergründe, Kulturen und Menschen reizen Till Mosler als Fotograf sehr.

Ich versuche, dort den täglichen Alltag der Menschen unabhänig von der öffentlichen Meinung neutral zu dokumentieren. Die schnellen Wandel und teils existierenden Parallelwelten in Momentaufnahmen bildlich fest zu halten. So manches enstandene Motiv ist heute bereits Geschichte oder hat sich gänzlich gewandelt.

© Till Mosler© Till Mosler

© Till Mosler

Zu Nordkorea und seinen Menschen konnte ich durch die Reisen und Erfahrungen ein spezielles Verhältnis (was sich in manchem von der gängigen, teils einseitigen Meinung in der Presse unterscheidet) entwickeln. Es sind Menschen wie Du und ich und ich versuche, ihre Lebensweise und Denkweise in ihrem System und Lebensumfeld zu verstehen.

Seine Bilder sind auf E6 Kleinbildfilm entstanden und werden am Freitag, den 16. Mai um 22 Uhr digital präsentiert. Auch an den anderen Spieltagen sind Bilder von Till Mosler im Foyer des Filmhaus Kinos zu sehen. Das Filmprogramm umfasst 13 Filme, die vom 15. bis 18. Mai gezeigt werden und sonst nicht in Deutschland zu sehen sind. Daher: Anschauen!

 

© Tommaso Bonaventura, Alessandro Imbriaco
Esszimmer der Familie Fava – Palizzi Marina, [Provinz] Reggio Calabria, 2011. Der 22-jährige Student Celestino Fava wurde am 29. November 1996 gemeinsam mit seinem Freund Antonino Moio in einem bewaffneten Hinterhalt getötet. Die Täter des Doppelmordes wurden nie gefunden. Die ermittelnden Beamten konnten lediglich vermuten, dass Celestino sterben musste, weil er Augenzeuge des Hinterhalts wurde, der seinem Freund, möglicherweise als Vergeltungsaktion, gegolten hat. Nach Celestinos Ermordung verschanzten sich seine Eltern, Annamaria und Antonio, 11 Jahre lang in ihrer Wohnung in Palizzi und verließen kaum noch das Haus.

Mannheim

Tipp von Aileen Wessely

Seit dem 27. April ist im Zephyr – Raum für Fotografie die Ausstellung TAT / ORT. (Un)heimliche Spuren der Mafia“ erstmals in Deutschland zu sehen und läuft noch bis zum 20. Juli 2014. Hierbei handelt es sich um ein Projekt, das ebenso aus Dokumentationsfotos besteht wie aus einer dreijährigen Recherche, die als ausführliche Erklärung zu jedem Bild zu lesen ist.

Besonders ist hier das Zusammenspiel von Bild und Text: In den Fotos ist nichts Offensichtliches zum Thema Mafia zu sehen. Was sie damit zu tun haben, welche besonderen Orte sie zeigen, wird erst durch die Hintergrundinformationen ersichtlich. So zeigt sich, worum es geht: Wie gleichzeitig unsichtbar und allgegenwärtig die Mafia und ihre Spuren sind.

© Tommaso Bonaventura, Alessandro Imbriaco
Ansicht der „Case Rosse“, Mailand, 2011. „Case Rosse“ [rote Häuser] ist ein Komplex von sechs Hochhäusern des sozialen Wohnungsbaus zwischen Viale Sarca und Viale Fulvio Testi an der nördlichen Peripherie Mailands. Dieses Gebiet steht seit Jahren vollständig unter der Kontrolle des ‚Ndrangheta-Clans der Porcino, der hier seinen Geschäften, dem Drogen- und Waffenhandel sowie der Schutzgelderpressung nachgeht.

Man sieht also Fotos von Landschaften, Städten, Wohnungen, Gerichtssälen, Büros, Beweisgegenständen, Autowracks, Erpressungsschreiben oder Gedenkorten. Diese ergeben so etwas wie eine Landkarte einer parallelen Welt der Mafia, die über unserer eigenen liegt. Sie zeigt sich in Geschehen und Spuren, die man zu lesen wissen muss.

Es gibt auch ein umfangreiches Rahmenprogramm zur Ausstellung: Ein Künstlergespräch, verschiedene Vorträge, eine begleitende Filmreihe, öffentliche Führungen und museumspädagogische Angebote für Lehrer und Kinder. Die beleuchten das Thema teilweise inhaltlich, teilweise auch mit fotografischem Schwerpunkt.

 

Habt Ihr weitere Empfehlungen für andere Leser? Welche Fotoausstellung hat Euch kürzlich begeistert, die noch geöffnet ist? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

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