26. Juni 2013 Lesezeit: ~8 Minuten

Das ist Patagonien

Gletscher, die eisblaue Seen speisen, raue Berge, die steil in die Höhe ragen und weite Landschaften voller Flora und Fauna. Das ist Patagonien. Im Süden von Argentinien und Chile liegend, ist es für mich eines der landschaftlich beeindruckendsten Gebiete dieser Erde. Im Rahmen meiner einjährigen Weltreise bat sich mir die Möglichkeit, dieses Naturjuwel per pedes zu erkunden.


El Calafate war der Ausgangspunkt für die Reise durch Patagonien. Von hier aus ging es ins ewige Eis, zum Gletscher Perito Moreno. Er zählt zu den größten Touristenattraktionen in Argentinien.

Dies ist auch begründet: Das laute Knacken des Eises, wenn der Gletscher kalbt, die schiere Größe und der Kontrast zwischen den dunklen Bergen und der gleißend hellen Gletscherzunge mit ihren schroffen Eisformationen sind atemberaubend. 



Patagonien: Perito Moreno Gletscher © Helmut Steiner

Nachdem ich in Bolivien bereits Erfahrungen mit Eisklettern und dem Umgang mit Steigeisen bei der Besteigung des Huayna Potosi (6088 Meter) sammelte, stellte die Wanderung keine große Herausforderung dar. Unser Guide Leonardo, selbst Hobbyfotograf und Everestbesteiger, war eine große Hilfe. Wir fingen an, über das Bergsteigen, Fotografieren und das Leben in Patagonien zu philosophieren.

Dank des guten Verhältnisses war es auch kein Problem, mich weiter von der Gruppe zu entfernen als üblich, um Fotos des Gletschers und eine Zeitraffer-Aufnahme zu machen. Ein kleiner Tipp von Leonardo: Wer sich rechtzeitig eine Bewilligung beim zuständigen Ministerium holt, kann auch ohne Touranbieter auf die eisige Gletscherzunge und spart so viel Geld.


Nach fast einer Woche Dauerregens hielt ich es nicht mehr im Hostel aus und fuhr nach Chaltén, wo das Wetter erfahrungsgemäß immer eine Spur schlechter ist als in El Calafate. Der Gipfel des Mount Fitz Roy lag tief in den Wolken. Einen Blick auf seine Silhouette zu erhaschen, war schon das höchste der Gefühle.

Patagonien: Mount Fitz Roy Trail © Helmut Steiner

Patagonien: Mount Fitz Roy Trail © Helmut Steiner

Während der Wanderung zu dessen Fuße lernte ich Nico, einen jungen deutschen Studenten kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb und verabredeten uns, gemeinsam den W-Trek im Torres del Paine Nationalpark, Chile, zu gehen. Die Rundtour war auf Grund der Schneemassen auf der Nordseite des Parks noch nicht freigegeben und unpassierbar.

Gemeinsam konnten wir uns nicht nur die Ausrüstung (Zelt, Gaskocher, …), sondern auch die Mietkosten und vor allem das Gewicht beim Wandern teilen.

Patagonien: Mount Fitz Roy Trail © Helmut Steiner

„Don’t ask us about the weather. We don’t know it. This is Patagonia!“ Diese Worte, die bei einer Rangerstation zu lesen waren, beschreiben das Wetterphänomen im Nationalpark Torres del Paine wohl am besten.

Ob Schneetreiben, Regen, Hagel oder Sonnenschein – alle fünf Minuten wechselten die Bedingungen. Auf der Westseite des Parks herrscht ein unberechenbares Mikroklima, das durch das Meer im Westen und die Bergformation im Osten entsteht.

Die einzige Konstante war der extrem starke Wind, der uns den Niederschlag waagrecht ins Gesicht blies. Dank der Orkanböen waren auch meine Versuche, brauchbare Zeitrafferaufnahmen zu machen, von Misserfolg gekrönt.

Mein Gorillapod, den ich zwischen Felsen einklemmte, konnte die Kamera nicht stabilisieren. Auch der Versuch, sie am schweren Rucksack festzuschnallen, blieb ohne Erfolg, da der Wind an der erhöhten Position am Felsen den gesamten Rucksack bewegte.

Patagonien: Torres del Paine, Gletschersee © Helmut Steiner

Mit gefrorenen Fingern und unverrichteter Dinge kehrten wir nach über einer Stunde zurück in unser Zelt. Ein heißer Tee mit Rum und eine kleine Kerze im Zelt halfen Wunder …



Es wurde eine stürmische Nacht inmitten der wir unsanft geweckt wurden. Schreie und das Licht von Taschenlampen durchbrachen die Nachtruhe.

Das Zelt unserer Nachbarn war vom Wind abgerissen und komplett zerstört worden, während sie darin schliefen. Zum Glück handelte es sich um eine größere Reisegruppe. So fanden sie rasch Unterschlupf bei ihren Freunden.

 Die beste heiße Schokolade hatten wir am folgenden Tag.

Nicht, weil der Kakao aus dem Automaten besonders gut schmeckte, sondern weil sie ein Dankesgeschenk einer älteren Dame war:
 Der Wind war über Nacht noch stärker geworden und hatte nun Spitzen von bis zu 120km/h erreicht.

