07. März 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Für Landschaften brauchst Du ein Weitwinkel!

Immer wieder liest man diesen Satz in Fotoforen, wenn Anfänger sich erkundigen, was für ein Objektiv sie sich kaufen sollen. Empfohlen werden dann oft sogar gleich Ultraweitwinkel, gerne ergänzt um den Kommentar: „Lichtstärke brauchst Du da nicht, für Landschaft blendest Du sowieso ab.“ – Ach ja?

Landschaft, Fotografie, 200mm, Ausschnit
200mm, starker Ausschnitt

Ich wohne hier zwar auf dem Land, aber so dünn besiedelt, dass man der Zivilisation komplett entrinnen kann, ist es dann doch nicht. Und man möchte sich ja nicht immer erst einmal eine Stunde ins Auto setzen, um anschließend fotografieren zu können.

Wenn ich nun bei Weitwinkel-Aufnahmen ständig Häuser, Straßen oder Strommasten im Bild habe, warum mache ich es dann nicht einfach mal anders? Ich beschloss also irgendwann, aus der Not eine Tugend zu machen.

Bei meiner nächsten kleinen Tour setzte ich also statt des Weitwinkels mein Teleobjektiv an die Kamera und begann, zu experimentieren. Durch die höhere Brennweite ergibt sich gleich eine ganz andere Räumlichkeit.

Der Raum wird „gestaucht“, Abstände scheinen kürzer zu werden. Voneinander entferne Objekte lassen sich so auf einmal verbinden, statt sie optisch noch weiter zu trennen oder Entferntes in der Winzigkeit verschwinden zu lassen.

Landschaft, Reben, Kloster und Kirche sind jeweils mehrere Kilometer voneinander entfernt
Reben, Kloster und Kirche sind jeweils mehrere Kilometer voneinander entfernt

Auch lässt sich im Telebereich besser mit selektiver Schärfe bzw. Unschärfe arbeiten. Weshalb muss denn bei einem Landschaftsfoto immer alles scharf sein?

Weshalb sollte man hier auf ein so grundlegendes fotografisches Gestaltungsmittel wie Unschärfe verzichten? „Blende auf“ hieß also meine Devise und eine weitere Runde Experimentieren war angesagt.

Wie wirkt ein unscharfer Hinter- und wie ein unscharfer Vordergrund? Wie weit muss ich tatsächlich aufblenden, um den gewünschten Effekt zu erzielen? Je höher die Brennweite, desto höher auch die Freistellung. Dementsprechend weniger weit muss die Blende geöffnet sein, um den Hinter- bzw. Vordergrund unscharf werden zu lassen.

Baum hinter Weidezaun, 200mm, Offenblende, Landschaft
200mm, Offenblende

Und um schließlich auch noch mit dem letzten Klischee aufzuräumen: Nein, man braucht auch nicht zwangsweise ein Stativ, um Landschaftsfotos zu machen.

Natürlich gibt es viele Situationen, in denen es nützlich ist und ich habe meines zugegebenermaßen (fast) immer dabei. Aber es gibt eben auch Bilder, für die man es absolut nicht braucht oder ein Stativ im Gegenteil sogar hinderlich sein kann.

Weiteres Experimentieren meinerseits also. Was kann ich ohne Stativ denn so alles anstellen? Was passiert, wenn ich freihand länger belichte? Wenn ich die Kamera dabei bewege? Auf und ab, hin und her, im Kreis, verdrehen…

Die Ergebnisse sind sicherlich Geschmackssache – aber ist das nicht bei jedem Bild so? – und für den einen oder anderen mag das auch mit Landschaftsfotografie schon gar nichts mehr zu tun haben.

Aber für mich ist es inzwischen ein essentieller Teil des Fotografierens geworden. Ich bin nach wie vor fasziniert davon, wie sich auf diese Weise aus einem Motiv ein völlig neuer Bildeindruck, die Illusion von etwas ganz anderem hervorbringen lässt.

Horizonte Ia, Landschaft, freihand
2,5 Sekunden belichtet, freihand verschwenkt

Ich hoffe, ich bin mit meinem kurzen Rundumschlag gegen gängige Klischees der Landschaftsfotografie niemandem auf die Füße getreten. Es liegt mir fern, die – ich nenne es mal so – klassische Landschaftsfotografie abzustempeln.

Wer sich in meinen Bildern umschaut, wird sehen, dass ich mich selbst auch damit beschäftige.

Aber ich denke, dass ein Blick über den Tellerrand nie schaden kann und vielleicht habe ich es geschafft, den Horizont des einen oder anderen von Euch ein bisschen zu „erweitern“.

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