25. August 2012 Lesezeit: ~12 Minuten

Wasser: Durchsichtig, vielschichtig – rätselhaft.

Wasser gilt in vielen Kulturen als aus göttlichem Ursprung oder auch als der Ursprung des Lebens. Im Wasserkreislauf sorgt es für ständige Erneuerung des Lebens, während in manchen Religionen mit Sintfluten ganze Völker bestraft werden. Einem afrikanischen Sprichwort nach wird Wasser übrigens niemals müde zu laufen. Doch bleiben wir im deutschsprachigen Raum: Dort stoßen wir zwischen Küste und Alpen auf ein reichhaltiges Wasserangebot.

Der Fotograf

Wasser zwischen Küste und Alpen

Im Norden bieten die Küsten von Nord- und Ostsee eine breite Motivpalette zu fast jeder Tages- und Jahreszeit. Rinnsale, Bäche, Flüsse und Ströme durchziehen das Land, ähnlich wie Adern unseres Körpers. Dabei versorgen sie es mit lebensnotwendigen Nährstoffen. Auf Seen stoßen wir in den Eisrandlangen der vergangenen Kalt- und Eiszeiten beispielsweise auf der mecklenburgischen Seenplatte im Nordosten oder im Alpenvorland zwischen Boden- und Königssee. Korrekterweise schließen weitere Seen östlich im Salzburger Land an, während auch das schweizerische Landschaftsbild von zahlreichen Seen geprägt ist.

Dazu kommen eine Vielzahl an künstlichen Gräben, Kanälen unterschiedlichster Größen sowie Teiche, Weiher oder Bagger- und Speicherseen. In Zahlen verpackt sprechen wir allein in Deutschland beispielsweise von über 460.000 Kilometern Fließgewässer. Was rechnerisch bedeutet, dass auf jedem Quadratkilometer der Bundesfläche mindesten auch ein Kilometer Fließgewässer vorhanden ist – rein statistisch.

Meeresblick

Die Beweggründe für ein Wasserbild sind meist recht unterschiedlich. Die einen benötigen eine Dokumentation, beispielsweise einer Gewässerverbauung. Andere möchten Urlaubserinnerungen mit nach Hause nehmen. Wieder anderen geht es um schlichtes Seelenfutter. Ganz gleich, aus welchem Beweggrund wir Wasser fotografieren, wichtig ist nur eines: Die emotionale Wirkung des Bildes auf den Betrachter.

Ein Wasserfall

Wassermotive „on location“

Interessante – oder passender formuliert – spannende wie ästhetische Motive am Wasser bieten sich wahrscheinlich ähnlich viele wie es Flusskilometer in Deutschland gibt. Und wie so oft bestimmen Licht- und Witterungsbedingungen den passenden Moment. Daher fällt es mir schwer, eine beste Tages- oder Jahreszeit speziell für die Wasserfotografie zu nennen.

Mal abgesehen von den Wintermonaten lässt sich Wasser zwischen Sonnenauf- und -untergang im Grunde genommen fast überall mehr oder weniger fließend fotografieren. Daher gilt hier die klassische Grundregel der Landschaftsfotografie: Bestes Licht bieten sowohl die Blaue als auch die Goldende Stunde bei Sonnenauf- und -untergang. Und dazwischen? Bleibt jede Menge Zeit, um die Landschaft zu erkunden.

Apropos Winter: Der eignet sich nicht nur, um das digitale Archiv auf- und auszuräumen. Vereiste Flüsse und Seen bieten eindrucksvolle Momentaufnahmen. Beispielsweise die Oder bei Küstrin. Bei kräftigen Minustemperaturen bildet sich auf dem Fluss sogenanntes „Pfannkucheneis“.

Die tiefstehende Wintersonne in Kombination mit Temperaturen von unter -20° C reinigen die Luft, was in einigen Mittelgebirgen das Flusswasser regelrecht leuchten lässt. Wird es draußen wieder wärmer, bilden sich über Eisflächen Nebelstimmungen, die in den Morgen- und Abendstimmungen hervorragende Motive präsentieren.

