01. Juni 2012 Lesezeit: ~10 Minuten

Bodenseestimmungen

Die Landschaftsfotografie rund um den Bodensee bietet vielfältige Möglichkeiten, stimmungsvolle Fotografien zu gestalten. Eine wahre Passion kann dabei entstehen, wenn man sich Zeit nimmt und das ganze Jahr über die Stimmungen studiert und in sich aufnimmt. Kein Morgen oder Abend gleicht dem anderen, was dazu führt, dass man an ein und derselben Stelle jeweils ganz neue Bilder kreieren kann. Jede Jahreszeit hat dabei ihren eigenen Reiz.

Ich bin am See aufgewachsen und das Wasser hat mich schon immer magisch angezogen. Als ich vor zwei Jahren damit begann, die verschiedenen Bereiche des Sees zu fotografieren, wusste ich noch nicht, dass die Farben bei Sonnenauf- und untergang mein Empfinden für immer verändern würden.

Abendstimmung in Uttwil im März

Eines meiner ersten Bilder entstand in Uttwil. Ein verlotterter Steg und dazu die feinen Wolken am Abendhimmel – dieses Bild veränderte alles in mir. Es ist zwar alles andere als perfekt, aber die Farben und Strukturen öffneten mein Fotografenherz.

Damals war ich ein absoluter Neuling in Sachen Landschaftsfotografie. Ich tat mich schwer, da ich auf so viel achten musste: Bildaufbau, Kontrast, Weißabgleich, Schärfe. Zudem musste ich die besten Stellen zum Fotografieren am See erst noch finden. Nach zwei Jahren intensiven Fotografierens habe ich diese nun ausgemacht und weiß genau, zu welcher Jahreszeit und Wettersituation welcher Ort sich am besten eignet.

Mein Empfinden für Farben und Formen, insbesondere am Himmel, führen mich mittlerweile fast automatisch an den richtigen Ort. Dabei verspüre ich einen ständigen Drang, die perfekte und spektakulärste Stimmung einzufangen.

Eines Abends diesen Frühling entstand solch eine Aufnahme. Die Luft war kühl und trocken, was zu sehr intensiven Farben führen kann. Am schweizer Ufer zwischen Uttwil und Kreuzlingen ist das Wasser seicht bis ca. 300 Meter weit hinaus. Im Winter werden hier große Bereiche durch Niedrigwasser freigelegt. Es kommen Steine und Pfähle zum Vorschein, die man in den Bildaufbau integrieren kann. So entstand diese Aufnahme.

Übersichtskarte

Damit Ihr einen Überblick über die folgenden Orte und Regionen rund um den See bekommt, ist eine Karte sicher hilfreich:

Bodenseekarte

Region Altnau

Altnau ist die für mich am schnellsten erreichbare Ortschaft. Sie bietet sich somit an, das theoretisch Gelernte in der Praxis zu testen. Am Yachthafen ist seit dem Umbau ein schöner Uferbereich angelegt worden, an dem man unzählige Perspektiven finden kann.

Mit dem Weitwinkelobjektiv wird der fast 300 Meter lange Anlegesteg zu einer riesigen Brücke. Mit einem größeren Tele können Bereiche ausgeklammert werden und Naturdetails ohne störende Elemente festgehalten werden.

Für Sonnenauf- und -untergang ist diese Stelle des Sees perfekt geeignet. Ab ca. Ende April geht die Sonne in einem optimalen Winkel im Westen unter. Man hat die Möglichkeit, die Sonne mit ins Bild zu nehmen oder man wartet, bis das Nachglühen der Sonne wundervolle Lichtbedingungen bietet.

Bodensee Gemälde -  Altnau

Eine perfekte Situation durfte ich dieses Jahr erleben. Die Wolkenformationen waren nicht zu dicht und der kühle Abend zusammen mit der untergehenden Sonne hat die Wolken in ein von mir nie gesehenes Magenta-Purpur getaucht. Selbst den Kontrast konnte ich an diesem Abend ohne Belichtungsreihen mit einem GND 0.9 Filter bändigen. Die Sättigung der Farben musste ich in der Raw-Entwicklung später sogar etwas zurücknehmen.

