23. Mai 2012 Lesezeit: ~6 Minuten

Es geht um das schöne Gefühl

Es ist so schwer, zu beschreiben, was mir das Fotografieren bedeutet, denn es ist nicht so, dass mir die Luft zum Atmen genommen wird, wenn ich monatelang nicht fotografieren kann. Es ist eher so, dass ich eine ganze Weile nicht einmal Lust habe, die Kamera anzuschauen.

Mal, weil ich mich selbst entmutige, dann weil die Luft einfach raus ist oder ich andere Dinge treibe, die mich glücklich machen und träumen lassen – ich mache Entwürfe fürs Studium, streiche ein Zimmer neu, laufe mit ausgestreckter Hand durch die Läden und fühle an allem, nähe, bastle und klebe Inspirationen mit buntem Tesafilm in ein Buch.

Dann überkommt es mich plötzlich wieder, es kribbelt allein beim Gedanken ganz schrecklich in meinen Armen und in meinem Kopf – das passiert immer, wenn mein ganz, ganz tiefes Interesse geweckt ist, mich zu beflügeln scheint und das ist das Zeichen: Ich muss wieder fotografieren.

Die Fotografie ist für mich eine unheimlich emotionale Angelegenheit. Einen Plan habe ich dabei nie. Denn es ist einfach so, dass mich ein Plan eher verunsichert und ich fühle mich unheimlich eingeengt. Wenn es ums Fotografieren geht, leide ich nämlich an schrecklichen „Stimmungsschwankungen“ und das, worauf ich gestern noch Lust hatte, interessiert mich heute so gar nicht mehr, deswegen bedeutet mir diese Spontanität unheimlich viel.

So kann ich ganz planlos, je nach Gefühl des Tages entscheiden, was passiert. Außerdem liegt es mir sehr am Herzen, vor dem Shooting viel, viel Zeit mit dem Modell zu verbringen, gemeinsam zu lachen und sich aufeinander einzustimmen, stundenlang zusammen den Kleiderschrank zu durchwühlen, sie so näher kennen zu lernen und dann ganz nach Laune zu entscheiden, wie Make-up und Frisur aussehen sollen.

Meistens schminke und frisiere ich die Mädels selbst und auch wenn es sich eigenartig anhört, für mich ist diese ganze Vorbereitung immer ein so intimer Moment, dass spätestens dann meine Stimmung komplett auf das Fotografieren umschwenkt und ich mich dem Modell sehr verbunden fühle. Ohne diese Verbundenheit funktioniert nämlich nichts, ich habe es schon versucht: Blöde Stimmung, blöde Bilder, blöder Tag. Deswegen mag ich nicht mehr auf die Zeit mit dem Modell verzichten.

Bei all der Spontanität steht doch eine Kleinigkeit auf dem Plan: Wir gehen immer raus, weil ich natürliches Licht so liebe. Auf langen Autofahrten beobachte unheimlich gern die Farbstimmung, die in der Luft liegt. Manchmal scheint das irgendwie magisch zu sein. Ich liebe es, wenn das Licht ganz sanft ist und das Gesicht berührt, durch die Haare leuchtet und mich durch die Linse manchmal blendet.

Und genau so sehr liebe ich Gräser, Bäume und Büsche – ich mag, wie sie im Wind hin und her schaukeln und was für Schatten sie werfen, wie sie Gesichter verdecken, wie die Zweige pieken und die Haut ein wenig kratzen, wenn ich mich wieder für die richtige Perspektive in sie hineinstürze.

Ich liebe es, mit Festbrennweiten zu arbeiten und um das Modell herumzutanzen, weil ich nur so ein Gefühl für sie und die Umgebung bekomme. Liebe es, mich und das Modell ein wenig im Dreck zu wälzen, sie in die Büsche reinkrakseln zu lassen und den Matsch, der meine Schuhe manches Mal durchnässt und auch die Hektik, wenn die Sonne fast untergegangen ist und ich doch eigentlich noch gar nicht fertig bin, will ich irgendwie nicht missen. Das gehört einfach alles dazu, zu einem fabelhaften Tag.

Dann habe ich auch ein totales Faible für Farbspiele, die ich eigentlich gar nicht sehe, sondern eher fühle und genau die versuche ich in die Bilder zu bekommen. So, dass allein die Farbe schon für eine Stimmung sorgt, wie ich sie in dem Moment hatte. Mal dramatisch, mal ganz sanft. Aber wenn ich so durch meine Arbeiten klicke, fühlt es sich manchmal irgendwie an, als wären alle Bilder, selbst die dramatischen, gehaucht. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.

Mehr als das, was es draußen so gibt und dem, was sich in meinem Kopf abspielt, brauche ich eigentlich nicht für meine Bilder. Ich nehme mir keinen Assistenten mit, der Reflektoren hält, sondern bin immer allein mit dem Modell und mit dem was uns umgibt. Ich interessiere mich nicht für Technik, will nicht auf dem neusten Stand sein.

Ich finde, dass viel zu viele Neueinsteiger, aber auch alte Hasen sich zu sehr dafür interessieren und dabei die Emotionen völlig außer acht lassen. Denn auch mit einer super Ausrüstung macht sich ein fesselndes Bild nicht von selbst. Horcht doch lieber in Euch hinein und versucht, Euch nicht an die Technik zu klammern! Auf technische Perfektion kommt es auch gar nicht so an, sondern auf das Gefühl, das Ihr erlebt und vermittelt.

Ja, mich reizt eigentlich nur dieses Gefühl, das ich nicht recht beschreiben kann, das mich für den Moment aber erfüllt. Und ich erfreue mich an dem Gedanken, dass es da ein paar Menschen gibt, mit denen ich mein Gefühl teilen kann und hoffe, dass ich ihnen vielleicht mit dem einen oder anderen Bild ein schönes Gefühl in den Kopf, ins Herz, am besten in den ganzen Körper pflanzen kann.

Mehr möchte ich auch gar nicht und glaube, dass es genau das ist, was mir die Fotografie bringt und was mir so viel bedeutet: Ein schönes Gefühl in meinem Bauch und meinen Armen und meinem Kopf, die dann so schrecklich schön kribbeln, wenn ich es brauche.