Pfannkucheneis

Im restlichen Jahr achte ich auf Wetterereignisse und breche wahlweise kurz vor oder zum Ende einer Schlechtwetterphase auf. Hier bieten sich die unterschiedlichsten Blickwinkel auf und in das Wasser. Wenn möglich, versuche ich, mir einen Standpunkt mitten im Geschehen zu suchen, sodass ich gelegentlich bauchtief für eine spannende Perspektive durch das Wasser wate.

Doch Vorsicht, wer bei Hochwasser am Fluss fotografiert: In unmittelbarer Ufernähe kann der Wasserspiegel von jetzt auf gleich um einen halben Meter und mehr variieren. Hier ist äußerste Vorsicht geboten! Je nach Bodentyp sind Flüsse direkt nach Hochwasserereignissen häufig bräunlich gefärbt, was durchaus auch auf die Bildstimmung abfärben kann.

Perspektive auf Wasser von der Mitte eines Flusses

Am Meer nutze ich, wenn möglich, vom Sturm aufgepeitschtes Wasser. Mit der richtigen Kleidung und einer gut verpackten Kamera kann ich hier stunden- und tagelang spielen. Interessante Motive geben Wellenbrecher am Strand. Sind das Holz oder die Steine der Wellenbrecher nass, glänzen diese später richtig und geben dem Motiv oftmals den letzten Schliff.

Interessant sind auch Morgenstimmungen nachdem das nächtliche Tiefdruckgebiet abgezogen ist. Ganz gleich ob Küste oder Seeufer, die Übergangzeiten im Frühling und Herbst bieten häufig die interessantesten Farbspiele am morgendlichen und abendlichen Himmel.

Eine Aufnahme im Morgenlicht

Eine kleine Filterexkursion

Filter werden häufig als Relikte der analogen Ära angesehen. Weit gefehlt. Zum Einen gilt: Was ich vor der Aufnahme einstellen kann, muss ich später nicht in der digitalen Dunkelkammer bearbeiten. Zum Anderen bieten der eine oder andere Filter durchaus ein paar Raffinessen, die in der elektronischen Bildbe- und -verarbeitung nur schwer zu simulieren sind.

Vorweggenommen: Ausgedient haben in der Landschaftsfotografie Konversionsfilter, Licht-Ausgleichsfilter und Farb-Korrekturfilter. Sie wurden verwendet, um große Farbtemperatur-Unterschiede auszugleichen. Dafür nutzen wir heute in der digitalen Fotografie den Weißabgleich.

Unterschiede

Häufig totgesagt wurde der UV-Filter. Er absorbiert elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge unter 380 nm. Für das menschliche Auge liegt dieses ultraviolette beziehungsweise infraviolette Licht zwar unterhalb des sichtbaren Bereichs, doch der Sensor zeichnet auch dieses Licht auf. Das kann unter Umständen zu leicht unscharf wirkenden Bildern führen. Persönlich verwende ich je nach Licht und Witterung auf dem Meer, an der Küste oder an einem Bergbach in der Totalen einen UV-Filter.

Die Allzweckwaffe ist und bleibt der Polarisations-Filter, kurz Polfilter genannt. Ich nutze den Polfilter am Wasser, wahlweise um die Wasseroberfläche weitgehend zu entspiegeln oder um Farbeffekte zu verstärken. Die sogenannte Slim-Variante vermeidet speziell bei Weitwinkelobjektiven lästige Vignettierungen an den Rändern.

Filtervergleichbilder

Das Geheimnis, um Wasser im Bild fließen zu lassen, nennt sich Grau-Filter oder auch Neutraldichte-Filter, kurz ND-Filter. Das Funktionsprinzip ist recht einfach: Grau- beziehungsweise ND-Filter verringern die Lichtmenge, die durch das Objektiv auf den Sensor weitergeleitet wird, was zu einer längeren Belichtungszeit führt. Dadurch können Bewegungen innerhalb des Bildausschnittes sichtbar gemacht werden. Je nach Lichtmenge und gewählter Filterdichte lassen sich die Belichtungszeiten mühelos zwischen einer und zehn Blendenstufen variieren.

