Stormy Adraga
23. Dezember 2011 Lesezeit: ~9 Minuten

Verlaufsfilter in der Landschaftsfotografie

Mittlerweile habe ich auf diese Frage einige Antworten und möchte nicht mehr auf meine GNDs verzichten. Aber das war nicht immer so. Vor anderthalb Jahren habe ich angefangen, Verlaufsfilter zu benutzen. Ich war mir zu Beginn nicht sicher, ob und wie ich sie nutzen soll. Immerhin kam ich ja mit mehreren Belichtungen und deren Überblendung in Photoshop schon damals ganz gut zurecht.

Also warum hunderte Euro in Verlaufsfilter investieren? Am Anfang war es hauptsächlich Neugierde und ich habe mir auch erst einmal nur einen Filter gekauft, um die Kosten gering zu halten. Der Lee 0.6 hard GND ist bis heute mein Lieblingsfilter geblieben.

Außerdem benutzen viele meiner Vorbilder unter den Landschaftsfotografen Verlaufsfilter. Meist dazu, um den Himmel gegenüber dem Vordergrung abzudunkeln.

Wer kennt das nicht: Ein wunderschöner Sonnenuntergang, aber entweder ist der Himmel zu hell oder der Vordergrund bleibt fast schwarz. Früher war Bracketing meine Lösung. Heute schiebe ich ein, zwei Verlaufsfilter vor die Linse und schaffe so eine ausgeglichene Belichtung.

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Stormy Adraga – Hoya HD Polarizer, Lee 0.9 hard GND, Lee 0.6 soft GND, Lee 0.6 ND

Bewegte Objekte

Das erste Mal richtig vermisst habe ich einen Verlaufsfilter während unseres Cornwall-Urlaubs im letzten Jahr. Damals hatte ich mir den ersten Filter schon bestellt, aber Lieferschwierigkeiten ließen ihn nicht rechtzeitig ankommen. Das ist übrigens Standard bei Lee-Filtern, ein bis zwei Monate plane ich bei Bestellungen seither immer ein.

Doch zurück zu meinem Dilemma. Ich war morgens in Newquay am Hafen unterwegs und wollte den Sonnenaufgang fotografieren. Ich habe versucht, eine Langzeitbelichtung zu machen. Das leichte Schaukeln der Boote und die resultierende Unschärfe störten mich nicht. Das Ganze würde am Ende interessant aussehen mit der fixen Hafenmauer als Kontrast.

Ich machte zwei Belichtungen, eine für den Vordergrund und eine für den Himmel. Zwei Wochen später wollte ich zuhause am PC diese beiden Belichtungen dann überblenden. Und da erkannte ich das Problem:

Die Masten der Schiffe hatten sich natürlich auch bewegt und sie ragten bis in den Himmel, den ich aus der kürzeren Belichtung einblenden wollte. Unmöglich, das sauber zu machen. Die untere Hälfte der Schiffe bewegt sich stark und die obere kaum, wie sollte ich das zusammenbringen? Stempelorgie in Photoshop?

Mein Filter war nun angekommen. Er wäre die Lösung gewesen. Bei beweglichen Objekten, die über den Horizont ragen, brauche ich Verlaufsfilter.

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Portuguese Sunset – Hoya HD Polarizer, Lee 0.6 hard GND

Shoot and run

Fotografieren und wegrennen, warum das? Ganz so extrem habe ich es noch nicht am eigenen Leibe erfahren, jedoch schon oft zumindest die Variante „Fotografieren und schnell ein paar Schritte zurück machen“.

Der Begriff „shoot and run“ kommt hauptsächlich aus dem amerikanischen Raum. An der Westküste gibt es einige spektakuläre Küstenabschnitte, an denen oft starke Brandung und Wellengang herrschen.

Für gute Fotos gehen die Fotografen dort bis vor an die Klippen. Dann auf die Welle warten, Einschlag, Foto und schnell weg. An der Ostküste Australiens gibt es ähnlich spektakuläre Küsten und Brent Pearson hat ein unterhaltsames Video davon gemacht, wie er dort fotografiert.

