06. Februar 2014 Lesezeit: ~3 Minuten

Fotogenes Deutschland – Kreideküste

Im kleinsten deutschen Nationalpark und auf Deutschlands größter Insel ist die wohl am spektakulärsten erscheinende Küstenlandschaft unseres Landes zu finden. Die Kreidefelsen der Insel Rügen.

Unzählbar viele tote Kleinstlebewesen schufen vor ca. 70 Millionen Jahren die Grundlage für die heutige Kreideküste. Ihre kleinen Kalkschalen lagerten sich am Grund eines urzeitlichen Meeres ab und bildeten so mit der Zeit eine mehrere hundert Meter dicke Kreidekalkschicht. Durch tektonische Bewegungen und vor allem durch die letzte Eiszeit vor 60.000 Jahren wurde die Kreide an einigen Stellen an die Oberfläche gedrückt und prägt in manchen Regionen, wie zum Beispiel auf Rügen, ganz entscheidend das Landschaftsbild.

Vielen werden sicherlich der Königsstuhl und die 2005 abgebrochenen Wissower Klinken ein Begriff sein. Doch der etwa 15 Kilometer lange Küstenstreifen zwischen Sassnitz und Lohme hat noch deutlich mehr zu bieten. Das Gakower Ufer, die Piratenschlucht, der Tipper Ort, die Ernst-Moritz-Arndt-Sicht, das Fahrnitzer, Kieler und Kollicker Ufer, der Äser Ort sowie die kleine und die große Stubbenkammer, die den Königsstuhl und die Victoriasicht umschließen, sind im letzten Jahr mein zweites Zuhause geworden.

Mit dem Beginn meines Studiums und dem damit verbundenen Umzug nach Hamburg wuchs nicht nur mein Interesse an der Fotografie, sondern auch das an meiner Heimat. Die Kreidefelsen zogen mich dabei ganz besonders in ihren Bann. Die teilweise senkrecht nach unten abfallenden Hänge, die zackigen Abbruchkaten, das Weiß der Kreide, das im Sommer mit dem satten Grün der Buchen konkurriert, die Türkis gefärbte Ostsee, die zahlreichen Fossilien und Hühnergötter am Steinstrand. All das ist wirklich beeindruckend und lockt jedes Jahr viele tausend Touristen in den Nationalpark.

Aber das, was mich am meisten fasziniert und was erst sichtbar wird, wenn man immer und immer wieder die Kreidefelsen besucht, ist die ständige Veränderung. Nach jedem Sturm, jedem Regenschauer oder bei Minusgraden im Winter bricht etwas ab, rutscht ein Stück Hang nach unten, lassen die Wurzeln einer Buche nach oder wird etwas Sand angespült und abgetragen. Man kann sich nie sicher sein, ob der markante Felsvorsprung mit der knorrigen Buche am nächsten Morgen noch da ist oder ob man an diesem Tag überhaupt am Ufer entlang laufen kann, ohne knöcheltief im Schlamm eines frischen Abbruchs zu versinken.

Jede Tour ist ein Ausflug ins Ungewisse und birgt etwas Neues. Das macht für mich den Reiz dieser Landschaft aus.

1 © Florian Nessler

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Ich denke, jeder, der sich fotografisch ähnlich intensiv mit einer Region auseinandergesetzt hat, wird mir beipflichten, dass man in dieser Zeit eine ganz besondere Verbindung zu ihr aufbaut. Für mich ist es deshalb nicht nur das Fotografieren an sich, das mich immer wieder lange vor Sonnenaufgang aufstehen lässt. Es ist auch das Verlangen, wieder den Wind zu spüren, die Brandung der Ostsee zu hören, ganz allein 100 Meter über dem Meer einfach ich zu sein und der Natur bei ihrem täglichen Schauspiel zuschauen zu können.

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