19. Juli 2013 Lesezeit: ~8 Minuten

West Coast – Teil 1

Viele der Landschaftsfotografen, die ich am meisten bewundere, kommen aus dem Westen der USA. Das liegt vor allem an den Motiven, die ich auf ihren Fotos finde: Spektakuläre Wasserfälle, zerklüftete Küsten und märchenhafte Wälder.

Mit großen Erwartungen plante ich deshalb für dieses Jahr unsere Reise in die USA: Flug nach Seattle, dann mit dem Mietwagen die Küste entlang nach San Francisco und von dort zurück nach Deutschland. Mit den ersten Maiwochen hatten wir uns auch einen guten Zeitraum herausgesucht: Frühling, alles grün, Rhododendronblüte in Nordkalifornien. Zudem tritt der gefürchtete Küstennebel normalerweise erst in den Sommermonaten auf, aber dazu später mehr.

Unser erstes Ziel nach der Ankunft in Seattle war La Push im Olympic National Park. Zwei der beeindruckendsten Strände der Welt – der Second Beach und der Rialto Beach – waren gleich um die Ecke. Die Vorfreude während der gut fünfstündigen Autofahrt war entsprechend groß und ein blauer Himmel strahlte uns entgegen, als wir abends zum Second Beach aufbrachen.

Keine Wolke war am Himmel zu sehen. Das war zwar nicht ideal, aber bei so einer Kulisse kann man nicht meckern. Die sogenannten Sea Stacks am Second Beach bildeten gerade vor dem klaren Himmel eine wunderschöne Silhuette. Nach fast zwei Stunden am Strand ging es zufrieden zurück in unsere Unterkunft. Dabei war der Weg durch den düsteren Küstenwald etwas gruselig, zumal man im Olympic National Park auch auf Bären treffen kann und dann bei jedem Rascheln gleich genauer hinhört.

Second Beach © Michael Breitung

Second Beach Twilight © Michael Breitung

Am nächsten Morgen war er dann da, der Küstennebel. Soviel zur Wettervorhersage und zu meiner Hoffnung, dass wir im Mai noch verschont bleiben würden. Ich war trotzdem motiviert, gleich meine Kamera zu schnappen und dem Küstenwald am Second Beach noch einen Besuch abzustatten. Denn Wald und Nebel: Das passt gut zusammen.

Guardian © Michael Breitung

Und dann gibt es im Olympic National Park auch noch den berühmten Hoh-Regenwald. Beim Gedanken an nebelverhangene, moosbewachsene Ahornbäume fing mein Fotografenherz an, schneller zu schlagen. Gleich nach dem Frühstück fuhren wir los ins Inland.

Nach etwa zehn Kilometern kurz vor Forks wurde es plötzlich hell und die Temperatur stieg um 10 °C. Im Rückspiegel war alles weiß, eine kilometerhohe Nebelwand, vor uns blauer Himmel und Sonnenschein. Ich war selten so enttäuscht über schönes Wetter. Das mit dem Hoh-Regenwald konnten wir bei diesem Licht abhaken.

Wir fuhren stattdessen zum Lake Crescent und dann ins Sol Duc Valley. Bei Wasserfällen bevorzuge ich normalerweise einen bedeckten Himmel, aber es gibt immer wieder Situationen, in denen das Zusammenspiel von Licht und Wasser für magische Stimmung sorgt. Zu meinem Glück war das an diesem Tag so.

Sol Duc © Michael Breitung

Die Hoffnung, dass die Sonne den Nebel vom Morgen von der Küste verdrängt hätte, wurde leider enttäuscht, als wir abends zurückfuhren. Mit einem farbigen Sonnenuntergang sollte es an diesem Tag nichts werden.

Und der nächste Tag begann wie der vorherige mit dichtem Nebel. Wir brachen wieder zum Hoh-Regenwald auf. Dieses Mal reichte der Nebel deutlich weiter. Doch kurz vor dem Regenwald wieder das gleich Spiel wie am Tag zuvor.

Wir ließen es uns trotzdem nicht nehmen, durch die Hall of Mosses zu wandern. Aber ganz ehrlich, ich hätte mir Regen gewünscht. Es ist beeindruckend, keine Frage. Aber im gleißenden Sonnenlicht kam einfach nicht die Atmosphäre auf, die ich von Fotos kannte.

Abends versuchten wir es am Rialto Beach. Wieder nichts. Die anderen Fotografen zogen schon reichlich vor Sonnenuntergang ab und ich widmete mich nicht dem weiten Küstenpanorama, sondern einem einzelnen Stein, der vom herannahenden Wasser umspült wurde. Ohne das richtige Licht wirken selbst die spektakulärsten Landschaften aus fotografischer Sicht trist und langweilig.