An einem besonders exponierten Hügel, der am Rückweg des ersten Tagesmarsches lag, saß Marguerite mit ihren beiden Rucksäcken und konnte nicht voran. Wir passierten den Hügel, Nico bewachte unser Gepäck und ich lief gegen den Sturm zurück zu Marguerite.

Das Laufen gegen den Wind ähnelte jedoch mehr einem Stillstand. Endlich bei ihr angekommen, nahm ich das Gepäck und wir machten uns Schritt für Schritt gemeinsam auf den Rückweg. Als wir Nico erreichten, teilten wir die Rucksäcke auf und begleiteten Marguerite zur nächsten Schutzhütte ins Tal.


Hütte ist etwas untertrieben. Die Unterkünfte im Nationalpark ähneln eher voll ausgebauten Hotels: Samt Bar, Speisesaal und jeglichem Komfort, den man sich denken kann.

Dieser Komfort hat jedoch seinen Preis und da man auf einer langen Reise aufs Geld schauen muss, konnten wir uns diesen Luxus nicht gönnen. Marguerite lud uns als Dank für unsere Hilfe auf die besagte heiße Schokolade ein.

Lange konnten wir jedoch nicht verweilen, da wir noch etliche Kilometer Fußmarsch vor uns hatten, um zur nächsten Station zu kommen.

Bei einem See erlebten wir ein besonderes Naturspektakel. Windhosen tanzten meterhoch auf der Wasseroberfläche. Das aufgewirbelte Wasser reflektierte und brach die Sonnenstrahlen, was wiederum Regenbögen inmitten der Windhosen erzeugte. Ein beeindruckendes Schauspiel.


In den folgenden Tagen änderte sich das Wetter schlagartig. Wo wir zuvor noch dick eingepackt im regenfesten Wintergewand unterwegs waren, liefen wir nun in T-Shirts. Die Waldidylle im Tal wurde immer wieder von lautem Grollen unterbrochen. Der Sonnenschein ließ den Schnee auf den Gipfeln schmelzen und löste Lawinen aus.

Diese Naturgewalt live mitzuerleben, war faszinierend und respekteinflößend zugleich. Wir gönnten uns immer wieder Pausen, um das herrliche Wetter zu genießen.

Patagonien: Torres del Paine © Helmut Steiner

Patagonien: Torres del Paine © Helmut Steiner

Nico war ein äußerst geduldiger Reisebegleiter und ich bin ihm zu tiefstem Dank verpflichtet. Wer schon einmal mit einem Fotografen unterwegs war, weiß, wovon ich spreche. Ich blieb ständig stehen, um Panoramen zu schießen. Bei 360°-Aufnahmen mit jeweils um die 60 Fotos kann das schon etwas dauern.


Patagonien: Torres del Paine © Helmut Steiner


Am letzten Tag ging es früh morgens hoch zu den Torres del Paine („Türme des Schmerzes“), die dem Nationalpark seinen Namen geben. Das erste Sonnenlicht am Morgen lässt diese steile Felsformation in orange-rotem Licht erstrahlen. Ein herrlicher Anblick und jegliche Anstrengung wert.


Patagonien: Torres del Paine © Helmut SteinerStitched Panorama

Der technische Teil

Ich arbeitete fast ausschließlich im manuellen Modus. Bei den Panoramen wählte ich den Fokus vor aus und passte die Belichtung an die hellsten Teile des Bildausschnittes an (Histogramm beachten), um keine Spitzlichter in den Wolken oder im Schnee zu haben. Die Panoramen wurden freihändig aufgenommen, ohne Stativ, da dies auf einer einjährigen Reise doch etwas unhandlich ist.

Mittlerweile sind Stitching-Programme dermaßen ausgereift, dass das automatische Zusammensetzen der Bilder auch so sehr gute Ergebnisse liefert. 
Autopano Pro/Giga von Kolor ist hier wohl eines der besten Tools am Markt.

Im Gegensatz zu Photoshop ist mit ihm auch das Erstellen von 360°-Panoramen möglich, ganz abgesehen von der Live-Vorschau und vielen weiteren nützlichen Hilfsmitteln. Die weitere Bearbeitung der Fotos geschah fast ausschließlich in Lightroom. Ganz selten musste ich auf Photoshop zurückgreifen.

Bei einigen meiner Bilder kann man (zurecht) sagen, dass sie überzeichnet und stark bearbeitet sind. Dies ist jedoch von mir bewusst so geschehen, da ich meine Gefühle und das Erlebte damit widerspiegeln möchte.

Der hohe Kontrast ist Ausdruck für das unwirtliche Wetter und den orkanartigen Wind, der uns ständig ins Gesicht peitschte und das Vorankommen teils zur Herausforderung, teils zur Qual machte.


Patagonien: Torres del Paine, Flussbett © Helmut Steiner


Ein großes Dankeschön geht an die Familie Albornoz Mansilla in Puerto Natales, bei der Nico und ich für über eine Woche couchsurften. Es war eine herrliche Zeit und ich danke allen, die diese Reise so besonders gemacht haben.

Ähnliche Artikel