28. Mai 2013 Lesezeit: ~6 Minuten

Das ultimative Foto

Wer sich noch in den Anfängen des Fotografierens befindet und voller Elan bei der Sache ist, freut sich natürlich über positives Feedback. Über Kritik kann man sich auch freuen, aber nur mit zusammengekniffenen Arschbacken und viel Idealismus. Doch es kann passieren, dass Mann oder Frau zum Spielball der Kritiker wird. Dem möchte ich heute etwas entgegensetzen.

Leser, die hier auf kwerfeldein aufmerksam mitlesen, werden es schon längst bemerkt haben: Es gibt eigentlich fast keinen einzigen Artikel, bei dem nicht irgendein Leser über irgendein Foto – oder gar den ganzen Stil der Bilder – Unmut äußert.

Hier ein paar Auszüge:

ich weiss nicht – die bilder sind alle sehr dekorativ. aber für mich haben solche montagen auch immer etwas kitschiges.

Mir fehlen raffinierte Schnitte, oder mal eine schöne Formen Zusammenstellung/Muster. Wie gesagt bei den großen Blättern ist schon ein Anfang zu sehen.

Dennoch kann ich den Bilder nicht viel abgewinnen. Die technische Umsetzung gefällt mir nicht, die inhaltliche schon eher (aber mir fehlt das gewisse “Etwas”).

Ich kann mich anderen Kommentaren anschließen: diesen Stil mag man oder auch nicht. Immerhin deckt die Fotografie ein weites Spektrum ab. Die Strukturen bzw. die Darstellung wirkt mir zu gerade, zu linear und leblos.

Leider kann ich weder mit den hier gezeigten Fotos noch mit der angewandten Technik was anfangen. (…) Des Weiteren bin ich immer wieder darüber erstaunt, welche Fotos als toll, stark, grandios, Kunst usw… bezeichnet werden, lediglich aufgrund der eingesetzten Technik.

Das gefühlt 1000ste Holi-Foto von Hinten in den vergangenen Wochen und dann auch noch das Schulterblickhandyklischee…

Mir fehlt dazu – für Doppelbelichtungen – einfach die Phantasie! Ich schaue es mir aber gerne an…

Hat halt, in meinen Augen, leider nichts mit Fotografie zu tun.

Das ist mal wieder nicht meine Welt. Ich brauche immer etwas Greifbares…

Fotografische Selbstbefriedigung mit super gut gemachten Fotos finde ich mehr als überflüssig.

(…) Zudem haben die Bilder weder eine Handschrift – sie sind beinahe beliebig, noch einen einheitlichen Stil.

Von den Bildern her hätte man sicherlich mehr daraus machen können. Aber ob man das muss, ist eine andere Sache.

Beim Lesen der – bewusst aus dem Kontext gerissenen – Kritiken scheinen diese austauschbar und irgendwie… nichtssagend. Die meisten nichtspezifischen könnte ich, wenn ich wollte, unter jeden Artikel setzen, ohne dass dies auffallen würde. Das hängt natürlich damit zusammen, dass Kritiken immer persönlichen Eindrücken unterliegen.

Und damit sind wir schon beim nächsten Punkt: Kritiken wirken oft stärker als reines Lob. Wer einmal aufmerksam Kommentarstränge in solchen Blogs verfolgt, in denen Kommentare mit dem Daumen nach oben gevotet werden können, wird sehen, dass meist diejenigen ganz oben sind, die irgendetwas bemängeln. Dabei haben die Kommentatoren häufig nicht ganz unrecht.

Jedoch ist dieser Vorgang auch auf Blogs – wie diesem Magazin – zu erkennen. Spätestens nach dem achten oder neunten „Super!“-Kommentar findet irgendein Fuchs etwas, was ihm oder ihr nicht passt. Dieser Kommentar wiederum bekommt dann viel Zuspuch und sei es nur mit einem billigen „+1“ oder „Du sprichst mir aus der Seeeeeele!“.

Dabei wirken Kritiken oft nur besonders reflektiert, schlau oder größer als andere, weil sie einfach dagegen und somit die Punks unter den Kirchenchorknaben auf der Fußgängerzone der Blogkommentare sind. Jedoch: Nur, weil ein Kommentar kritisch ist, ist er nicht automatisch mehr wert als ein nicht-kritisierender. Auch, wenn das auf den ersten Blick so wirkt.

Des Weiteren sei zu bedenken, dass eine Kritik nicht automatisch „im Recht“ ist, nur weil sie eine Kritik ist. Sie ist im Gegenzug auch nicht automatisch falsch. Sie ist, genauso wie ein Lob, Ausdruck persönlicher Eindrücke. Nicht mehr und auch nicht weniger.

~

In jungen (Foto-)Jahren kann es passieren, dass gerade Kritiken besonders weh tun, gerade weil die Identifikation mit den eigenen Werken enorm hoch ist und niemand sich anhören will, dass die Fotos „eigentlich für die Tonne“ sind. Verständlich.

Und so kann eine weitere Folge sein, dass man nur noch Fotos machen will, an denen es nichts mehr zu bemäkeln gibt. Fotos, die durch und durch so perfekt sind, dass es dabei allen die Sprache verschlägt und auch der kleinlichste Troll nichts anderes als „WAHNSINN“ herausposaunen muss oder es zumindest nichts mehr zu kritisieren gibt.

Jedoch gibt es diese Bilder nicht. Es wird immer jemanden geben, der irgendetwas an unseren Fotos beliebig, kitschig oder trivial findet. Immer. Das ultimative Foto gibt es nicht.

Jedoch möchte ich Kritiker an sich gar nicht per se ins schlechte Licht stellen. Oft liegen sie mit ihren Worten genau richtig. Nur, was ist die Folge davon?

Ein Beispiel: Ich zeige ein paar Blumenfotos. Stellt sie Euch einfach vor. Kritiker A sagt, sie wären ihm zu bunt und das Bokeh könnte auch cremiger sein. Bei längerem Nachdenken darüber merke ich: Hm, stimmt. Kritiker B sagt, dass die Bildkompositionen in sich nicht einheitlich sind. Ich schaue mir die Fotos an und, ja, stimmt auch. Kritiker C findet, dass bei drei der sieben Fotos nicht die gleiche Ästhetik zu spüren sei. Ich überprüfe das und, och, mjoa, mag auch korrekt sein.

Nur: Bin ich verpflichtet, nur weil alle „recht“ haben, ihnen dieses einzuräumen? Muss ich jetzt meinen Stil der Kritik anpassen? Ich sage: Bullshit.

Denn die Gefahr an der Kritik liegt darin, dass sie überbewertet wird. Denn eins ist sicher: Dann, wenn ich mir alle Kritik zu Herzen genommen und die Blumenfotos noch einmal gemacht habe, finden sich wieder irgendwelche Leute ein, denen „das gewisse Etwas“ fehlt. Ah! War es vielleicht das, was sie bei der ersten Version sahen?

Wirsteverrückt.

Und deshalb möchte ich heute all diejenigen ermutigen, die sich manchmal vor lauter Kritik erschlagen fühlen und manchmal gar nicht mehr wissen, auf wen oder was sie hören sollen. Hört auf Euer Herz und folgt ihm. Scheißegal, was die Leute rumkritteln. Denn das ultimative Foto gibt’s nicht.

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