09. November 2013 Lesezeit: ~6 Minuten

Menschenbild(n)er

Schon immer interessierten mich Menschen – aber nicht der Mensch alleinstehend mit seinem Gesicht oder Alter, sondern mit seinen Geschichten, seiner Vergangenheit und seiner Sicht auf Dinge. Durch die Gastwirtschaft meiner Eltern bin ich seit meiner Kindheit immer mit verschiedenen Menschen unterschiedlichen Alters in Berührung gekommen und durch diese Konfrontation bin ich unbewusst in die Thematik Fotografie gerutscht.

Angefangen habe ich damit, dass ich mir im Zuge einer USA-Reise im Jahre 2010 meine erste Digitalkamera kaufte, um wenigstens „anständige“ Bilder von dieser Reise mitzubringen. Seit Anfang des Jahres 2011 habe ich meinen Fokus auf den Menschen gelegt.

Den Menschen so zu portraitieren wie er ist, wie ich ihn sehe – nicht unbedingt so abzulichten, wie er sich selbst gern sieht oder würde. Durch das große Glück, interessante Personen in meiner Familie und im Freundes- und Bekanntenkreis zu haben, waren jene auch meine ersten Modelle und sind es bis heute auch geblieben.

9880 © Martin Waldbauer

Der Anfang meines Schaffens war mühsam und ich lernte durch viel Recherchieren und Ausprobieren im Laufe einiger Monate den Umgang mit Kamera, Licht und Menschen. Meinen Stil habe ich im Laufe der Zeit irgendwie gefunden.

Der Großteil meiner Fotografien ist in Schwarzweiß gehalten, diese Art der Lichtbilder ist für mich durch seine Reduktion auf das Wesentliche das Interessanteste, weil nichts durch Farben ablenkt – der Mensch oder die Umgebung stehen völlig für sich allein und der Betrachter kann sich somit auf das Wichtigste konzentrieren und beschränken.

teen spirit © Martin Waldbauer

Thematisch gesehen bewegte ich mich anfangs in der Portraitfotografie. Ich baute mir mein altes Kinderzimmer im Haus meiner Eltern in ein „Fotostudio“ um. Darin befand sich nichts außer einem Tisch, einer Softbox und einer kleinen Wand, die ich mit schwarzer Farbe bemalte.

Davor stellte ich in der ersten Zeit verschiedene Menschen und so wurden aus diesen Bildern meine ersten Arbeiten. Mal reduziert auf das Gesicht, ein anderes Mal eine Ganzkörperaufnahme. Diese Arbeiten bewegten sich in den Bereichen Akt, Teilakt, Kopfportrait und im surrealen Bildbereich.

8968 © Martin Waldbauer

Im Laufe der Zeit wurden mir diese Serien zu eingängig und ich wollte mich ein wenig in eine andere Richtung verändern. Durch meine Verbundenheit zur Natur machte ich irgendwann Outdooraufnahmen bei Regen, Schnee und vor allem Nebel.

Schon immer war ich ein visueller Mensch und stetig auf der Suche nach etwas Besonderem. Ich konzentriere mich seitdem immer mehr auf meine Umgebung und taste mich mit meinen Augen vor, um etwas Neues und Interessantes zu finden.

Alte, verlassene Häuser, Schlösser oder karge Feldlandschaften waren in dieser Zeit mein liebstes Ziel. Durch die Tatsache, dass ich viele ausdrucksstarke und vor allem willige Menschen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe, gingen diese „Shootings“ immer relativ spontan von der Hand.

dont fear the future © Martin Waldbauer

Ich hatte meist eine Grundidee und vor Ort kamen dann nach und nach andere Einflüsse oder Eingebungen hinzu – so entstanden damals die sogenannten „Feld- bzw. Stimmungsbilder“.

Beruflich arbeite ich in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung und durch diesen Kontakt kam irgendwann der Gedanke, jene Menschen zu portraitieren. Durch diese ungeschminkten und puristischen Aufnahmen bin ich mittlerweile in die Richtung Reportage- und Dokumentationsfotografie gekommen.

Bei diesen Aufnahmen lernte ich für mich am meisten in der Fotografie dazu. Diesen Menschen das Gefühl zu geben, anerkannt zu sein, einen Wert zu besitzen. Fotografiert zu werden und dabei etwas zurückzubekommen, was für immer in Erinnerung bleibt und gefestigt ist in einem einzigen Moment des Bildes – das ist für mich die Vollendung der Fotografie.

54 years later © Martin Waldbauer

Meine liebsten Aufnahmen sind mir die meiner Großeltern, denn sie zeigen für mich jene Verbundenheit und Liebe, die sich ein jeder Mensch bis in hohe Alter wünscht. Durch meine rastlose Art und Weise, an Dinge heranzugehen und den Menschen vor der Kamera zu studieren und zu respektieren, kann ich durch meine Bilder versuchen, noch tiefer in die Seele des Menschen zu blicken.

Am wichtigsten ist mir immer die abgebildete Person, so wie sie in diesem einen Moment belichtet wurde – technische Aspekte treten hier für mich in den Hintergrund. Natürlich spielt die Technik eine bedeutende Rolle, aber ein gutes Bild ist für mich immer eines, das mich festhält, dass den Betrachter anhält, worüber man sich Gedanken macht und länger hinsieht.

4285 © Martin Waldbauer

Ich fotografiere mit einer Canon 5 D Mark II und diversen Festbrennweiten. Ich arbeite mit Photoshop CS4 und verschiedenen Schwarzweiß-Programmen wie NIK Silver Efix Pro oder DxO Film Pack.

Seit einiger Zeit macht mir aber die digitale Fotografie keinen Spaß mehr – schon immer haben mich die Arbeiten bekannter Fotografen von früher fasziniert, als noch analog mit Film fotografiert wurde. Aus diesem Grund fotografiere ich seit Kurzem ausschließlich analog mit Kodak Tri-X und Ilford HP5+.

Das Gefühl, ein Bild aufzunehmen, was niemals so perfekt sein wird wie ein digital aufgenommenes und die Tatsache, es erst nach der Entwicklung in den Händen zu halten, macht für mich hier den besonderen Reiz aus.
Man ist lange nicht so hektisch und fotografiert mit viel mehr Ruhe. An der Analogfotografie fasziniert mich am meisten die Bildqualität und der Entwicklungsvorgang an sich.

bad romance © Martin Waldbauer

Wohin meine Reise mit der Fotografie geht, weiß ich nicht, ich lasse mich einfach treiben. Wenn ich Lust verspüre, zu fotografieren, fotografiere ich – ich sehe mich als Amateur. Amateur zu sein bedeutet für mich, die Freiheit zu haben, Dinge zu fotografieren, die mich interessieren oder faszinieren. Nicht der Pflicht nachzugehen, Bilder machen zu müssen.

Am wichtigsten bei einem Bild sind für mich die Augen und die Hände – Augen als Spiegel der Seele und Hände als ein Instrument dessen, was bereits erlebt und erfasst wurde.

Ich hoffe, ich kann noch vielen faszinierende Menschen in meinem Leben begegnen und diese abbilden. Aber nicht nur ein Abbild erstellen, sondern diesen einen Moment suchen und finden. Den Moment, der mich antreibt und mich begeistert.

Entscheidend ist für mich die Tatsache, dass es mir Freude bereitet und dass ich das Gefühl habe, das Richtige zu tun. Mich mit „etwas“ auseinanderzusetzen und dadurch vielleicht ein klein wenig mehr als nur ein reines Abbild zu erhalten.

Ähnliche Artikel