Etwa zehn Minuten, bevor die Sonne unterging, wurden die aus dem Wasser ragenden Steine in goldene Nugets verwandelt. Im 90°-Winkel zur Sonne konnte ich den Polfilter für die Entspiegelung des Wassers so einsetzen, dass der Grund gut zu sehen ist. Der Anlegesteg und das dominante Seezeichen geben dem Bild zudem den typischen Seeausdruck.

Abendliches Farbenspiel - Altnau

Ganz am Ende des Yachthafens befindet sich die Ausfahrt für Schiffe. Leitpfähle und untergehende Sonne bieten interessante Perspektiven, die sich mit dem Weitwinkelobjektiv sehr gut einfangen lassen. Ein Stativ, mit dem man bodennah arbeiten kann, ist sehr hilfreich, denn die Felsbrocken im Wasser eignen sich als hervorragendes Vordergrundmotiv.

Um dieses Bild in den Kasten zu bekommen, musste ich viele Male am Abend vor Ort sein.

Seezeichen bei Altnau

Der Untersee

Gottlieben

Im Frühsommer, wenn die Schneeschmelze den Untersee ansteigen lässt, ist es nicht immer einfach, im Naturschutzgebiet bei Gottlieben auf Motivsuche zu gehen. Je nach Wasserstand gibt es teilweise nur in kurzen Hosen ein Durchkommen. Aber wenn das Wasser in den überfluteten Bereichen ruhig dahinfließt, sieht man jeden Stein im Wasser. Im Abendlicht spiegeln sich die Wolken dann im Wasser und sorgen für einen tollen Kontrast. Aber auch im Winter ist dieser Bereich vor allem am Abend sehr zu empfehlen.

Hochwasser bei Gottlieben

Ermatingen

Das alte Fischerdorf Ermatingen liegt am Anfang des Untersees. Die Seepromenade mit dem weitgezogenen Hafen bietet eine ideale Kulisse, um typische Seebilder festzuhalten.

An dem Abend, an dem ich dieses Bild einfangen konnte, verdeckten Wolken die Sonne und es ergab sich eine sehr ausbalancierte Lichtstimmung. Das Licht wurde auf dem vor mir liegenden Weidling reflektiert. Der Kontrast war dementsprechend weich.

Solches Licht ergibt sich nicht immer. Meist ist die Sonne sehr dominant und der Kontrast dementsprechend schwierig zu bewältigen.

Der Weidling bei Ermatingen

Steckborn

Das Schloss von Steckborn mit seinen markanten Kupfertürmen und den goldenen Kugeln ist sicher das Bild von Steckborn. Hier zu fotografieren ist aber nicht gerade einfach, da Anlegestege und Schiffe die Sicht behindern. Ein Stativ mit langen Beinen hilft. Mittels Teleobjektiv kann man die Szene noch etwas mehr verdichten und sich ganz auf das Schloss konzentrieren, ohne dass die störenden Pfähle im Vordergrund mit aufs Bild kommen. Bei kurzen Belichtungszeiten kann man auch von den wackeligen Stegen ganz vorn einen Versuch wagen.

Das folgende Bild habe ich früh morgens von ganz vorne auf einem solchen Schiffssteg aufgenommen. Hier musste ich auf die Schärfe achten. Mittels Weitwinkelobjektiv bekam ich auch die angelegten Boote mit aufs Bild. Da sich diese immer etwas bewegen, musste ich mehrere Versuche starten. Am Kameradisplay sind die Bewegungen der Boote teils nicht auszumachen, stören aber nachher meist im Bild bei genauer Betrachtung.

Tipp: Bei Sonnenaufgängen schon vor der blauen Stunde vor Ort sein, da das Glühen am Horizont schon vorher beginnt.

