19. September 2013 Lesezeit: ~5 Minuten

Über das Leben und meinen Platz darin

In den späten 1980er Jahren studierte ich Fotografie an der „School of Visual Arts“ in New York City und einer meiner wichtigsten Lehrer dort war ein Mann namens Thomas Roma.

Tom ist ein sehr angesehener Fotograf und hat einen immensen fotografischen Output: Er ist der Autor von 15 Fotobüchern, wurde mit der Guggenheim Fellowship geehrt und hatte 1996 eine Einzelausstellung am Museum of Modern Art in New York.

Daneben stellte er in seiner Freizeit Kameras unter dem Namen Siciliano Camera Works in Brooklyn her. Seine Mittelformatkameras wurden von Lee Friedlander, Tod Papageorge, Henry Wessel, Len Jenshal und vielen andern Fotografen seit den 70ern benutzt.

Eines seiner Kamera-Designs, das mein Interesse weckte, war eine 35mm-Panorama-Kamera, die eine Mittelformat-Mamiya-Linse mit einer Nikon-F-Kamera durch einen Aluminium-Adapter, den er selbst hergestellt hatte, verband.

Es war eine sehr schöne Kamera mit einem klaren, hellen Sucher, die ein 3×1″-Format auf Kleinbild-Film belichtete. Er nannte sie „Pannaroma 1X3“ nach seiner Frau Ann und stellte insgesamt 60 Exemplare davon her.

07-1668-41 © Jeffrey Ladd

1991 hatte ich das Glück, eine Kamera aus zweiter Hand etwas günstiger kaufen zu können und arbeitete zehn Jahre daran, mit ihr zu fotografieren. Obwohl es eine einfach zu bedienende Kamera war – alles war manuell einzustellen, Belichtungszeit und Blende, fokussiert wurde über die Schärfentiefe-Skala auf dem Objektiv – war das Erstellen eines schnellen Bildes mit einer einfachen Juxtaposition zweier Objekte extrem schwierig. Ich habe eine kleine Handvoll Bilder gemacht, die ich als gelungen bewerte.

Bevor ich diese Kamera hatte, fotografierte ich hauptsächlich mit einer Messsucherkamera von Leica in U-Bahnen, Nachtclubs und auf den Straßen. Mit diesem neuen Werkzeug erweiterte sich mein Interesse jedoch und schloss Landschaften, Nachbarschaften, intime Portraits meiner Beziehungen, Freunde und Familie mit ein.

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Diese Arbeit mit der Pannaroma 1X3, die hier vorgestellt wird, stellte ich später unter dem Projekt-Titel „Lay of the Land“ zusammen.

In meiner Praxis hat Fotografie weniger damit zu tun, „gute Fotos“ zu machen. Ich fotografiere stattdessen, um über das Leben und meinen Platz darin zu lernen.

Kameras sind treue Begleiter geworden und manchmal fühlen sie sich an wie eine Erweiterung meines Schreibarmes und die guten Fotos, die selten in meinen Kontaktbögen auftauchen, sind erfreuliche Nebenprodukte meiner Neugier und Ausdauer.

Während ich auf den Straßen von Manhattan fotografierte, war ich mehr an kleinen, unscheinbaren Gesten des Lebens interessiert als an den offensichtlichen Dingen wie einem dramatischen Streit auf der Straße.

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Ich bin während meiner „Karriere“ an viele unterschiedliche Themen herangegangen, jedoch stoßen immer noch die Dinge, die ich in meinem Hinterhof fotografiere, auf Resonanz.

Die Sprache, derer sich meine Fotografie bedient – schwarzweiß und im Dokumentarstil – wird sicher vielen bekannt vorkommen, die mit der Geschichte der Fotografie vertraut sind.

Ich möchte nicht das Rad neu erfinden, eher etwas über meinen Instinkt und meine Neugier herausfinden, indem ich dieselbe Sprache der Künstler benutze, zu denen ich immer wieder aufgeschaut habe, um mich zu inspirieren.

13-2008-13 © Jeffrey Ladd

Fotografie in dieser digitalen Epoche scheint so einfach: Du machst die Kamera an, richtest sie auf irgendetwas, wählst den Ausschnitt und einen Moment. Diese Aktion kann fast jeder durchführen und etwas machen, das wie ein „tolles Bild“ aussieht.

Doch die wesentlich schwierigere Aufgabe ist es, etwas zu machen, das ein Betrachter über Jahrzehnte oder ein ganzes Leben lang ansieht und das für ihn jedes Mal eine neue Entdeckung ist.

Das ist es, was mich an der Fotografie begeistert. Wie kann ich über 25 Jahre lang ein Foto von Robert Frank ansehen und es packt mich immer noch?

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Ich kann nicht denselben Witz hören, das gleiche Buch lesen oder den gleichen Film hunderte Male ansehen, ohne dass es langweilig wird. Aber manche Fotografien können mich nach Hunderten (oder vielleicht Tausenden?) Betrachtungen immer noch mitreißen und mein Verständnis von ihnen – gar vom Leben selbst – aufrütteln.

Darüber bin ich verwundert. Wie kann ich das in mit meinen eigenen Bildern erreichen, ohne auf große Theatralik oder künstlerisches, intensives „Lifting“ angewiesen zu sein?

Nach 25 Jahren bin ich aus New York weggezogen und habe eine deutsche Frau geheiratet, die meine Sehnsucht, in Europa zu leben, teilte. So zogen wir nach Köln. Mein neues Projekt dreht sich um das Erfassen der Feinheiten dessen, was es bedeutet, „zu Hause zu sein“, da ich nun mein Leben woanders führe und versuche, eine neue Sprache zu lernen.

05-1757-20 © Jeffrey Ladd

Ebenfalls entwickle ich gerade eine neue visuelle Sprache mit einer alten Mittelformat-Mamiya, mit der ich meine Wohngegend in Köln fotografiere. Und ich verstehe, dass viele Betrachter ganz anders denken werden über das, was ich an meinen Fotos als wichtig erachte. Ich respektiere das.

Meine Beziehung zur Fotografie ist von außen betrachtet vollständig undramatisch, jedoch ist sie der stärkste Leitfaden in meinem täglichen Leben und der Neugier. Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte und werde dies mein Leben lang weiter verfolgen.

Martin Gommel hat diesen Artikel für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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