09. Januar 2013 Lesezeit: ~4 Minuten

Pervers

Es ist noch gar nicht lange her, da traf ich mich mit Fotografen, die regelmäßig Workshops geben auf einen Drink. Ein Modell war noch anwesend und als dieses sich verabschiedet hatte, wurde – vielleicht durch den Alkohol verstärkt – Folgendes zum Besten gegeben:

„Die Hure würd‘ ich gern ficken. Mann, bin ich geil.“

Und das ist genau das, was gesagt wurde. Ich übertreibe nicht. Alle nickten oder lachten. Nur ich saß mit einem kalten Schauer im Nacken da und konnte den Witz nicht teilen.

Überrascht war ich jedoch keinesfalls. Denn es war und ist für mich kein Einzelfall, dass in diversen Kreisen die Frau sexualisiert und auf den Geschlechtsakt reduziert wird. Interessant finde ich, dass dies auch in der Bildsprache bestimmter Fotografen zum Tragen kommt.

Und an dieser Stelle möchte ich nochmal ansetzen, obwohl ich hier vor Jahren schon einmal darüber schrieb. Denn es gibt heute wie gestern genügend Menschen da draußen, die exakt diese Bildsprache beeindruckend finden. Menschen, die mit dem Fotografieren beginnen und vielleicht sogar zu den Lesern dieses Magazins gehören.

Und dieser Nachfrage wird auch entgegengekommen. Täglich gibt es zur Thematik Studio-Workshops, Trainings und Buchmaterial en masse. Natürlich wird nicht so offen wie in der Trinkrunde gesagt, was erreicht werden will. Das gehört quasi schon dazu.

Und das ist es, was mich ein wenig besorgt. Dass der Porno-Stil mittlerweile salonfähig ist und von der breiten Masse als Teil der Fotografie akzeptiert ist. Auch von großen Verlagen und Unternehmen, denn: Das verkauft sich gut.

Stringtangabekleidete Mädels auf der Harley, angeblitzt aus allen Himmelsrichtungen, bunt geschminkt und von einem Riesenventilator angefönt, sprechen hier Bände über das Weltbild der Produzierenden und sind keine Ausnahme.

Was mich nachdenklich stimmt, ist, dass diese Art sexistischer BILD-Sprache eigentlich nirgendwo hinterfragt wird. Ich habe bis heute keinen einzigen Artikel dazu gelesen, der den ganzen Schlammassel kritisch hinterfragt. Und ich meine nicht feministische, sondern im speziellen fotografische Publikationen.

Wir regen uns über alles auf und diskutieren uns tot darüber, ob die Visa nun gut gearbeitet hat, ob die Softboxen das Streiflicht im richtigen Winkel erzeugen und ob nicht besser mit einer Hassi statt einer 5D Mark II fotografiert werden sollte. Aber der Mensch an sich und seine Darstellung ist keine grunsätzliche, tiefere Erhebung wert. Warum? Traut sich niemand? Ist es uns zu mühsam? Egal? Haben wir uns dran gewöhnt?

Ich möchte diesen Umstand nicht akzeptieren. Dabei bilde ich mir nicht ein, diese Bewegung aufhalten zu können, ganz sicher nicht. Aber ich möchte mein Möglichstes tun und spreche seit Monaten diese Dinge an, wenn ich mich damit konfrontiert sehe.

Ich besuche des Weiteren keine Veranstaltungen, Workshops oder gar Foto-Webseiten mehr, die sexistische Darstellung von Menschen unterstützen. Im Übrigen ist das für mich einer von vielen Gründen, nicht auf die Photokina zu gehen und mit bestimmten Unternehmen die Zusammenarbeit nicht fortzuführen.

Außerdem werde ich das Thema immer dann auch im persönlichen Rahmen aufziehen. Und ich weiß, dass ich damit Augenbrauenzucken „echter Männer“ auf mich ziehe und der Verdacht besteht, dass ich ein konservativer Spießer sei. Dies ist mir jedoch herzlich egal, das sei an dieser Stelle unterstrichen.

Dieser Artikel mag ein kleiner Anstoss in eine Richtung sein, die ich unterstützen möchte. Hin zu achtsamer, respektvoller und menschlicher Fotografie, die es nicht nötig hat, Menschen zum homo ex machina zu machen und sie so zeigt, dass sie nicht zum Objekt egoistischer Befriedigung dienen.

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Das Titelbild hat uns Grit Siwonia zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!