20. August 2012 Lesezeit: ~10 Minuten

Dreaming of Dubai

Wie eine Stadt ein halbes Jahr lang meine Gedanken beherrschte oder die Geschichte, wie aus fünf Tagen Dubai eine 200 Seiten starke Abschlussarbeit wurde.

28. Januar 2012, 18:58 Uhr, ich buche Flug und Hotel für einen Aufenthalt in Dubai vom 11. bis zum 16. Februar. Schon lange spukt mir diese Stadt im Kopf herum, unbedingt will ich sie fotografieren. Spontan ergab sich die Gelegenheit, es durchzuziehen. Dubai erschien mir als ein El Dorado für Fotografen, eine Art fotografische Erlebniswelt der Superlative.

10.Februar 2012, 23:00 Uhr, Anflug auf Dubai. Eine glitzernde Stadt liegt unter mir, ich erspähe mitten im Lichtermeer das höchste Gebäude der Stadt und gleichzeitig der Welt – den Burj Khalifa. Nach zwei Wochen voller Recherche und Vorbereitung sehe ich die Stadt endlich mit meinen eigenen Augen.

Dubai

16.Februar 2012, 16:45 Uhr, nach fünf unendlich spannenden Tagen in Dubai sitze ich wieder im Flugzeug und starre aus dem Flugzeugfenster, während die Türme Dubais langsam im Dunst verschwinden … ein letzter Blick auf die Inseln von The World … vorbei.

Dubai

Einen kleinen Einblick in meine Erlebnisse dort gibt dieses Video.

Gut fünf Monate später präsentiere ich an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg meine Abschlussarbeit im Studiengang Design. Ein 200 Seiten starkes Buch mit dem Titel „Dreaming of Dubai – Zwischen Wahn und Wirklichkeit“. Das Ergebnis eines halben Jahres Arbeit, an dessen Anfang eigentlich nur der Traum stand, Dubai selbst im Rahmen einer Fotoreise zu erleben.

Da mich das Thema Dubai auch über die Grenzen der fotografischen Möglichkeiten hinaus stark fasziniert hat und ich zur gleichen Zeit auf der Suche nach einem Thema für meine Bachelorarbeit war, konnte ich so zwei meiner Leidenschaften für diese Zeit verbinden: Mein Studienfach Design und als ergänzendes Element die Fotografie.

Dubai

Ausgangssituation

Ich machte es mir zur Aufgabe, die Stadt sowohl inhaltlich als auch fotografisch zu beleuchten, ihren Charakter herauszuarbeiten und die interessantesten Elemente zu finden, um daraus Material für meine Abschlussarbeit zu generieren. In beide Teile meiner Arbeit möchte ich hier einen Einblick geben. Zuerst ein Blick auf meine inhaltliche Erschließung dieser Stadt.

Der Traum

Das heutige Dubai ist eine Megastadt mit zwei Millionen Einwohnern, die im krassen Kontrast zur Lebenswelt steht, die dort noch vor 50 Jahren herrschte. Damals war Dubai ein kleines unbedeutendes Städtchen, irgendwo auf der arabischen Halbinsel, mit wenigen Tausenden Einwohnern, stark begrenzten Erdölvorräten und keinen Zukunftsaussichten. Der damals regierende Scheich, Raschid bin Said Al Maktum, hatte einen Traum: Die Vision, etwas Großes aus diesem unscheinbaren Fleckchen Wüste zu machen.

Die Mittel

Was Dubai zu dem hat werden lassen, was es heute ist, bezeichne ich in meiner Arbeit als das Prinzip von Dubai. Das Streben nach dem Unmöglichen wurde zum Prinzip des Handelns und das Mittel der Wahl, um Menschen aus aller Welt in den Bann Dubais zu ziehen. Das hat auch bei mir funktioniert. Dubai wurde zu meinem eigenen Traum.

Spektakuläre Bauten mit unglaublichen Dimensionen wie der Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt oder die Palmeninseln, beförderten Dubai in das Bewusstsein von Milliarden von Menschen und schufen „Alleinstellungsmerkmale“, um Dubai ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.

