10. Juli 2013 Lesezeit: ~5 Minuten

Uhus – Heimliche Nachtjäger

Es ist ein schrecklich-schönes Schaudern, das mich überfällt, als ich wieder den Ruf von der gegenüberliegen Felswand höre. Seit einigen Stunden sitze ich nun bereits im Steinbruch und warte auf den Einbruch der Nacht. Während der Mond am dunkelblauen Nachthimmel aufgeht, höre ich immer wieder den weit entfernten Ruf des Männchens.

Ein dumpfes, abfallendes „Uuuhhhouu“ durchdringt das Tal. Nicht laut, eher stumpf, aber man hört es bis zu vier Kilometer weit. Der Nachwuchs hat sich bereits in seine Höhle zurückgezogen, als ein dunkler Schatten durch die Dunkelheit streift: Das Weibchen hat Beute gemacht. Lautes Betteln der Jungvögel zerreißt die Stille des nächtlichen Steinbruchs. Die Rede ist vom Uhu, der größten Eule der Welt.

Stativ mit Kamera © Kevin Winterhoff

Uhus aus dem Steinbruch

Der Uhu nimmt mich seit Jahren gefangen. Ich kann nicht anders als die mir bekannten Brutplätze jedes Jahr zu kontrollieren. An einem alten, sehr erfolgreichen Brutplatz in einem Steinbruch brüten sie auch dieses Jahr wieder. Drei kräftige Junge schauen aus der Felswand herunter und rufen mit ihrem heiseren Krächzen nach Futter. Sie animieren die Mutter damit zur Futtersuche und es dauert auch nicht lange, bis das Weibchen aus ihrem Tageseinstand abstreicht und in die Nacht fliegt.

Uhus © Kevin Winterhoff

Die Geschichte der Uhus

Uhus sind beeindruckende Vögel. Allein ihre Maße sind respekteinflößend: Eine Flügelspannweite bis zu 170 cm, bis zu 3,2 kg Eigengewicht und eine Körperlänge von fast 70 cm. Der Uhu ist die größte heute lebende Eulenart.

Viele Fotografen machen sich auf lange Reisen, um Sumpfohreulen, Schneeeulen oder Bartkäuze zu fotografieren. Auch ich würde dies sehr gern tun, aber mein Herz hängt an den Uhus. Keine Eule ist ihr gleich, weder in Abmaß, noch in Kraft.

Auch ihr Aussehen ist unverwechselbar: Die langen Federohren verbunden mit der Größe lassen keinen Zweifel aufkommen.

Uhu in Nahaufnahme © Kevin Winterhoff

Uhus waren nicht immer willkommen in unserem Land. In den 1950er Jahren waren die größten Eulen der Welt fast ausgerottet. Starke Verfolgung führte dazu, dass lediglich im Elbsandsteingebirge einige Exemplare überlebten.

Eulen haben von jeher einen schlechten Ruf, werden sie doch mit Tod und Unglück in Verbindung gebracht. Der Aberglaube, der um die Eulen kreiste, machte auch vor der sogenannten Adlereule nicht halt. Man jagte sie, stellte ihr nach, räumte ihre Horste aus und sorgte so für das beinahe Aussterben dieser beeindruckenden Vogelart.

Heute erklingt das einst so vertraute Rufen der Adlereule wieder in vielen Steinbrüchen Deutschlands. Der Uhu hat seinen Weg in die Natur zurückgefunden, Dank vieler Naturschützer und Auswilderungen. Die Natur musste sich auf sein Zurückkehren erst wieder einstellen.

Seine Beute, vor allem Igel und Ratten, gern aber auch andere Eulen, mussten erst wieder verstehen lernen, was es heißt, einen Uhu im Revier zu haben. Denn der Uhu ist ein gewaltiger Nachtjäger mit Krallen, die nicht loslassen, haben sie denn einmal zugeschlagen.

Uhu-Silhouette © Kevin WinterhoffDrei Uhus © Kevin Winterhoff

Jungenaufzucht im Steinbruch

Die zumeist erfolgreiche Jagd macht sich natürlich auch in der Kinderstube der Uhus bemerkbar. Im Steinbruch sind die Junguhus nun bereits einige Monate alt, gut genährt und bereits flugfähig. Dennoch verbleiben sie in der Nähe der Geburtsstätte.

Flugversuche werden ab Ende Mai unternommen, dabei verändert sich ihr Gefieder und unter dem Flaumfedern sprießen erste Anzeichen des „Erwachsenwerdens“. Das Betteln gegenüber den Eltern wird nun immer heftiger.

Heisere Krächzrufe schallen der Mutter entgegen, was sie zum Jagdflug animiert. Bei meinen Uhus war es dabei meist so, dass vor allem das Weibchen das Futter herbeischaffte.

Das Männchen saß, im Denken, seine Pflicht vor einigen Monaten bereits getan zu haben, zumeist auf einem Ast hoch im Steinbruch und schaute dem regen Treiben seiner Nachkommen zu. Im Spätsommer wird er seine eigene Brut aus dem Revier der Eltern verjagen, so wie es bei großen Greifvögeln üblich ist.

Die Kleinen werden ihren eigenen Weg gehen müssen, was sie auch tun. Junguhus wurden bereits Hunderte von Kilometern entfernt von ihrem Geburtsort wieder gefunden, was dafür spricht, dass sie durchaus in der Lage sind, auf der Suche nach eigenen Revieren auch längere Strecken zurückzulegen.

Uhu © Kevin Winterhoff

Wenn die Jungen verschwunden sind, beginnt für die Eltern die Herbstbalz. Wenn das Männchen zu Beginn der Jungenaufzucht das Revier verlassen haben sollte, was durchaus vorkommt, findet sich mitunter auch ein neues Männchen und damit Pärchen ein.

Bleibt das Männchen, stärkt die Herbstbalz die Bindung zum Partner. Diese Herbstbalz kann bis ins Frühjahr hinein dauern, wenn kein harter Wintereinbruch dies verhindert.

Dann kommt das Pärchen erneut zusammen und mit ein bisschen Glück schauen dann nach einigen Wochen wieder junge Uhus aus dem Steinbruch auf ihre Welt.

Uhu mit geschlossenen Augen © Kevin Winterhoff

Es ist ein Genuss, den jungen Uhus bei ihrem Aufwachsen zuzusehen. Wer es einmal gesehen hat, diesen jugendlichen Spieltrieb, das Interesse an allem Neuen und dieses lustige rhythmische Wackeln mit dem Kopf, der wird genau wie ich auch jedes Jahr rausgehen und wieder nach unseren größten heimischen Eulen Ausschau halten.

Überall in Deutschland klingt es endlich wieder aus Wäldern, Steinbrüchen und alten Ruinen hervor, das namensgebende „Uuuhuuu“.

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