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16. September 2013 Lesezeit: ~6 Minuten

Realität trifft Mysterium

1982 wurde ich in Aberdeen, Schottland, geboren, wuchs aber in der Nähe eines kleinen Dörfchens im italienischen Sardinien auf. Im Alter von fünf Jahren zog ich mit meiner Familie dorthin. Die väterliche Seite der Familie lebte in Neapel und die mütterliche Seite in Aberdeen.

Da wir nicht viele Verwandte in Sardinien hatten, fuhren meine Eltern, meine zwei Brüder und ich oft mit dem Wohnmobil zwischen Schottland und Italien hin und her. Die kulturellen Unterschiede waren faszinierend und obwohl wir immer „Familie“ besuchten, gab es etwas, was ich nicht verstand.

Die Straßen rochen andes, der alltägliche Rhythmus war unbekannt. Das Stadtleben – eine große Entdeckung. Und dann kam die Fotografie dazu.

© Lesley Ann Ercolano

Da ich noch nicht alt genug war, um mich an die Jahre vor Sardinien zu erinnern, fand ich alte Familienfotos schon immer anziehend. Ich stellte mir vor, was vor und nach dem Klick passierte. Jetzt bin ich 30 – ach halt, in ein paar Tagen 31 – Jahre alt, aber diese Familienbilder beeindrucken mich immer noch.

Und weil sich um mich herum so viel verändert, versuche ich, in diesen Bildern die Antwort darauf zu finden, wie all das um mich herum enstanden ist.

Es sind diese Gefühle, die mich die Fotografie so sehr lieben lassen. Es ist die Fähigkeit der Fotografie, mich erfahren zu lassen, was war, Geschichten zu erzählen und durch kurze Momente Gefühle, Menschen, Plätze und das Vorüberziehen der Zeit zu entdecken.

© Lesley Ann Ercolano

Ich habe ein sehr konfuses Konzept von Zeit und während ich älter werde, scheint die Zeit noch schneller zu vergehen. Ich finde es oft schwer, mich an bestimmte Momente zu erinnern und die Fotografie ist zu meinem Kalender, meinem Tagebuch geworden.

Dass ich die Zeit nur schwer festhalten kann, hängt auch damit zusammen, dass ich eine Tagträumerin bin, vielleicht sogar zu sehr. Ich glaube, dass andauerndes Tagträumen ein Art Pendant zu meiner Fotografie ist.

Realität trifft Mysterium, Wahrheit trifft Ambiguität. Die Fotografie leistet mir Gesellschaft, wenn ich allein bin und das kann mich Menschen näher bringen, die ich fotografiere. Denn: So bin ich involviert in Momente, die ich ohne Kamera nicht erlebt hätte.

© Lesley Ann Ercolano

Ich denke, dass es wichtig ist, unterschiedliche Dinge zu fotografieren, das hält die Sinne frisch. Unter den Dingen, die ich mag, sind Portraits, Landschaften, Straße und meine große Liebe: Die Tiere. Offensichtlich weiß ich recht gut, was ich nicht gern fotografiere, aber ich halte meine Augen offen für das, was mir die Welt präsentiert.

Und ich mag es nicht, an Regeln gebunden zu sein. Oft schaue ich meine Arbeit an und denke, dass ich vielleicht nicht konsistent genug bin und was das noch schlimmer macht (insbesondere in der wahnwitzigen Social-Media-Welt) ist, mit Regeln bombardiert zu werden. Jedes Genre hat da seine eigenen.

Ich habe entschieden, dass es keinen Grund gibt, auf irgendjemand zu hören, außer auf mich selbst. Ich weiß, dass ich von meinen eigenen Fehlern gelernt habe und immer noch lerne. Wenn Du engagiert bist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Du verstehst, was Du von Deiner Arbeit erwartest. Die Audienz, das Publikum, kommt meiner Meinung nach erst an zweiter Stelle.

© Lesley Ann Ercolano

Meine Bilder folgen meiner Stimmung und die ist nicht jeden Tag gleich. Das ist auf so vielen Ebenen therapeutisch und ganz oft mache ich gar keine Bilder, obwohl ich mit der Kamera unterwegs bin. Jedoch verbringe ich so den Tag damit, Menschen zu beobachten.

Menschen sind faszinierende Wesen und es geht kein Tag vorbei, an dem ich nicht etwas Neues über unsere Natur lerne, sei dies etwas Positives oder Negatives.

Obowhl ich mich nicht als Straßenfotografin bezeichnen kann, liebe ich diese Gattung der Fotografie sehr. Es ist die Straßenfotografie, die mir beigebracht hat, die Welt um mich herum zu beobachten und zu studieren und dafür bin ich sehr dankbar. Ohne die Straßenfotografie hätte ich mir niemals die Zeit dafür genommen, die kleinen Gesten, die uns zu Menschen machen, zu schätzen.

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Meine kleine Reise mit Euch hier auf kwerfeldein kommt nun zu einem Ende und ich möchte mit einen paar Worten über dieses Bild abschließen:

© Lesley Ann Ercolano

Warum möchte ich damit abschließen? Nun, es fasst zusammen, was ich an der Fotografie so liebe. Aus meiner persönlichen Sicht und der eines Betrachters.

Das Bild wurde in Aberdeen aufgenommen und zeigt meine Großmutter mit ihrer Katze „Buddy“. Und nein, das ist kein gestelltes Foto. Nachdem mein Großvater und mein Onkel (dem meine Großmutter sehr nahe stand) verstorben waren, machte sie sich zunehmend Sorgen über alles Mögliche.

Sucht sie nach ihrer Katze?

Ich hatte sie über’s Wochenende besucht und der Nachbar reinigte sein Dach von Moos. Sucht sie jetzt nach ihrer Katze? Nein, tut sie nicht, denn sie schaut nervös dabei zu, was der Nachbar gerade macht.

Dieses Bild bedeutet nicht nur mir pesönlich etwas, da es meine Großmutter und ihre Jahre der Sorge nach den Verlusten dokumentiert, sondern es erzählt auch Euch, die ihr dieses Bild seht, eine Geschichte. Ja, sie sucht ihre Katze.

Realität trifft Mysterium, Wahrheit trifft Ambiguität. Ist das nicht die Magie der Fotografie? Nun, für mich ist es das.

Dieser Artikel wurde für Euch von Martin Gommel aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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