Dubai muss immer im Gespräch bleiben, immer höher und immer weiter hinaus wachsen, immer neue Besonderheiten schaffen – so zumindest die Vorstellung in den Köpfen der Herrscher.

Dubai

Der Absturz

2010 krönt sich Dubai schließlich selbst mit der Einweihung des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa. Man sieht sich auf der Spitze seiner Entwicklung angekommen. Innerhalb kürzester Zeit hat man den beispiellosen Entwicklungssprung von der Hütte im Sand zum höchsten je von Menschenhand geschaffenen Gebilde geschafft. Doch der Triumph hat einen faden Beigeschmack: Die Fertigstellung konnte nur mit finanziellen Hilfen des ölreichen Nachbarn Abu Dhabi bewältigt werden.

Das vermeintlich endlose Wachstum war teilweise nur auf Sand gebaut und hatte im Rahmen der Finanzkrise vorerst ein Ende. Aus den Träumen wurden Alpträume. Dubai ist eine Welt, die zwischen Wahn und Wirklichkeit schwankt, immer am Rande des Abgrunds, in der Gefahr, dem totalen Größenwahnsinn zu verfallen und an seinen Träumen zu zerbrechen.

Dubai

Diese Geschichte erzähle ich im ersten Teil meines Buches mit Hilfe von Texten, Infografiken, Zitaten und Fotos.

Die Herausforderung

… war, dieses inhaltliche Fazit in eine fotografische Form zu übertragen. Eine Bilderwelt zu erschaffen, die selbst zwischen Wahn und Wirklichkeit schwankt.

Motivwahl

In meiner Begehung der Stadt habe ich mich ganz auf die neuen Teile von Dubai beschränkt. Dort vermutete ich die Motive, die meinem Ziel am ehesten gerecht würden. Ich wollte Situationen finden und zeigen, in denen die Unwirklichkeit der Stadt voll zu Tage tritt. Die Stadtlandschaft, die Architektur, die Ikonen Dubais stehen im Mittelpunkt, der Mensch findet weder in der dortigen Welt noch in meinen Fotos einen Platz.

Verlassene Sandflächen mit Hochhäusern im Hintergrund und stillliegende oder aktive Baustellen und im Kontrast dazu die perfekt geschliffenen, fertiggestellten künstlichen Lebenswelten. Eine Welt voller Kontraste, zwischen Wüstensand und Hochglanz.

Dreaming of Dubai

Dubai

Bildsprache

Die Fotos sind durchgehend sehr weitwinklig, um eine Übersicht zu geben, die Größe der Stadt zu betonen und sie noch beeindruckender wirken zu lassen. Stürzende Linien habe ich vermieden, um die Künstlichkeit und Surrealität zu verstärken.

Bei Tageslichtaufnahmen wählte ich, wenn möglich, Situationen mit Gegenlicht, um einerseits den Wüstencharakter der Stadt hervorzuheben sowie um Licht als Symbol für den Traumgedanken einzusetzen.

Bei Nacht betonte ich die Leuchtkraft der Stadt durch Hervorhebung der Lichter, als entsprechendes Gegenstück zum Gegenlicht bei den Tagesaufnahmen. Meine Darstellung der Stadt erinnert an Architekturvisualierungen, an künstliche und gleichzeitig spektakuläre Vorstellungen, die nur einem Traum entsprungen sein können.

Dubai

Dubai

Format

Da die Fotos in Buchform präsentiert werden, wählte ich ein durchgängiges Bildformat von 7×6. Meistens entsteht dieses Format aus der Kombination von zwei bis drei Hoch- oder Querformatfotos, in einigen Fällen auch durch Beschnitt eines einzelnen Fotos.

Um den Seriencharakter zu wahren, ist dieses Format ein gutes Mittel, um Sprünge zwischen Hoch- und Querformat zu vermeiden und trotzdem dem jeweiligen Motiv den entsprechenden Raum zur Entfaltung zu geben.

Dubai

Die Ausnahme sind Übersichtsaufnahmen der „Aerial-Serie“, die außerhalb der Serie stehen und im Querformat eingesetzt werden.