Die nachfolgende Tabelle zeigt, wie sich die Belichtungszeit je nach Filterdichte verlängert. In der Kopfzeile steht der logarithmische Wert (ND), darunter in Klammern die Blendenstufen und der Verlängerungsfaktor.

Zum Beispiel (-1 | ×2): -1 steht für die Reduzierung der Blende beispielsweise von Blende acht auf Blende elf. ×2 steht für den Verlängerungsfaktor beispielsweise von 1/500 Sekunde ungefiltert auf 1/250 Sekunde gefiltert mit dem ND 0,3.

Die Dichte ND 2,0 habe ich der Einfachheit halber mit -7 Blendenstufen anstelle der korrekten -6,66 Blendenstufen gerechnet. Als Faustregel gilt: Je größer der ND-Wert in der Filterbezeichnung, desto weniger lichtdurchlässig ist der Filter, im Umkehrschluss heißt das, umso länger wird die Belichtungszeit.

Tabelle mit ND und Blendenwerten

Laut Filterhersteller ergeben sich bei der Benutzung von Neutraldichtefiltern angeblich keine Farbverschiebungen. Bei der Benutzung der ND-Filter bin ich dazu übergegangen, den Weißabgleich entweder auf automatisch einzustellen oder aber ich ermittle den Weißabgleich manuell mit Hilfe einer Aufnahmereihe.

Das reduziert den sogenannten Warmton bei den Filtern ND 1,5, ND 2,0 und ND 3,0. Die Farbdetails werden anschließend zu Hause während der nachfolgenden Entwicklung im Raw-Konverter herausgearbeitet.

Wasser: Kombination diverser Graufilter

Abschließend ist noch der Grauverlauf-Filter zu nennen. Er basiert auf demselben Prinzip wie der Grau-Filter. Mit ihm gelingt es, Motive mit großem Kontrastumfang auszugleichen. Beispielsweise, wenn der meist viel zu helle Himmel über der dunkleren Wasseroberfläche mit dem Waldrand im Hintergrund in Szene gesetzt werden soll.

Ganz gleich, welcher Filter verwendet wird, es ist immer zu berücksichtigen, dass Filter zu Unschärfe führen können. Und im Vorfeld zu überdenken, ob die Aufnahme nicht ohne Filter realisiert werden kann.

On Location – bewegtes Wasser

Um Bewegungen und Strukturen auf der Wasseroberfläche hervorzuheben, benötige ich neben einer längeren Belichtungszeit eine entsprechende Schärfentiefe. Dazu nutze ich je nach Licht und Witterung eine möglichst niedrige ISO-Einstellung (ISO 100) als Basis und eine entsprechend kleine Blendenöffnung (je nach Objektiv zwischen Blende 11 und 22) für die Schärfentiefe.

An bewölkten Herbst- oder dunklen Wintertagen reichen diese Einstellungen häufig schon aus, um das Wasser fließen zu lassen. Je nach Fließgeschwindigkeit reichen bereits 1/15 bis 1/8 Sekunde aus, um die Zeichnung der Wasseroberfläche im Bild abzubilden. An sonnigen Tagen nutze ich den Grau-Filter, um die Lichtmenge zu dämpfen.

Je nach Lichtintensität nutze ich dabei unterschiedliche Dichten. So kann ich je nach Strömung oder Brandung verschiedenste Effekte auf der Wasseroberfläche abbilden.

