01. März 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

Oliver Weber, Arzt und Geschichtenerzähler

Meine eigentliche Berufung füllt mich jeden Tag aufs Neue aus. Ich stamme aus München und bin Arzt auf einer der kleinsten Kanareninseln. Hier kann ich meinen Beruf mit der Hingabe ausüben, wie ich mir das seit meiner Studienzeit immer gewünscht habe. Seit einigen Jahren lebe und arbeite ich auf La Gomera. Diese Insel ist längst so etwas wie meine zweite Heimat geworden.

Ich liebe die Menschen, die hier leben, fühle mich inzwischen fast wie einer von ihnen. Viele dieser einfachen und so liebenswerten Menschen sind nicht nur meine Patienten und Nachbarn, sondern die meisten sind längst meine Freunde geworden. Man kann also gut und gerne sagen, mein Beruf füllt mich auf die wunderbarste Weise aus – er ist eines meiner Lebenselixiere.

Oliver Weber, Arzt

Aber immer, wenn es meine Zeit irgendwie erlaubt, gehe ich meiner zweiten großen Leidenschaft nach, ohne die ich eigentlich ebenfalls nicht leben, nicht sein kann. Es ist die Fotografie. Sie füllt mich aus und vermag mir all die Kraft zurückzugeben, die mir mein verantwortungsvoller Beruf ein ums andere Mal abverlangt. Fotografieren ist also für mich seit Langem ebenso zum Lebenselixier geworden. Ohne die Fotografie kann ich nicht sein. Erst sie macht mich zu einem rundum glücklichen Menschen.

Und mit dem Fotografieren habe ich eine für mich ganz eigene Sichtweise von allem, was mich tagtäglich umgibt, entwickelt. Am liebsten bin ich immer sehr nah an den Menschen dran. Nicht nur in technischer Hinsicht, sondern fast ausnahmslos als Freund, als ein Teil der Gruppe; ich bin keiner, der aus der Distanz schaut und schnell seine Bilder macht.

Ich fotografiere um der Bilder Willen, wegen dem, was ich sehe, fühle, die Motive, die mich fesseln mit ihren Menschen und Straßenszenen, der Natur, den Landschaften. All das möchte ich für immer fest halten, besitzen. Das Gesehene, was mich vor Ort so vereinnahmt hat, mit nach Hause nehmen, um es wieder und wieder zu betrachten. Und ich möchte meine Freude an meinen Bildern mit anderen Menschen teilen, möchte sie als Betrachter fesseln. Das allein zählt für mich und vermag mir Kraft und Freude zu spenden.

Oliver Weber, Arzt

Mit diesem Mann habe ich fast einen ganzen Nachmittag in seinem bescheidenen Heim in Marrakech verbracht. Er hatte mich eingeladen, einzutreten und wir tranken Tee. Dabei unterhielten wir uns mit Händen und Füßen. Am Ende unseres Beisammenseins fragte ich ihn, ob ich ein Bild von ihm machen könnte. Es wurden dann zwei:

Oliver Weber, Arzt

Was ich damit sagen möchte: Es gibt Situationen in der Fotografie, die Zeit und einiges mehr brauchen. Und in anderen Momenten wieder muss man sehr schnell sein:

Oliver Weber, Arzt

Ich sehe mich als ein Fotograf, der sich auf der Straße einfach treiben und die Dinge ganz ohne Hektik auf sich zukommen lässt. Dabei steht das Foto erst einmal weniger im Vordergrund, sondern manche menschliche Begegnung, die daraus entsteht. All dies ist mir wichtig für meine Portraits der Menschen. Der Blick durch den Sucher erzeugt bei mir Spannung, wie auch gleichzeitig Entspannung.

Alle Geschehnisse um mich herum verdichten sich immer mehr auf einen einzigen kleinen Moment. Jetzt gilt es, ihn so einzufangen, dass er zu etwas Besonderem wird.

Oliver Weber, Arzt

So nehme ich mir immer wieder viel Zeit zum Fotografieren. Das ist auch mit ein Grund, warum ich seit einigen Jahren fast ausschließlich analog mit den verschiedensten Kameras fotografiere, mal in schwarzweiß oder auch in Farbe. Der Prozess von der Entstehung dieser analogen Fotografie bis hin zum fertigen Papierabzug in meiner kleinen Dunkelkammer ist ein deutlich längerer als der von einem digital entstandenen Foto. Das ermöglicht mir gleichzeitig eine größere Objektivität meinen eigenen Bildern gegenüber.

Oliver Weber, Arzt

Ich fotografiere Menschen nicht, weil sie gute Fotomotive abgeben oder als Charakterdarstellungen von Einzelnen auf Interesse in Ausstellungen stoßen könnten. Was ich in meinen Fotos festhalte, bewegt mich innerlich, es regt mich an, mit meinen Bildern zu sprechen. Ich konzentriere mich ausschließlich auf die Motive, die mich persönlich interessieren.

Oliver Weber, Arzt

Erst so kann ich zu den Gefühlen, den Lebenseinstellungen, dem Innersten der Menschen vorstoßen. Immer dann mache ich meine Bilder, wenn der richtige Moment für mich gekommen ist. Ist der ungenutzt verstrichen, dann ist er für immer verloren und nicht wiederholbar. Wenn Fotos tiefe Einblicke in die Menschenleben offenbaren, dann treffen die festgehaltenen Situationen immer das Wesentliche, das sich entwickelt, während ich schaue und beobachte.

Oliver Weber, Arzt

All dies ist mir wichtig für meine Fotografie und so versuche ich unverkennbare kleine Geschichten zu erzählen. Unlängst hat mich tatsächlich jemand einen „modernen Märchenerzähler in unserer verrückten und hektischen Zeit“ genannt, was mich sehr gefreut hat.

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