13. Dezember 2013 Lesezeit: ~11 Minuten

Mystische Tiefen – Fotografieren in Klammen

Steil geht es den schmalen, holprigen Pfad den Berg hinauf. In der Ferne höre ich bereits das tosende Rauschen des wilden Baches und die Vorfreude steigt. Nur noch einige Höhenmeter bis zum Eingang der Klamm. Was nun folgt, ist Faszination pur für mich. Schillerndes Wasser, bunte Felsformationen, reißende Strudel, große und kleine Gumpen, überall plätschert und gurgelt es. Ein Paradies für detailverliebte Fotografen!

Ich werde immer wieder gefragt, was Klammen eigentlich sind. Eine Klamm ist nichts anderes als eine enge Felsschlucht, in der sich ein Fluss oder Bach befindet. Entstanden sind diese Abgründe angeblich nach der Eiszeit, als sich das Schmelzwasser über Jahrtausende seinen Weg in den Fels gegraben hat.

© Pia Steen© Pia Steen

Klammen gibt es Tausende. Tiefe, weniger tiefe, breitere, engere, längere und kürzere. Man findet sie hauptsächlich in der Nähe von Gebirgen wie beispielsweise den Alpen. Im Laufe der Jahre wurden in die Felsschluchten Holzstege geschlagen, um die Abgründe für Touristen begehbar zu machen.

Doch so faszinierend das Fotografieren in den nassen Schluchten ist, es birgt auch einige fotografische Herausforderungen. Mit ein paar simplen Tipps und ein wenig Erfahrung macht das Fotografieren in den nassen Abgründen aber jede Menge Spaß.

© Pia Steen

Weniger ist mehr

Bei meiner ersten größeren Klammtour war ich bereits nach dem langen Aufstieg zum Klammeingang völlig erschöpft. Ich hatte meine komplette Fotoausrüstung eingepackt, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Ein Fehler, wie ich schnell feststellen musste. Jedes Gramm, das man zusätzlich tragen muss, kann auf den teils anspruchsvollen Touren zur Qual werden.

Daher habe ich meine Ausrüstung bei meinen Klammgängen mittlerweile auf das Nötigste reduziert. So habe ich beispielsweise nicht mehr alle Objektive dabei, sondern nur noch drei Linsen. Ein Superweitwinkel 17-40mm für die engen Stellen in der Schlucht, meine Standardlinse 28-70mm für die meisten Gegebenheiten und ein Teleobjektiv 70-300mm für Plätze, an die ich nicht näher herankomme oder bei denen ich Details herausstellen möchte.

Auch Graufilter habe ich in den recht dunklen Abgründen bisher noch nicht gebraucht. Ein Polfilter, um Spiegelungen zu entfernen, reicht vollkommen. Dazu ein Stativ, Akkus, ausreichend Speicherkarten und einen Fernauslöser. Neben der Tagesverpflegung wie Getränke und Snacks war es das an fotografischem Equipment.

© Pia Steen© Pia Steen

Eng, enger, Klammstege

Wer schon einmal in einer Klamm war, der weiß, wie eng die Stege in den nassen Tiefen oftmals sind. Bei entgegenkommenden Personen muss man sich regelrecht aneinander vorbeiquetschen. Besonders mit einem Fotorucksack und einem Stativ bestückt ist das keine große Freude. Immer wieder muss man sein Stativ abbauen, um andere Leute vorbeizulassen. Dabei geht einem die komplette Komposition verloren.

Zudem sind die Holzstege sehr empfänglich für Vibrationen. Häufig sieht man noch nicht mal die Besucher der Klamm, spürt aber bereits ihre Schritte auf den Holzbalken. Gerade bei nötigen Langzeitbelichtungen ist das ärgerlich und lässt das Bild trotz Spiegelvorauslösung gern verwackeln.

Mein Tipp: Die Klammen nicht am Wochenende besuchen! Denn dann herrschen dort regelrechte Völkerwanderungen. Unter der Woche hat man meist alle Zeit der Welt und ist so gut wie allein in der Schlucht. So stören weder entgegenkommende Personen, noch die dadurch entstehenden Vibrationen auf den Stegen.

© Pia Steen© Pia Steen

Überall Wasser

In den mystischen Tiefen ist es nicht nur wesentlich kälter als draußen, sondern auch deutlich nasser. Unter einem tobt das wilde Wasser und spritzt hinauf, von den steilen Felswänden tropft das kalte Nass auf einen herab. Eine Regenjacke ist daher ein nützliches Utensil auf der Klammtour. Ich habe es mir allerdings mittlerweile angewöhnt, eine Watthose aus Neopren mitzunehmen.

