11. Dezember 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Analoge Alltagsromantik

Philipp Bartz, 23 Jahre alt, studiert an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin und arbeitet nebenher als Grafik- und Webdesigner. Ein stiller Mensch mit wachem Blick. Zurückhaltend und dann doch zu begeistern.

Es kommt ein Thema und schon schnellt er vor, greift sich den Moment mit der Zunge. Ja, es sind die Momente, mit denen hat es angefangen, die im Alltag, die Menschen im Alltag und deren Alltag. Irgendwann kaufte er sich eine Kamera, dann zwei. Sowohl analog als auch digital wurden seine Eindrücke nun verpackt.

Er ist genau und möchte die Dinge abschließen, zumindest das Gefühl haben, sie seien abgeschlossen. Ein ganzheitliches Bild, das braucht er. Auch als Basis. So entschied er sich irgendwann, sein digitales Equipment zu verkaufen und in Zukunft ausschließlich analog zu arbeiten.

Vorher schon begann er neben dem Einfangen von Momenten, Bilder, Motive zu inszenieren. Er fotografierte Modelle, Menschen, die er dann irgendwann besser kannte oder die einfach fremd blieben.

Wenn ich die Bilder von Philipp anschaue, begegne ich der Verletzlichkeit. Konturen, Kontraste, Schatten und Schimmer. Zerbrechlichkeiten. Zerbrechliche Frauen, offensiv, verletzt und bereit. Dunkle Haare wie ein Vorhang, der die Fenster der Seele bedeckt.

Da ist Vergänglichkeit und entjungferte Jungfräulichkeit. Junge, zaghafte Erotik, wie wir ihr so oft begegnen in der analogen Alltagsromantik und ich für meinen Teil doch immer wieder gern versinke in den Körperlandschaften.

Vorsichtig umschließt das inszenierte Bild eine heimliche Wahrheit. Ich frage mich, ob die Inszenierung eines Fotos nicht parallel die eigentliche Wahrheit bedeutet. Ist das Motiv doch ein Spiegel dessen, was wir uns vielleicht wünschen, auf andere übertragen und wie so oft die Kunst dafür gebrauchen, uns ein bisschen zu verwirklichen.

Zur analogen Fotografie gehört auch das selbst Entwickeln. Und sei es auch auf dem eigenen Sofa. So wie es Philipp manchmal mit seinen Negativen macht. In den Räumen der Schule entwicklen zu können ist ein großes Glück. Zu Hause das eigene Labor zu haben, ein Traum, schwärmen wir gemeinsam.

Eine Ausbildung zum Fotografen ist vielleicht nicht das Wichtigste oder eine Bedingung für ein erfülltes Schaffen, kann aber eine Hilfe sein, vor allem, was technische Fragen betrifft. Philipp lebt in einer WG, Tür an Tür mit zwei weiteren jungen Fotografen. Sie sind Mitbewohner, stille Kollegen, Kritiker und Inspirationsquellen aus welchen es freundschaftlich sprudelt. Gemeinsam haben sie einen Fotoblog.

Während Philipp mir von seinen fotografierenden Mitbewohnern berichtet, denke ich an all die Faktoren, die das Gerüst bilden, selbstständig fotografisch tätig zu sein. Wieviel Kreativität, Organisation und Mut dazu gehört.

Wie ungleich lang jeder einzelne Weg von der Idee bis hin zum Bild ist und wie sehr es jedem etwas anderes bedeutet. Und wieder frage ich mich, ob ein Foto nicht eine tiefe Sehnsucht danach ist, etwas von dem zu sein, was man meint, dahinter zu sehen; was man sich erhofft, eingefangen zu haben.

Philipp möchte sich Neuem zuwenden. Das inszenierte Motiv ist aus seinem Fokus gerückt. Manchmal müssen Fotos anfangen, neu zu atmen, sich anders lebendig zu machen und der Fotograf einen Weg finden, dass das Foto von allein auf sich aufmerksam macht.

Ich bin für jeden Menschen, den ich treffe dankbar, der sich auf diesen Weg begibt und mit mir ein bisschen seiner Sichtweise auf die Dinge und durch die Linse teilt. In diesem Sinne: Danke, Philipp!

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