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15. März 2014 Lesezeit: ~6 Minuten

Oscar Levcovich: Eine Frage des Instinktes

Als ich vor 55 Jahren in Argentinien auf die Welt kam, waren importierte Waren (Kameras mit eingeschlossen) sehr, sehr teuer und für mich nicht zu haben. Jedoch hatte ich in meinen frühen Lebensjahren nicht das Bedürfnis, mich selbst außersprachlich auszudrücken und somit gab es auch kein Problem. Die Fotografie war nichts, was mich interessierte.

Doch das sollte sich ändern.

Ich erinnere mich daran, wie ich als Teenager ein Foto-Magazin mit einigen Aktbildern darin kaufte. Zu meiner Überraschung sah ich ein Bild, das ich niemals vergessen werde: Zu sehen war ein alter Mann, der ein Kind umarmte. Der Ausdruck ihrer Gesichter war jedoch so schwierig zu deuten, dass ich unmöglich erkennen konnte, ob sie lachten oder weinten.

© Oscar Levcovich

Immer wieder schlug ich das Magazin auf, um nachzusehen, ob ich ein entscheidendes Detail übersehen hatte. Ein Detail, das mir endlich offenbaren würde, was zwischen den beiden geschehen war. (Die Antwort stand übrigens auf der Rückseite des Magazins.)

Nach diesem Ereignis geschah 40 Jahre lang nichts von fotografischer Bedeutung.

Als die digitale Fotografie zunehmend an Popularität gewann, wurde ich neugierig. Monate später entdeckte ich Doisneau und Cartier-Bresson. Jedoch waren es die humorvollen Arbeiten von Elliot Erwitt und Martin Parr, die mich völlig in den Bann zogen.

Inspiriert von den beiden begann ich, auf den Straßen zu fotografieren.

© Oscar Levcovich

Heute vergleiche ich Straßenfotografen mit Leuten, die mit einem Metall-Detektor in die Felder ziehen. Manchmal finden sie etwas, aber meistens gehen sie mit gar nichts nach Hause.

Weil ich noch nicht lange genug fotografiere, bin ich nicht in der Position, um mit schlauen Ratschlägen um die Ecke zu kommen. Jedoch möchte ich den Lesern, die viele Fragen und Zweifel haben, empfehlen, ein Dokument von den Meistern selbst – den Magnum-Fotografen – herunterzuladen.

Diese schrieben einen langen Artikel mit dem Titel „Wear good shoes: advice to young photographers“. Ältere Fotografen sollten das übrigens auch lesen.

© Oscar Levcovich

Dazu noch ein Buch-Tipp: „Magnum Landscapes“*. Ich nehme an, dass ich nicht länger verbergen kann, dass die Fotoagentur Magnum für mich das Größte auf der Welt ist.

Lange Zeit dachte ich, dass dies das einzige Buch wäre, das ich jemals brauchen würde. Natürlich habe ich meine Meinung inzwischen geändert, jedoch ist das Buch wirklich großartig.

Warum? Weil es die Landschaftsfotografie mit Elementen der Straßenfotografie und die Straßenfotografie mit Elementen der Landschaftsfotografie verbindet. Es ist außerdem sehr günstig zu haben und somit einen Versuch wert.

Ganz ehrlich: Bisher hat mir die Fotografie viele frustrierende Momente beschert, jedoch habe ich sehr viele nette Menschen (und exzellente Fotografen) kennengelernt, von denen schon einige in diesem Magazin hier vorgestellt wurden.

© Oscar Levcovich

Derzeit nehme ich Foto-Unterricht mit jungen Fotografen, die Fotojournalismus an der „Danish School of Media and Journalism“ studieren – einer der besten ihrer Art auf der Welt.

Letzten Dezember gingen wir als Teil des Unterrichts auf die Straße und unser Professor machte ein Bild von drei jungen Männern, die wir als „Störenfriede“ einstuften. Wir liefen weiter, aber zwei von ihnen kamen direkt zu mir und meinten, ich hätte das Foto gemacht. Falls ich das Bild nicht sofort löschen würde, sei mir eine gebrochene Nase sicher.

© Oscar Levcovich

Ich blieb ruhig und zeigte ihnen auf dem Kameradisplay, dass das Bild nirgendwo zu finden sei. Irgendwann sagte einer von beiden: „Gehen wir!“ So blieb ich unversehrt. Hundert Meter weiter machte unser „Lehrer“ ein weiteres Bild von einem Mann, der uns wütend anschrie, dass er die Polizei rufen würde, wenn das Foto nicht gelöscht würde.

Ich war sehr erfreut über die Möglichkeit, denn es hätte großartig werden können.

© Oscar Levcovich

Die Polizei hätte ein für alle Mal in meiner Stadt klären können, was in der Straßenfotografie legal ist und was nicht – ich bezweifle jedoch, dass die dänische Polizei Zeit für solche „Verbrechen“ hat. Letztendlich löschten wir das Foto.

Obwohl ich es bevorzuge, nicht in solche Diskussionen verwickelt zu werden, bin ich froh, dass ich diese unerfreulichen Episoden erlebt habe. Denn eigentlich haben sie mich sehr gestärkt.

Über Equipment zu sprechen ist nicht wirklich mein Ding. Wie möchtest Du fotografieren? Wie Cartier-Bresson eine Szene betreten, fotografieren und dann – ohne eine Spur zu hinterlassen – wieder gehen? Dann brauchst Du eine kleine, leise Kamera. Oder willst Du lieber mit offenen Karten spielen, so wie Bruce Gilden? Dann hast Du natürlich mehrere Möglichkeiten.

© Oscar Levcovich

Meine kleine Sony RX100* habe ich immer bei mir. Ich hatte eine kleine Affäre mit der Fuji X100S*, jedoch nutzte ich sie selten, da sie langsam, inkonsistent und sprunghaft beim Fokussieren war.

Außerdem haben die Leute immer darauf geschaut, um herauszufinden, was für eine Art Kamera das ist. Das ist nicht von Vorteil, da ich versuche, so unsichtbar wie möglich zu bleiben.

Da die Sache mit Fuji für mich nun vorbei ist, habe ich eine kleine Ricoh GR IV* gekauft, jedoch haben schlechtes Wetter und mein noch schlechterer Gesundheitszustand mich daran gehindert, sie einzusetzen. Ich weiß also noch nicht, ob die Ricoh ein kluger Kauf war oder nicht.

© Oscar Levcovich

Ich kann nicht immer gleich beurteilen, ob ein Bild ein Treffer ist oder nicht – was auch immer das bedeutet. Deshalb bringe ich meine Bilder zur Arbeit mit, zeige sie meinen Kollegen und anhand ihrer Reaktion bekomme ich einen guten Eindruck von der Qualtität der Bilder.

Jedoch: Letztendlich ist alles eine Frage des persönlichen Instinktes. Das Gute ist ja, dass die Fotografie nur ein Hobby ist und nichts passiert, wenn man eine „falsche“ Entscheidung trifft. Versprochen!

PS: Vielen Dank fürs Lesen! Ich wünsche Deutschland viel Glück bei der nächsten Weltmeisterschaft.

Dieser Artikel wurde von Martin Gommel aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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