Die ist zum einen schön warm, wasserdicht und der größte Vorteil: Ich bin wesentlich flexibler, was meinen fotografischen Standort angeht. Häufig kann man in den Klammen direkt ans Wasser gehen. Mit einer wasserfesten Watthose kann ich mich bauchnabeltief in den eiskalten Fluss stellen.

So bin ich nicht an die engen Stege gebunden und habe wesentlich mehr Gestaltungsspielraum beim Komponieren der Bilder. Für weniger tiefe Stellen reichen auch Neoprenschuhe und eine kurze Hose.

© Pia Steen© Pia Steen

Aber nicht nur ich will vor dem Wasser geschützt sein. Auch die Kamera und vor allem die Frontlinse werden durch die Gischt immer wieder sehr nass. Die Folge sind hässliche Wasserflecken auf den Fotos. Um dem entgegenzuwirken, habe ich es mir angewöhnt, immer sofort den Objektivdeckel auf die Linse zu schrauben, sobald ich nicht mehr durch den Sucher schaue.

Zudem trage ich immer ein weiches Mikrofasertuch bei mir, mit dem ich den Polfilter nach dem Komponieren des Bildes vorsichtig abtupfe, um anschließend schnell den Auslöser zu drücken, bevor die Linse wieder nass wird.

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Vorsicht, rutschig!

So schön das Plantschen mit Watthose im kalten Nass auch ist, das Fotografieren mit einem Stativ auf den teils rutschigen Felsen ist eine Herausforderung. Bevor ich zu einer in meinen Augen schönen Stelle eile, um meine Kamera aufzubauen, taste ich mich vorsichtig durch das Wasser. Denn so schön die Felsen aussehen, so glitschig können sie sein.

Ein falscher Schritt und man landet samt Ausrüstung im Wasser. Ich missbrauche bei meinen Spaziergängen durch den Bach mein Stativ gern als Wanderstock, um mich abzustützen. Bin ich mit meinem finalen Standort zufrieden, baue ich es auf. Dabei achte ich darauf, dass ein Stativbein exakt gegen den Strom ausgerichtet ist. So hat es gegen die teils starke Strömung etwas mehr Halt.

© Pia Steen© Pia Steen

Auch hier ist es wichtig, darauf zu achten, dass das Gestell nicht genau auf einem rutschigen Stein steht. Sobald ich merke, dass es keinen absolut sicheren Stand hat, verrücke ich es so lange, bis es bombenfest steht. Vor manchen Felsen musste ich allerdings schon kapitulieren. Selbst auf allen Vieren kriechend ist es teilweise unmöglich, Halt zu finden. Dann sollte man sich lieber nach einem anderen Plätzchen umsehen.

Trotzdem kann es immer passieren, dass sich plötzlich etwas an der Kamera oder am Stativ löst und die teure Ausrüstung baden geht. Ich habe mir daher angewöhnt, meinen Kameragurt immer lose in der Hand zu halten. So erzeuge ich keine Vibrationen bei der Belichtung, habe aber im Falle einen Sturzes eventuell noch die Möglichkeit, die Kamera festzuhalten. Ein Bad im Wasser bedeutet meist nicht nur den sicheren Tod der Technik – auch kann die teils starke Strömung das teure Equipment schnell davonspülen.

© Pia Steen

Die Licht- und Schattenseite der Klamm

Die meisten Leute zieht es bei strahlendem Sonnenschein in die Berge und Klammen. Mich hingegen erst, wenn es ordentlich bewölkt ist oder sogar regnet. Auch, wenn es in den Abgründen recht schattig und dunkel ist, führen einzelne Sonnenstrahlen zu unerwünscht starken Kontrasten.

Das Wasser und die feuchten Felswände reflektieren das Licht extrem. Solch helle Bereiche – neben den teils sehr dunklen Felsspalten – lassen das Bild unruhig wirken und sehen nicht schön aus. Ein bewölkter Himmel sorgt hier für gleichmäßiges, weiches Licht.

© Pia Steen© Pia Steen

Trotzdem hat man in den Tiefen immer das Problem von Hell-Dunkel-Kontrasten zwischen den einzelnen Felsstrukturen. Eine Mehrfachbelichtung hilft hier, um den Dynamikumfang der Schlucht zu bändigen. Für das Wasser mache ich eine extra Belichtung.

