30. Januar 2013 Lesezeit: ~4 Minuten

FENSTER61

Es ist nasskalt in der Torstraße in Berlin-Mitte. Menschen drängeln sich an mir vorbei und ich halte Ausschau nach dem FENSTER61. Auf seiner Webseite stellt es sich als Ausstellungsort vor, dem ich nun gern einen Besuch abstatten möchte.

Was ich sehe, ist ein mintgrün eingefasstes Schaufenster, an dem von innen drei quadratische Bilder nebeneinander befestigt sind. Wer hier vorbeikommt, meint zunächst, einen leerstehenden Laden vorzufinden, wie es früher in dieser Gegend ganz üblich war. Und um es nicht allzu trist aussehen zu lassen, wurde das Schaufenster mit großformatigen Bildern dekoriert. Die Tür zum Laden ist verschlossen.

Dahinter steckt allerdings System. Seit Oktober 2005 werden, wie man auf der Webpräsenz lesen kann, monatlich wechselnde Ausstellungen präsentiert. Das Wort „Ausstellung“ lässt erst einmal mehr vermuten und doch kann man den Raum hinter dem Fenster nicht betreten. Das Fenster selbst ist der Ausstellungsort. Eben ein Schaufenster.

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Aus: „Briefe aus Berlin“ von Gino Puddu, 16. Januar – 12. März 2013

Die Arbeiten, die hier präsentiert werden, setzen sich „mehr oder weniger stark mit Berlin auseinander“. Das Angenehme an solch einem Konzept ist: Keine Öffnungszeiten, keine hübschen und kreativen Menschen an Laptops, die einen beim Betrachten der Bilder beobachten, keine großen Kosten.

Die Anzahl der Bilder variiert, es ist keine feste Zahl vorgegeben – nur der Platz: 2×2 Meter stehen zur Verfügung. Derzeit sieht man hier großformatige Bilder des italienischen Fotografen Gino Puddu. Sie sind Antworten auf fiktive Fragen eines Freundes. Wenn ich ehrlich bin, nicht ganz meins und der Zugang fehlt mir, erst der dazugehörige Text auf der Seite lässt mich da ein bisschen mehr sehen und verstehen.

Auf die demnächst folgende Ausstellung von Frank Machalowski mit dem Titel „Monster“ freue ich mich dagegen sehr. Denn im Pressetext dazu heißt es:

In Frank Machalowskis Langzeitbelichtungen aus den Jahren 2011 und 2012 werden die durch die Straßen strömenden Menschen als geisterhafte Bewegungsspuren einer Masse sichtbar, erscheinen fast bedrohlich, als gesichtsloses Monster, das sich den Weg durch die Stadt bahnt. Die Grenze zwischen dem Monströsen und Humanen verschwindet im Nebel der Bewegung

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Aus: „Monster“ von Frank Machalowski, 13. März – 14. Mai 2013

Wer mehr über die jeweilige Ausstellung wissen möchte, der besucht einfach die Webpräsenz von FENSTER61. Die Seite sieht sich als Archiv, in dem die Geschichten und Bilder der Stadt gesammelt werden.

So ist die Seite auch Archiv einer Stadt und ihrer Menschen, in der man allerlei kleine und große Geschichten entdecken kann. Wie beispielsweise die des Fotografen Frank Schirrmeister, der in seiner Serie „Sonntags in Berlin“ Nebenschauplätze besucht hat und dabei Parallelwelten zeigt, die dem hiesigen Berlinbesucher sicher verborgen bleiben.

Oder die Dokumentation des niederländischen Fotografen Michel Meijer, der im Februar 2003 jeden Tag ein Bild vom Kino „Durchfenster“ machte. Ein Kino in Friedrichshain, das tatsächlich nur durch ein Fenster betreten werden kann, von Freiweilligen betrieben wird und jeden Tag einen anderen Film zeigt.

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Aus: „Beside me“, Irinadabo, 15. Mai – 16. Juli 2013

Aber am besten ist es, Ihr begebt Euch nun selbst auf Entdeckungsreise durch das Archiv. Und wenn Ihr eine Geschichte aus Berlin auf dem Rechner oder in Negativordnern liegen habt, dann stellt dem Team von FENSTER61 diese doch einmal vor. Vielleicht habt Ihr Glück und andere Berlinbesucher können bald Eure Geschichten in der Torstrasse sehen.

Ganz oben: Das FENSTER61, hier auf Fotos von Oliver Gerhartz. Danke!

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