07. Februar 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Kreativität: Die Spirale

Spirale

Jeden Tag, an dem Du nicht übst, bist Du einen Tag weiter davon entfernt, gut zu sein. Ben Hogan, amerikanischer Golfspieler, 1912-1997

Ein gutes Zitat, nicht wahr? Jedoch gefällt es mir anders herum noch besser: Jeden Tag, an dem Du übst, bist Du einen Tag näher dran, gut zu sein. Und (auch) darum geht es in diesem Artikel.

Als ich im November 2010 damit begann, jeden Tag mindestens zehn Aufnahmen zu machen, passierte etwas Seltsames und zugleich Faszinierendes. Ich bemerkte, wie schnell ich meinen Stil fand, wie zügig ich vorankam und wie ich von Monat zu Monat neue Dinge sah, die mir vorher nie aufgefallen waren. Ich kam mir vor wie in einem Kreativitäts-Turbo-Boost. Das Fotografieren fühlte sich irgendwann wann wie eine Spirale, die nach oben geht.

Weiter bemerkte ich, dass ich das Gefühl, die Kamera in der Hand zu halten und abzudrücken, nicht mehr missen wollte. Sie gehörte irgendwann zu mir wie meine rechte Hand. Und irgendwann bemerkte ich, dass ich mehr sah. An Orten, die ich schon drei, vier oder gar zehn Mal besucht hatte, fielen mir mehr und mehr Dinge auf, die für ein gutes Foto tauglich waren. Mehr fotografieren, mehr sehen. Klick-klack!

Das Üben und Beherrschen der Kamera machte mich bereit, besondere Momente festzuhalten. Ich mache die Momente nicht selbst, da ich sie vor allem auf der Straße weder herbeiführen noch verhindern kann. Ich dokumentiere lediglich und warte auch oft an einer Stelle, bis irgendetwas Ungewöhnliches passiert. Und je häufiger ich fotografiere, desto besser bin ich darin, Situationen aus einer von Milliarden möglichen Perspektiven mit einem Foto einzufrieren.

Spirale: Der besondere Moment

Und dazu kommt noch etwas: Je öfter ich fotografiere, desto mehr Fotos muss ich logischerweise selektieren und bearbeiten. Was bedeutet: Zügiger auswählen, den Blick schärfen und effektiver bearbeiten. Weniger rumklicken, schneller finalisieren.

Wenn ich also heute Abend 250 Raw-Dateien vom Shooting heute Morgen importiere, kann ich diese mindestens doppelt so schnell fertigstellen wie vor zwei Jahren. Und ich weiß: Morgen kommen die nächsten Fotos, also nicht rumhängen, sondern arbeiten, fertigestellen und publizieren. Zeit ist für mich ein wichtiges Gut und davon ist nicht unendlich viel da.

Warum lerne ich so viel wie noch nie?
Weil ich so häufig fotografiere wie noch nie.

Außerdem verbringe ich heute fast gar keine Minute mehr damit, zu gucken, was dieser oder jener Regler in Lightroom eigentlich macht. Ich weiß es einfach. Und ich kann ihn genau dann einsetzen, wenn ich ihn brauche. Warum? Weil ich den Regler schon tausend Mal hin- und hergezogen habe.

Natürlich gibt es auch andere Zeiten. Mal ist Licht nicht so wie es hätte sein können, dann gibt es superviel zu tun, ein anderes Mal ist der Akku nach 15 Minuten leer. Und schlussendlich hatte ich nicht immer Lust aufs Bildermachen. Jedoch ist mir eines aufgefallen: Je länger ich am Ball blieb, desto leichter fiel es mir, die Unlust zu überwinden, rauszugehen und neue Fotos nach Hause zu tragen.

Und natürlich ist die Spirale nicht-linear. Let’s stay real. Es gibt Einbrüche und Tiefpunkte. Das sind Tage, an denen mir wenige bis gar keine Fotos gelingen und ich gefühlt immer den richtigen Moment verpasse. Ich habe dann den Eindruck, dass die besten Shots immer dann möglich wären, wenn ich die Kamera gerade abgelegt oder nicht greifbar habe. Doch das gehört für mich zum Weg. Das gehört dazu. Und ist sehr leicht zu verkraften, weil ich weiß: nicht mehr lange, dann bin ich wieder am Start und werde es erneut versuchen.

~

Engagiertes Fotografieren setzt eine Entwicklung in Gang. Es wie eine Spirale, die nach oben geht. Man wird besser, schneller und effektiver. Und jeden Tag, an dem ich übe, bin ich einen Tag näher daran, gut zu sein. Und das bin ich noch lange nicht.

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