Will ich die Wasserwirbel eines Gebirgsbaches fließend abbilden, benötige ich eine Belichtungszeit von ca. einer halben Sekunde. Zeigt mein Belichtungsmesser ohne ND-Filter eine Belichtungszeit von 1/250 Sekunde an, verlängere ich mit einem ND 2,0 die Belichtungszeit um sieben Blendenstufen auf eine halbe Sekunde: -1 Blende 1/125 sek. | -2 Blenden 1/60 sek. | -3 Blenden 1/30 sek. | -4 Blenden 1/15 sek. | -5 Blenden 1/8 sek. | -6 Blenden 1/4 sek. | -7 Blenden 1/2 sek.

Bei einem Ausgangswert von 1/30 Sekunde hingegen verwende ich einen ND 1,2. Dieser verlängert die Belichtungszeit um vier Blendenstufen: -1 Blende 1/15 | -2 Blenden 1/8 sek. | -3 Blenden 1/4 sek. | -4 Blenden 1/2 sek.

Die Dauer der Belichtungszeit hängt in erster Linie von den Lichtverhältnissen und dem gewünschten Effekt auf der Wasseroberfläche ab. Wie lange der Bildausschnitt im Detail belichtet werden muss, richtet sich auch nach der Fließgeschwindigkeit des Wassers. Das gibt mir die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren, unterschiedlichste und in den meisten Fällen auch unwiederbringliche Momentaufnahmen zu fotografieren.

Wasserwirbel

Vorsichtig bin ich mit zu langen Belichtungszeiten an großen wie kleinen Fließgewässern. Belichtungszeiten von fünf und mehr Sekunden lassen das Wasser zu einer eisähnlichen Fläche erstarren, da sich das Wasser lediglich in eine Richtung bewegt.

Ganz anderes verhält es sich bei der Brandung am Meer. Diese bewegt sich in unterschiedlichste Richtungen, was zu interessanten Wischeffekten führt. Hier sind durchaus Belichtungszeiten im Minutenbereich angesagt.

 Brandung mit Langzeitbelichtung fotografiert

Eine Sonderrolle nehmen große Wasserfälle wie z.B. die Krimmler Wasserfälle ein. Um die frei herabstürzenden Wasserkaskaden optisch einzufrieren, bedarf es je nach Position und Blickwinkel zwischen 1/60 und 1/250 Sekunde. Die genaue Belichtungszeit hängt auch hier von den Wassermassen und der Fließgeschwindigkeit ab.

On Location – Spiegelbilder

Spiegelbilder – sie gelten in der Formenvielfalt der Natur als die einzig wahre gerade Linie. Die Herausforderung: Wo wird das Lineal, sprich die Uferkante positioniert? Klassisch gilt die Bildmitte als die optimale Linienführung. In der Praxis jedoch achte ich auf den Bildhintergrund beziehungsweise den Himmel.

Wirkt dieser zum Beispiel leer oder farblos, versuche ich, den Himmel lediglich in der Spiegelung zu zeigen. Häufig werden die Farben deutlich kräftiger wiedergegeben. Ansonsten achte ich auf die 2/3-Regel. Das bedeutet, dass ich für den Himmel maximal ein Drittel des Platzes im Bildaufbau einplane. Die Spiegelung wird den Vordergrund dominieren, sodass die Uferlinie am Übergang zum oberen Bilddrittel positioniert ist.

Ein Spiegelbild vom Wald

On Location – Wasserfarben

Wasserfarben spielen nicht nur im Kunstunterricht der Grundschule eine essentielle Rolle. Am Fluss stoße ich gerade in den kalten Wintermonaten, wenn die Luft klar und sauber ist, bedingt durch den tiefen Stand der Sonne auf interessante Farbspielereien.

Wichtig: Um die Farbenpracht voll auszureizen, nutze ich den individuellen Weißabgleich. Zum Experimentiren helfen hier auch schon einmal die Einstellungen Wolkig (6.000 K) oder Schatten (8.000 K) weiter. Je höher der Wert, desto wärmer, je niedriger der Wert, desto kälter werden die Wasserfarben wiedergegeben.

Drei verschiedene "Wasserfarben"

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