Dabei ist es mir wichtig, dass es noch ein wenig Struktur behält. Einen Richtwert gibt es hier nicht. In erster Linie hängt die Belichtungszeit von der Fließgeschwindigkeit des Wassers ab und von der Helligkeit der Klamm. Um mehr Schärfentiefe zu erzeugen, greife ich gern auf Focus Stacking zurück und mache mindestens eine Aufnahme sowohl vom Vorder- als auch vom Hintergrund.

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Tod dem Todholz

Eine Klamm sieht niemals gleich aus. Nicht nur die Jahreszeiten lassen das Wasser und die Felsen anders leuchten, auch verändert sich ständig ihre Form. Plötzlich liegen Felsbrocken dort, wo vorher keine waren. Andere hingegen sind verschwunden.

Auch kann es vorkommen, dass nach einem Sturm oder starken Regenfällen die Klamm voller hässlichem Todholz ist. Überall liegen umgestürzte Bäume und Tausende von Ästen in der Schlucht. Das hat mir schon manche Klammtour vermiest, da ich das Gestrüpp nicht sonderlich fotogen finde und es ungern auf meine Fotos bannen möchte.

Generell empfiehlt es sich nicht, den Schluchten nach starken Regenfällen einen Besuch abzustatten. Das Wasser steht dann so hoch, dass man selbst mit Watthose nicht in den Bach kann.

Gestalterisch gelten bei der Klammfotografie die gleichen Regeln wie in der Landschaftsfotografie. Beim Bildaufbau suche ich mir gern einen schönen Felsen oder besonders hübsche Steine für den Vordergrund. Für den Hintergrund bieten sich Wasserfälle oder ein besonders schöner Einblick in die Schlucht an.

© Pia Steen© Pia Steen

Hier bietet es sich auch an, Details herauszustellen. Das Hauptmotiv, beispielsweise ein Wasserfall, sollte nicht direkt mittig platziert werden, sondern zum Beispiel im goldenen Schnitt.

Gern gehe ich mit meiner Kamera so tief wie möglich an das Wasser heran. Das erzeugt eine schöne Dynamik. Ist es mir nicht möglich, nah an den Bach zu kommen, achte ich beim Fotografieren in den Abgrund darauf, dass der Steg, auf dem ich stehe, nicht zu sehen ist. Das erfordert oft Millimeterarbeit.

Auf den Holzwegen bietet sich wegen des hohen Geländers deswegen ein Stativ mit Mittelsäule an. Im Wasser oder auf den Felsen hingegen kann die Mittelsäule auf Grund des flachen Standorts aber auch stören. Ich persönlich bevorzuge das Arbeiten ohne Mittelsäule. Zur Not spreize ich das Stativ auf dem Geländer ein, um so ohne störende Elemente in die Tiefe fotografieren zu können.

© Pia Steen© Pia Steen

Augen offen halten

Bereits auf dem Weg zur Klamm entdeckt man oft schon hübsche Fotomotive. So finden sich in den Bergen gern seltene Blumen oder zauberhafte Wasserfälle. Es lohnt sich auf jeden Fall, bereits beim Aufstieg die eine oder andere Weggabelung zu erkunden.

Auch, wenn einen die tollen Motive in den Klammen gern dazu verleiten, die Wege zu verlassen und irgendwo rauf oder runter zu klettern, so sollte man doch nicht vergessen, dass man sich in den Bergen befindet und nicht auf Spielplatz. Gutes Schuhwerk, Kondition und Trittsicherheit sind Voraussetzung für solche Touren.

© Pia Steen

Hin und wieder sind einige Klammabschnitte aus Sicherheitsgründen wegen Renovierungsarbeiten gesperrt oder im Winter komplett geschlossen. Nicht selten kam es schon zu tödlichen Unfällen in den Schluchten aufgrund von Missachtung diverser Sicherheitshinweise oder wegen Selbstüberschätzung.

Auch ich ertappe mich immer wieder beim Überlegen, wie ich am besten wohin klettern kann, um eine noch bessere Perspektive zu erhalten. Dass es dabei direkt neben mir mehrere Meter tief in den Abgrund geht, vergesse ich in diesem Moment.

© Pia Steen© Pia Steen

Viele wunderschöne Klammen findet man übrigens unweit von München. Im Salzburger Land liegen die mystischen Tiefen quasi aneinandergereiht, eine schöner als die andere. Ich hoffe, ich konnte Euch mit meinen Tipps einen kleinen Einstieg in das Fotografieren von Klammen eröffnen und Eure Neugierde auf das Erkunden der wunderschönen Klüften wecken.

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