Nachbearbeitung

Wie generell bei meinen fotografischen Arbeiten spielte auch bei dieser die Nachbearbeitung eine ganz entscheidende Rolle. Um meine Wahrnehmung der Stadt zu verdeutlichen, legte ich in der Nachbearbeitung eine „Traumebene“ über das Ausgangsmaterial. Der surreale Charakter der Stadt wird verstärkt durch Hervorhebung und Intensivierung der vorhandenen Lichtstimmung.

Das aufgezeichnete Farbspektrum habe ich teilweise verändert und auf je eine definierte Tag- und Nachtstimmung reduziert. Der sandähnliche Grundton ergibt sich aus dem Farbton des Sandes, Cyan und Purpur sind die jeweiligen Himmelsfarben. Zusammen stehen sie für den Traum, der sich wie ein Schleier über die vorhandene Realität legt.

Weiterhin war die Masse an Bildern eine Herausforderung. Knapp 3300 Dateien an Grundmaterial waren zu sortieren, auszuwählen und danach zu bearbeiten. Die Ausarbeitung der Bilder zog sich von Mitte Februar bis Ende Juni, in den meisten Bildern stecken mehrere Stunden Arbeit.

Dubai

Die Verarbeitung

Im Buch sind die Fotos in drei Serien aufgeteilt. Die Übersichtsaufnahmen aus der Luft illustrieren den Infotainment-Teil. Die Fotos im Format 7×6 sind in eine Nacht- und eine Tagserie unterteilt. Insgesamt wurden im Buch 70 Fotos verarbeitet.

Zum Projekt gibt es auch eine Webseite, dort werden die Fotos nach und nach veröffentlicht und sind dort auf Grund der hohen Anzahl an Bildern nochmals in jeweils drei Nacht- und drei Tagserien unterteilt.

Einschränkungen

Da ich nur fünf Tage vor Ort war, konnte ich die meisten Motive nur einmal besuchen beziehungsweise entdecken. Es war mehr ein Sammeln aller Eindrücke als ein gezieltes Vorgehen.

Die Lichtsituation war somit oft nur ein Kompromiss und nach dem Sichten der Fotos daheim wäre ich gern noch einmal für zwei Wochen dorthin geflogen, um die besten Situationen im perfekten Licht zu fotografieren.

Meine Arbeit ist zudem nur ein Ausschnitt des wirklichen Dubai. In vielen Stadtteilen war ich selbst gar nicht, dort zeigt sich teilweise eine völlig andere Welt als in meinen Fotos, hier sei zum Beispiel auf die Serie von Jens Fersterra verwiesen.

Die gesamte Arbeit, auch im inhaltlichen Teil, fokussiert sich stark auf die Entwicklung der Stadt an sich, auf das Wachstum, die Architektur, das Prinzip Dubai. Oft hatte ich während meiner Beschäftigung mit diesem Thema das Gefühl, nur an der Oberfläche zu kratzen.

Es gäbe noch viele andere und vor allem teilweise auch sehr kritische Aspekte, die in meiner Arbeit keine Rolle spielen.

Fazit

Mir ist es mit meiner Arbeit gelungen, eine eigene Traum- und Bilderwelt zu erschaffen. Sie entsteht zwischen stillstehenden Baustellen und funkelnden Wahrzeichen und bedient sich der unwirklichen Realität Dubais als Kulisse. Ich schaffe eine ganz eigene Welt, die in fotografischer Form beginnt und in den Köpfen der Betrachter ihre Fortsetzung findet.

Ich will damit die Faszination, die mich beim Anblick dieser Stadt erfasst hat, verarbeiten und weitergeben. Dabei ist es egal, ob der Betrachter positiv von ihr fasziniert ist oder ob er sich von dieser Stadt und ihrem Charakter völlig abgestoßen fühlt.

Mehr erfahren

Die Projektseite: www.dreaming-of-dubai.com

Wer mehr über mein Vorgehen und meine Erlebnisse vor Ort erfahren möchte, kann diese zwei Artikel in meinem Blog nachlesen, ein Dritter ist noch in Planung.

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