Rialto Stone © Michael Breitung

Unser letzter Morgen im Olympic National Park und immer noch keine Änderung in Sicht. Heute fuhren wir weiter nach Oregon, aber vorher brachen wir ein letztes Mal zum Hoh-Regenwald auf. Und wir schienen Glück zu haben: Als wir am Parkplatz ankamen, war der Himmel bedeckt.

Wir machten uns wieder auf zur Hall of Mosses. Ein paar Fotos konnte ich auf dem Weg noch machen, dann brach die Sonne erneut durch und innerhalb von fünf Minuten war keine Wolke mehr am Himmel. Fototechnisch war es bislang alles andere als einfach.

Hoh Track © Michael Breitung

Hoh Road © Michael Breitung

Canon Beach in Oregon ist ein wunderschöner Küstenort am gleichnamigen Strand. Den ganzen Tag über während unserer Fahrt dorthin hatten wir Sonnenschein, obwohl wir die Küste entlang fuhren.

Nachmittags mussten wir nur noch vorbei an den Hügeln vom Ecola State Park und wir trauten unseren Augen kaum, als wir auf der anderen Seite wieder dichte Wolken vorfanden. Der Strand war toll, aber die Fotos, die ich seit Jahren im Kopf hatte, konnte ich auch an diesem Abend nicht machen. Am nächsten Morgen war ich schon um vier Uhr am Strand, doch erneut kein Licht in Sicht.

Kurz bevor wir später auscheckten, zeigte sich das erste Mal die Sonne. Mittlerweile wusste ich, was das bedeutet: Innerhalb von wenigen Minuten würden sich alle Wolken auflösen. Ich rannte zurück zum Strand und kam noch rechtzeitig an, um ein Postkartenfoto vom Canon Beach mit blauem Himmel, ein paar weißen Wolken und warmem Seitenlicht zu machen.

Canon Beach © Michael Breitung

Wir fuhren weiter nach Pacific City zum Kape Kiwanda State Park. In den Wintermonaten kann man hier über Felsen hereinbrechende Wellen fotografieren. Nicht aber im Mai bei Ebbe. Ich hatte deshalb ein anderes Foto geplant.

Die Flut kam genau rechtzeitig und endlich konnte ich wieder einen farbigen Sonnenuntergang fotografieren. Klar, dass ich gleich am nächsten Morgen um vier Uhr wieder aufstand, um das zu wiederholen. Doch viel konnte ich von der Küste nicht mehr sehen: Genau, der Nebel war wieder da.

Kape Kiwanda © Michael Breitung

Ein bischen war ich froh, dass wir die nächsten drei Tage fern der Küste bei Portland verbringen würden. Vielleicht würde sich in der Columbia River Gorge das Blatt ja wenden. Doch erst einmal sollten ein paar Outlets besichtigt werden. Es war also ein fotografiefreier Tag angesagt.

Dafür standen am nächsten Tag gleich drei Wasserfälle auf dem Program. Die Columbia River Gorge ist bekannt für ihre unzähligen Wasserfälle. Eine Auswahl zu treffen, war nicht einfach.

Bei ähnlichen Bedingungen wie im Sol Duc Valley brachen wir zum Wahclella-Wasserfall auf. Leider waren wir etwas spät dran und die Mittagssonne kletterte unaufhaltsam immer weiter am Himmel empor. Bald würde die Schlucht Tanner Creek komplett in hartes Licht getaucht. Wir mussten uns also etwas beeilen.

Unser Timing hätte besser nicht sein können. Wir fanden die perfekte Balance zwischen Licht und Wasser vor. Ich musste nur noch auf einen Felsen im Fluss klettern, um den richtigen Bildausschnitt zu bekommen. Schnell noch einmal in der Hektik die Kamera auf die Felsen geworfen und dann über einen glitschigen Baumstamm rüber zum Felsen. Die Kamera hat es glücklicherweise überlebt und ich konnte es auch vermeiden, in den Fluß zu fallen.

Wahclella © Michael Breitung

Nach dem Schrecken mit der Kamera und den darauffolgenden Minuten im Fotografenhimmel, war ich wieder positiv gestimmt. Vergessen war der Küstennebel und ich freute mich auf die weiteren Wasserfälle der Gorge. Davon, von den Redwoods, der kalifornischen Küste und San Francisco berichte ich dann in Teil 2 dieses Reiseberichts.

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