28. Dezember 2013 Lesezeit: ~4 Minuten

China als fotografische Herausforderung

China ist kurios – ein Land der Andersartigkeit. Wo Lichter tanzen und alles in Bewegung ist, ein Ort, an dem nichts ruht. Die Straßen sind ein einziger Tumult, Menschenmassen drängen sich aneinander. Man spürt, wie China atmet, es pulsiert. Inmitten dieser fremden Welt befand ich mich für einen Monat mit meiner Freundin, reiste vom Süden in den Norden, die Reise an sich das Ziel.

© Paulina Metzscher

© Paulina Metzscher

Fremde ist eine Empfindung, in der man sich gleichermaßen glücksberauscht und verloren fühlen kann. Nicht selten aber fand ich pure Faszination in ihr.
Denn auch in der Ferne konnte ich mich auf ein Stückchen Vertrautheit berufen: Meine Kamera als ständigen Begleiter. So fing ich an, zu dokumentieren. Erst nur Orte, an denen wir uns befanden und dann immer mehr auch Menschen und ihre Umgebung.

Schnell legte ich, beflügelt durch Begegnungen, meine anfängliche Scheu ab, Menschen im Reich der Mitte zu portraitieren: Eine Einladung auf eine Tasse Tee oder ein kleiner Junge, der immer wieder voller Freude meine Kamera ausprobieren wollte. Fotografieren wurde damit noch viel mehr als es das sonst war, zu einer Begegnung.

© Paulina Metzscher

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Ehe ich mich versah, fand ich mich in einem für mich ganz neuen, bisher noch unbekanntem Bereich wieder: Der Straßenfotografie. Und was ich entdeckte, eröffnete neue Dimensionen. Erneut erlaubte mir das Fotografieren, zu reflektieren, mich mitzuteilen und den unglaublichen Schwall der Eindrücke von neuartigen Umgebungen, Menschen und einer andersartigen Kultur zu verarbeiten.

So hatte ich ein Stückchen Vertrautheit mit in die Ferne genommen und das schaffte Raum für die neuen Eindrücke. Oftmals wünschte ich mir, mehr als nur ein Augenpaar zu haben, um die Fülle an Eindrücken, die unentwegt auf mich einströmte, wirklich in mich aufsaugen zu können.

© Paulina Metzscher

© Paulina Metzscher

Wenn ich jetzt die Fotografien betrachte, die auf meiner Reise entstanden sind, sehe ich Menschen, die inne halten und eigentlich so gegensätzlich erscheinen zu dem, was mir in China begegnet ist: Nichts schien jemals zum Stillstand zu kommen. China – bunt, laut und schnell – findet sich nicht wirklich in meinen Fotografien wieder.

© Paulina Metzscher

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Die Inhalte bleiben dieselben, die mich auch sonst anziehen: Sehnsucht, Stille, Leere, Einsamkeit, Emotionen und Mystik. So sehr es mich selbst erstaunt, habe ich auf dieser Reise festgestellt, dass auch in neuen Umgebungen und unter anderen Umständen, ja sogar in einem neuen Bereich der Fotografie, diese Inhalte an mir zu haften scheinen bleiben.

Doch ich weiß auch, dass es genau das ist, wonach in China gesucht habe. Und ich glaube, ich bin fündig geworden. Fündig, nicht nur bei Menschen, sondern auch in den großartigen Landschaften Chinas, die mir flüchtige Momenten des Innehaltens und ruhige Augenblicke inmitten des Lärms und der Bewegung versprachen.

© Paulina Metzscher

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Durch die Linse meiner Kamera konnte ich mich in die kleinen Wunder des Alltags stehlen und an ihnen teilhaben. Dort ein kleines Mädchen, sehnsuchtsvoll aus dem Zugfenster schauend, hier eine alte Frau, in sich gekehrt auf der Straße, ein Wolkenmeer über den Bergen, ein Opa mit seiner Enkelin, gedankenverloren, Nebelschwaden in den Wäldern, Menschen, die innehalten, träumend in die Welt schauen, manchmal verloren wirkend, einsam.

© Paulina Metzscher

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Aus der Masse sind plötzlich Individuen geworden und das gefällt mir, denn auf diese Art und Weise ist es leichter zu erinnern. Und die Reise, plötzlich bestimmt von Gelegenheiten und Menschen, die uns begegneten und einen Blick in ihre Welt erhaschen ließen.

Menschen, die für mich, sobald ich Bilder mit ihnen verbinde, nicht mehr fremd erscheinen, sondern Teil meiner Erinnerung, meiner Fotografien wurden. Und so versuchte ich, mir in der Fremde einen Raum für Vertrautes zu schaffen und auf meine Art und Weise das Reich der Mitte zu erkunden.

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