kwerfeldein
02. Februar 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Sprung in die Freiheit

Das Bild Sprung in die Freiheit gehört zu den Ikonen der Fotogeschichte. Ich möchte die Geschichte hinter dem Bild erzählen. Denn denke ich an das geteilte Deutschland, dann habe ich dieses Foto im Kopf, das kurz nach dem Mauerbau entstand. Kein Bild des Mauerfalls ist so einprägsam gewesen. Ein Foto vom Anfang zeigt bereits das Ende.

Wir können das Bild hier leider aus Kostengründen nicht zeigen. Ihr könnt es aber auf der Seite der Anwältin, die die Rechte am Bild vertritt, ansehen. Oder gebt bei Google Sprung in die Freiheit Peter Leibing ein und bemüht die Bildersuche. Wir bedauern diesen Umstand sehr, aber das Bild ist mir wichtig, weshalb ich dennoch darüber schreiben möchte.

Und nun zum Bild.

Ein Volkspolizist springt in Uniform, mit Stahlhelm und schweren Stiefeln über die Grenze in den Westen. Die Lippen zusammengepresst, die Waffe hinter sich über die Schulter geworfen, schwebt er über einer Rolle Maschendrahtzaun. Seine Anspannung ist spürbar. Im Hintergrung erkennt man unscharf eine Gruppe von Menschen, die das Geschehen erst in diesem Moment langsam registrieren. Für Westdeutschland zeigte dieses Bild hervorragend die Schwäche Ostdeutschlands auf, dem offenbar selbst die eigenen Truppen davonliefen.

Der 20-jährige Fotograf Peter Leibing sollte im Auftrag der Fotoagentur Conti-Press den Bau der Mauer dokumentieren. Am 15. August 1961 stand er auf der Westseite der Bernauer Straße und ahnte bereits, dass irgendwas passieren würde. Und wartete.

Er stellte auf die Rolle Stacheldraht scharf und drückte rechtzeitig ab, als sich der 19-jährige Volkspolizist Conrad Schumann entschloss, zu springen. Leibing machte das Bild seines Lebens. Ironischerweise mit der ostdeutschen Kamera Exacta mit einem 200mm-Teleobjektiv.

Peter Leibing hatte beim Springderby in Hamburg Erfahrungen gesammelt, wie man ein Pferd im Sprung richtig fotografiert. Dieses Wissen kam ihm zu Hilfe. Ein Reporter von der Bildzeitung, dem das Bild nicht gelang, sprach Leibing an und überredete ihn, mit in die Redaktion zu kommen. So wurde das Foto erstmals am 16. August groß in der Bildzeitung veröffentlicht. Bis heute sind unzählige Veröffentlichung in Zeitschriften und Zeitungen, auf Postkarten, Münzen, Briefmarken und vielen anderen Medien gefolgt.

Der Geflüchtete Conrad Schumann war bis zum Bau der Mauer loyaler Bürger seines Staates gewesen. Als er jedoch ein kleines Mädchen sah, das zu Besuch bei seinen Großeltern in Ostdeutschland war, zu seinen Eltern auf westdeutscher Seite wollte und wie die DDR-Offiziere es zurückhielten, änderte sich seine Meinung. Dazu kam die Abscheu, auf jemanden schießen zu müssen.

Wie groß seine Anspannung und Angst sein mussten, als er beschloß, zu springen, kann man sich nicht vorstellen. Sie fiel auch nie wieder ganz von ihm ab. Im Westen angekommen, fühlte er sich verfolgt und lebte weiter in Angst vor der Stasi. Er nahm sich 1998 das Leben.

In Berlin kann man heute an der Bernauer Straße, Ecke Ruppiner Straße ein Denkmal sehen, das an Conrad Schumanns Sprung in die Freiheit erinnert. Peter Leibing klagte gegen die Nutzung seines Bildes als Vorlage für das Denkmal und verlor den Prozess. Er starb im November 2008. Hinterlassen hat er eines der bedeutendsten Bilder deutscher Geschichte.

Quellen:
Koetzle, Hans-Michael: 50 Photo Icons. Die Geschichte hinter den Bildern.
http://www.jf-archiv.de/archiv01/331yy09.htm [Stand: 28. Januar 2012]
http://www.lawmas.de/database/upload/hq/pstock_hqacdd52672f225ec36a0aa2b6e06bf4f1.pdf [Stand: 28. Januar 2012]

Update: Vielen Dank für Eure Rückmeldungen betrefflich der Quelle zur JF. Wir verstehen Eure Einwände und werden in Zukunft Quellen dieser Art nicht mehr verwenden. Unsere Motivation, sie zu nutzen war rein inhaltlich und keinesfalls politisch motiviert. Bei diesem Artikel müssen wir die Quellennennung bestehen lassen, da die Nicht-Nennung den Großteil des Artikels ad absurdum führen würde. Wir hoffen auf euer Verständnis.

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