02. November 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

Zwischen Bunkern und Blindgängern

Wilde Tiere in fernen Ländern abzulichten, das verbinden viele mit dem Thema Naturfotografie. Für mich bedeutet sie jedoch vor allem, die Natur vor der eigenen Haustür und in der näheren Umgebung zu entdecken und festzuhalten.

Aufgewachsen mitten im Ruhrgebiet, faszinierten mich dabei fotografisch von Anfang an vom Menschen beeinflusste und geschundene Gebiete. Im Jahr 2008 zog ich aus Nordrhein-Westfalen in den Osten Deutschlands. Seitdem interessieren mich vor allem die ehemaligen Truppenübungsplätze der Sowjetarmee.

Ihre Formen- und Artenvielfalt, die ich in einem Fotoprojekt zu porträtieren versuche, verdanken sie den Eiszeitgletschern und den Manövern der Roten Armee im gleichen Maße.

Der rege Übungsbetrieb des Militärs, zu dem Panzerfahrten und unbeabsichtigte Flächenbrände gehörten, rissen tiefe Wunden in die Landschaft und zerstörten diese wahllos. Stets war der Zufall mit im Spiel und sorgte für eine mosaikartige Ausprägung der Landschaft. Nachdem im Jahr 1994 die letzten sowjetischen Truppen abzogen, übernahm die Natur wieder das Kommando.

Inzwischen haben Truppenübungsplätze vor allem unter Naturschützern einen ganz besonderen Ruf, denn viele Tier- und Pflanzenarten, die andernorts bereits ausgestorben sind, finden hier einen letzten Rückzugsraum. Ideale Bedingungen also für Naturfotografen.

Heute prägen große Heideflächen, Sandwüsten, Moore und unberührte Birken-Kiefern-Wälder die ehemaligen Truppenübungsplätze. Größtenteils mit Blindgängern verseucht, sind viele Bereiche nur mit Sondergenehmigung zu betreten. In den Sommermonaten entzündet sich hin und wieder alte Munition, was zu Bränden führt und zeigt, dass auch nach zwanzig Jahren immer noch Gefahr besteht.

Dennoch bin ich so oft es geht auf den Truppenübungsplätzen Brandenburgs unterwegs, die aufgrund ihrer enormen Größe und der schlechten Wegenetze jede Tour zu einer zeitintensiven machen. Die meisten Motive erreiche ich zu Fuß, was im lockeren Sand auf Dauer mühselig ist und die Bedingungen zusätzlich erschwert.

Gerade aber der Sand ist eine Komponente, die ich fotografisch sehr gern in die Bilder einbaue. Kaum etwas ist typischer für diese Gegend und besonders das warme Abendlicht lässt jedes Sandkorn leuchten wie ein Diamant.

Beliebte Motive in den Sandheiden sind für mich die Springspinnen. Gerade einmal vier bis zehn Millimeter groß und immer „auf dem Sprung“, sind sie nicht leicht zu fotografieren. Schafft man es dennoch, sich ihnen in einem entsprechenden Abbildungsmaßstab von weit über 1:1 zu nähern, entstehen interessante Aufnahmen.

Besonders die großen Augen ziehen den Betrachter in ihren Bann. Mangels eines Lupenobjektives im Hause Nikon nutze ich dafür einen 1,4x-Konverter und einem 3dpt-Achromaten am Sigma 150mm f/2,8 EX DG Makro.

Auch die eher monotonen Kiefernforste, die in den Randbereichen der Truppenübungsplätze großflächig angebaut wurden, nutze ich gern als Motiv. Mit Hilfe von Doppelbelichtungen oder Wischern gelingen auch in auf den ersten Blick uninteressanten Wäldern besondere Bilder.

Ebenso geben die mit Nadeln, Kiefernzapfen und Rentierflechten bedeckten Böden mit dem richtigen Ausschnitt abwechslungsreiche Motive ab.

Alte Eichenwälder, die zu Zeiten der militärischen Nutzung keine Axt gesehen haben, existieren ebenfalls und bieten seltenen Arten wie Hirschkäfer und Großem Eichenbock einen geeigneten Lebensraum. Bei solchen dämmerungsaktiven Arten nutze ich gern einen Blitz.

In der Naturfotografie oft verpönt, halte ich ihn – solange er gut eingesetzt wird – für ein nützliches und oft sogar unverzichtbares Hilfsmittel.

Besonders für die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland sind Truppenübungsplätze von großer Bedeutung. Die Gebiete sind unbesiedelt und kaum durch Straßen zerschnitten.

Auf den von mir oft aufgesuchten Plätzen Lieberose und Jüterbog gab es 2011 das erste Mal Wolfsnachwuchs. Sich mitten in einem deutschen Wolfsrevier zu bewegen, ist etwas ganz Besonderes, jede frische Wolfsfährte ein unglaubliches Erlebnis.

Neben zahlreichen Spuren gelang mir jedoch erst eine einzige kurze Beobachtung eines ausgewachsenen Wolfes. Die Hoffnung auf eine Wolfsaufnahme gebe ich natürlich nicht auf und habe somit neben der üblichen Ausrüstung für Makrofotografie stets auch das schwere Teleobjektiv dabei.

Doch die Fülle an Insekten, Spinnen, Reptilien und besonderen Pflanzenarten, die es auf Truppenübungsplätzen zu fotografieren gibt, entschädigen für das schwere Gepäck und lassen keine Tour vergeblich sein.

Besonders gern versuche ich dann, sehr tiefe Kamerapositionen einzunehmen und so eine leichte Vernebelung des Vordergrundes zu erreichen. Dies gibt den Aufnahmen einen luftig-leichten Charakter.

Bei Schmetterlingen auf Blüten nutze ich gern anderen Blüten im unscharfen Vordergrund, um diesen Effekt zu erzielen. Gerade Schmetterlinge verdienen dieses „Leichte“, was diese Bilder vermitteln.

Wohin mich mein Fotoprojekt letztendlich führen wird, ist noch unklar. Aufgrund der vielfältigen Motive werde ich sicherlich noch einige Jahre auf den Truppenübungsplätzen Brandenburgs unterwegs sein. Ich habe noch zahlreiche Bilder im Kopf, deren Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

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