Entscheidungen
19. März 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

Entscheidungen

Unter meinem letzten Artikel hier und auch schon vorher gab es neben positivem Feedback auch Kritik an meiner Landschaftsfotografie oder genauer an deren Farbigkeit und der Art, wie ich die Fotos bearbeite.

Breathe

Wenn Kritik sich häuft, ist das, wie ich finde, ein guter Anreiz, die eigene Fotografie zu hinterfragen. Darüber nachzudenken, wo man mit ihr hin möchte und ob man sich noch auf dem richtigen Weg befindet. Ist an der Kritik vielleicht doch etwas Wahres dran und was bedeutet das für die eigene Fotografie?

Zum Beispiel lese ich, die Fotos seien unrealistisch oder die Farben unnatürlich, dadurch gehe die Seele verloren oder es sei langweilig und austauschbar, weil mittlerweile jeder solche Fotos macht.

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Warum sind die Fotos unnatürlich? Weil es solche Farben in der Natur nicht gibt? Weil die Fotos so nicht aus der Kamera kommen? Oder weil der Kritikübende so etwas noch nicht gesehen hat?

Ich will ehrlich sein. Natürlich ist die Sättigung in vielen meiner Fotos etwas stärker als in der fotografierten Szene. Mir geht es nicht in erster Linie darum, die Landschaft möglichst exakt in meinen Fotos wiederzugeben.

Ich strebe ein Ergebnis an, das auf mich eine vergleichbare Wirkung hat wie der Moment, an dem ich die Aufnahme gemacht habe. Hinzu kommt der Wunsch, dass diese Wirkung auch anderen nicht verschlossen bleibt. Es geht darum, Gefühle und Erinnerungen zu wecken.

Ich habe leider keine Kamera, die neben Helligkeits- und Farbinformationen auch Gerüche, Geräusche, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit – eben alles, was ich wahrnehme – in einem Foto einfangen kann. Deshalb lege ich in der Nachbearbeitung etwas stärker Hand an, um der Realität, wie ich sie wahrgenommen habe, näher zu kommen und die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Am Ende ist ein Foto immer eine Interpretation des Gesehenen und es ist die Entscheidung des Fotografen, diese Interpretation der Kamera zu überlassen oder selbst einzugreifen.

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Und was bedeutet es eigentlich, dass ein Foto seine Seele verliert? Was ist die Seele eines Fotos? Ein ziemlich abstrakter Begriff wie ich finde, den jeder vielleicht etwas anders interpretiert.

Oben schreibe ich, dass es mir darum geht, Gefühle und Erinnerungen zu wecken. Ich suche immer nach der Schönheit einer Landschaft, diese möchte ich festhalten. Weckt ein Foto in mir Erinnerungen an diese Schönheit, ermöglicht es mir für einen Moment lang, die Welt um mich herum zu vergessen, lässt es mich eintauchen und hält es mich fest – das macht für mich die Seele eines Fotos aus.

Dabei spielt es keine Rolle, ob das Foto nun farbig oder schwarzweiß ist, ob es viele Details enthält oder eher minimalistisch ist, ob es wenig oder mehr bearbeitet worden ist. Es zählt nur, was das Betrachten eines Fotos in mir auslöst. Auf einen anderen Betrachter kann es natürlich ganz anders wirken.

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Zum Abschluss stellt sich noch die Frage nach der Austauschbarkeit. Man kann schon sagen, dass sehr viele Landschaftsfotografen mit intensiven Farben arbeiten. Ebenso ist die bevorzugte Zeit, um solche Fotos aufzunehmen zu Sonneauf- und -untergang. Ganz einfach, weil dann die Farben in der Natur am stärksten sein können.

Aber sind solche Fotos deshalb austauschbar? Die Unterschiede liegen meist im Detail, in der Art und Güte der Bearbeitung, den Feinheiten der Komposition, der Art wie eine Szene fotografiert wurde, dem Zusammenspiel von Licht, Wetter und Jahreszeiten. So viele Faktoren und Entscheidungen beinflussen ein Foto.

Am Ende sind die Fotos, die ich zeige, für mich selbst nie austauschbar. Zu viele Gedanken habe ich mir gemacht, zu viele Entscheidungen getroffen, von der Planung über die Aufnahme, die Bearbeitung bis zum Ergebnis.

Das verhindert nicht, dass sie vielleicht für jemand anderen langweilig erscheinen mögen. Geschmäcker sind verschieden.

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Auch wenn ich für meine eigenen Fotos meist eine sehr farbige Präsentation wähle, soll das keineswegs heißen, dass andere Arten der Landschaftsfotografie schlechter sind. Ich schaue mir auch sehr gerne Schwarzweiß-Fotos an und bin fasziniert von minimalistischen Kompositionen.

Meine Entscheidung für die Landschaftsfotografie, wie ich sie betreibe, sagt einzig, dass das mir momentan am meisten Spaß macht. Dass mir dieser Stil an meinen eigenen Fotos am besten gefällt. Er weckt in mir die richtigen Gefühle und Erinnerungen.

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