Schloss Steckborn

Insel Reichenau

Die Insel Reichenau ist ein weiteres Highlight für Fotografen. An der Westseite ist der Uferbereich flach ablandig und bietet mit zahlreichen knorrigen alten Bäumen gute Möglichkeiten einen interessanten Bildaufbau zu gestalten.

Beim Campingplatz Sandseele sollte man am besten anfangen, wenn man zum ersten Mal auf die Insel fährt. Im Sommer dauern die Sonnenuntergänge sehr lange und man hat genug Zeit, den Bildaufbau zu perfektionieren. Mückenschutz sollte man aber unbedingt mitnehmen.

Sommerabend auf der Insel Reichenau

Im Winter ergibt sich gelegentlich ein weiteres Highlight auf der Insel. Wenn sich die Temperatur über längere Zeit im zweistelligen Minusbereich bewegt und der Wind nicht allzu stark ans Ufer weht, bilden sich dünne Eisplatten, die mit den Wellen aufs flache Ufer gedrückt werden. Über Tage hinweg schichten sich diese Platten dann wie Glas auf. Wenn zusätzlich noch ein farbintensiver Abend den Himmel zum Glühen bringt, entsteht ein toller Kontrast zwischen dem Blau der Eisschollen und den warmen Farbtönen darüber.

Eisplatten auf der Insel Reichenau

Der Obersee

Hagnau

Die Schifflände ist der Blickfang von Hagnau. Im Abendlicht ergeben sich mit den Laternen entlang des Stegs tolle Perspektiven.

Blaue Stunde bei Hagnau

Ich habe an dem Abend, an dem dieses Foto entstand, mehr als 50 Fotos gemacht. Das Bild nach der blauen Stunde war am ausgewogensten, da der Himmel und das Wasser beinahe dieselben Farben hatten. Der Vollmond half in dieser Szene, das Wasser aufzuhellen.

Morgens wird die Schifflände von der östlichen Seite beleuchtet. Die Sonne geht im Winter nördlich, ungefähr auf der Höhe von Lindau auf. Perfekt, um im 90°-Winkel zur Sonne zu fotografieren und die Schifflände so im Bild zu positionieren. Der optimale Zeitpunkt ist erreicht, wenn die Sonne gerade am Horizont erscheint und so ein rötlich-oranges Licht auf die Seite des Gebäudes wirft.

Hagnauer Pier

Langenargen

Im Hafen von Langenargen lädt der lange Bootssteg förmlich dazu ein, ihn als perspektivisches Element mit ins Bild zu nehmen.

Normalerweise ziehen die Wolken von West nach Ost, doch als ich auf dem Steg stand, fielen mir die lang gezogenen Wolken von Süden her auf – ein seltenes Spektakel. Mit der untergehenden Sonne glühten sie förmlich. Das Boot „Langenargen“ bot sich in dieser Szene bestens an, dem Betrachter etwas Typisches vom See zu zeigen.

Wolkenformationen bei Langenargen

Horn

In Horn ist ein idealer Ort für Stimmungsfotos beim Hotel Bad Horn. Da die Stelle direkt an der Straße liegt, benötigt man nur wenige Schritte zum Motiv. Mit dem Boot M.Y. „Emily“ kann man einen tollen Bildaufbau bekommen. Wenn man die Kamera in eine bodennahe Lage bringt, erhält man zudem eine weite Perspektive.

An diesem Abend kündigte sich ein Gewitter von Westen her an. In solchen Situationen bekommt man sehr schöne Wolkenstimmungen zu sehen, die dem Bild Dramatik verleihen.

M.Y. "Emily" Bad Horn

Ich könnte die schönen Orte rund um den See noch weiter beschreiben. Das würde den Umfang dieses Artikels aber sprengen. Daher möchte ich auf mein Buch Bodenseestimmungen aufmerksam machen. Die schönsten Orte rund um den See beschreibe ich in diesem Buch und gebe reichlich Zusatzinformationen für Fotografen.

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