25. August 2022 Lesezeit: ~2 Minuten

Geschichte der Bildbearbeitung

Bildbearbeitung wird oft argwöhnisch betrachtet. Man vermutet sie überall, manche Fotograf*innen wollen ihre Arbeiten gern frei davon wissen und schauen etwas spöttisch auf die „Photoshopper“ herab. Dabei ist die Fotomanipulation so alt wie die Fotografie selbst.

Die Fotografie lässt sich nicht von der Manipulation lösen. Sie beginnt bereits mit der Entscheidung, jetzt in diesem Moment ein Bild zu machen und nicht eine Sekunde früher oder später. Sie geht weiter bei der Wahl des Bildausschnitts. Jedes Foto ist zwangsläufig begrenzt. Was ist rechts und links im Bild? Nur der Mensch, der den Auslöser betätigt, entscheidet, was ein- und was ausgeblendet werden soll.

Auch durch die Wahl der Kamera, des Objektivs und des Films verändert sich ein Foto. Entscheidet man sich für einen Schwarzweißfilm, retuschiert man die Farben aus der Welt. Fuji oder Kodak? Beide geben die Farben unterschiedlich wieder und die Tonwerte verändern sich beim Entwickeln des Films natürlich auch.

Es gibt noch so viele Faktoren aufzuzählen, die ein Bild verändern, aber darum soll es hier gar nicht gehen. Halten wir einfach fest: Die Fotomanipulation ist untrennbar mit der Fotografie verbunden. Aber natürlich kann man jedes Bild mehr oder weniger manipulieren.

Interessant wird es bei der Suche nach der bewussten Veränderung des bereits fertigen Bildes.

Bereits 1855 begeisterten das Publikum der zweiten Weltausstellung in Paris zwei Versionen des gleichen Portraits. Ein deutscher Fotograf zeigte die Möglichkeiten der Retusche und machte die Fotografie damit noch beliebter.

Möglichkeiten gab es viele. So wurden zum Beispiel verschiedene Negative übereinandergelegt und belichtet oder komplett neu zusammengesetzt, wodurch völlig neue Kompositionen entstanden – wie etwa Köpfe auf fremden Körpern. So geschehen um 1860 mit US-Präsident Abraham Lincoln, dessen Kopf auf den Körper des Politikers John Calhoun montiert wurde.

Abraham Lincoln mit falschem Körper ca. 1860

1908 erschien das Buch „Complete Self-Instructing Library Of Practical Photography“ von J. B. Schriever. Darin wird zum Beispiel das Bemalen des Negativs erklärt. Mit dieser Methode konnten sogar geschlossene Augen wieder geöffnet werden. Aber auch Kapitel wie „Radieren von dicken Hälsen“ oder „Richten von schielenden Augen“ zeigen, dass Schönheitsretuschen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus gängig waren.

Illustration Nr. 33 aus Complete Self Instructing Library of Practical Photography width=

Die Anleitungen des Buches gehen aber weit über die einfachen Schönheitskorrekturen hinaus. Auch ganz surreale, künstlerische Bilder werden thematisiert, wie zum Beispiel die Verwandlung eines Portraits in eine Büste.

Illustration Nr. 36 aus "Complete Self Instructing Library of Practical Photography"

Neben diesen Retuschen und künstlerischen Bearbeitungen gab es aber auch sehr früh schon Bilder, die bewusst täuschen sollten, wie die Cottingley-Feen von 1917. Auf uns wirken die Feen, die auf den Bildern vor den Kindern tanzen, sehr unecht. Anfang des 20. Jahrhunderts lösten sie jedoch Begeisterung und eine neue Welle des Feenglaubens aus.

Nicht zuletzt, da die Fotos untersucht und als echt bewertet wurden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bei den Feenwesen um ausgeschnittene Kartonbilder. Die Fotos zeigen also keine nachträglichen Bildmanipulationen, logen aber dennoch.

Früh gab es bereits die politisch motivierte Bildmanipulation. Stalin und Lenin zum Beispiel ließen oft unliebsam gewordene Menschen nachträglich aus den Fotos retuschieren. 1920 hielt Lenin eine Rede in Moskau. Leo Trotzki und Lew Kamenew standen im Originalbild auf den Stufen des Podestes. Auf dem retuschierten Foto wurden beide übermalt und durch Holzstufen ersetzt.

Lenin 1920

Ob böswillige Täuschung oder gängige Retusche – die Möglichkeiten waren bereits kurz nach der Erfindung der Fotografie vielfältig. Was möglich war, wurde ausprobiert, nicht zuletzt durch die Surrealist*innen Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute sind viele Ideen dank der digitalen Fotografie oft noch viel einfacher umsetzbar.

Dass getäuscht werden kann, heißt natürlich nicht, dass man es tun muss. Nicht zuletzt bei Dokumentationen und Nachrichtenbildern ist das Thema Manipulation umstritten. Man denke nur an das Siegerbild des World Press Photo Award 2013, dessen Dramatisierung durch einfache Lichtveränderung große Empörung auslöste.

 

Quellen

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 24. Januar 2014 im Magazin. Wir holen ihn noch einmal aus dem Archiv, da er uns zum Kartenset „50 unnütze Fakten zur Fotografie“ inspirierte. Jetzt kennt Ihr bereits einen der 50 Fakten: Bildbearbeitung ist älter als man denkt! Holt Euch noch mehr historische und faszinierende Fakten in Kartenform. Die ideale Klolektüre im Fotostudio, wenn man das Handy vergessen hat.

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