Nicht jedermanns Sache. Aber es zeigt auch, dass es Situationen gibt, in denen man ganz einfach keine Zeit für Mehrfachbelichtungen hat und der erste Schuss daher besser sitzen sollte.

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Serene Adraga – Hoya HD Polarizer, Lee 0.6 hard GND

Wenn ich an der Küste fotografiere, gehe ich gern bis vor in den vom Wasser umspülten Bereich. Das läuft bei mir dann so ab: Das Wasser zieht sich zurück und ich folge, baue das Stativ im nassen Sand auf, richte es schnell aus und drücke bei der nächsten Welle rechtzeitig ab. Dann nehme ich das Stativ vom Boden und gehe wieder ein paar Schritte zurück.

Falls ich es mal nicht rechtzeitig zurück schaffe, hilft mir eine Regenhülle für die Kamera. Zuletzt so geschehen in Schottland, als ich in Elgol fotografiert habe. Die Belichtung war fertig und eine Welle von der Seite hat mich komplett erwischt. Danach war Trocknen von Equipment und mir angesagt und eine weitere Belichtung zunächst unmöglich.

Aber ich hatte meinen Lee 0.6 hard und Lee 0.6 soft GND drauf und das Foto ist dadurch trotzdem etwas geworden.

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Elgol’s fire – Hoya HD Polarizer, Lee 0.6 hard GND, Lee 0.6 soft GND

Bedachter abdrücken

Mit Digitalkameras ist es einfach, schnell ein paar Fotos zu machen. Ich kam an der Location an, baute mein Stativ auf und fing an zu fotografieren. So hatte ich wenigstens schon ein paar Fotos im Kasten und konnte mich dann in Ruhe der Umgebung widmen und nach besseren Kompositionen suchen.

Soll ich ehrlich sein? Diese ersten Fotos konnte ich am Ende fast immer löschen. Ich bin auch heute noch unruhig, wenn ich an einer Location ankomme und möchte am liebsten gleich loslegen zu fotografieren. Es hilft mir aber, erst einmal inne zu halten und die Szenerie auf mich wirken zu lassen. So werde ich etwas ruhiger und der darauf folgende Fotoshoot läuft meist entspannter ab.

Seit ich konsequent mit dem Lee-Filtersystem fotografiere, bin ich sozussagen dazu gezwungen, inne zu halten. Wenn die Kamera auf dem Stativ ist, muss ich erst noch den Adapterring anschrauben und die Filter anbringen. Ich wähle den Lichtverhältnissen entsprechend meine Filter aus, justiere sie um den Horizont und erst dann fange ich an, zu fotografieren. Auf mich hat das einen entspannenden Effekt.

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Summer at the lake – Hoya HD Polarizer, Lee 0.6 soft GND

Falls es aus irgendeinem Grund knapp wird und das Licht in seiner Flüchtigkeit fast schon wieder verschwunden ist, kann ich immer noch schnell eine Belichtungsreihe vorschieben. Aber da ist dann wieder diese Hektik. Selbst wenn ein tolles Foto dabei herauskommt, betrachte ich Fotos, die ich in kompletter Entspannung gemacht habe, immer lieber. Ich erinnere mich gern an solche Momente.

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Towards the Mountains – Hoya HD Polarizer, Lee 0.6 hard GND

Besseres Ausgangsmaterial

Bildbearbeitung ist wie Fotografieren ein großes Hobby von mir. Es stört mich nicht, mehrere Belichtungen zu überblenden und auch jetzt, da ich Verlaufsfilter benutze, muss ich oft noch auf diese Technik zurückgreifen.

In manchen Situationen ist es selbst mit Verlaufsfiltern nicht möglich, mit nur einer Belichtung den kompletten Dynamikbereich abzubilden. Wenn die Zeit dafür da ist, mache ich dann noch eine zweite oder dritte Belichtung, die ich später überblende.

Hier habe ich gemerkt, dass die Verwendung von Filtern mir dafür viel besseres Ausgangsmaterial liefert. Die Nachbearbeitung fällt mir leichter und ich komme zu saubereren Ergebnissen. Deshalb fotografiere ich mittlerweile nach folgender Regel:

Ich versuche mit einer Belichtung unter Verwendung von Verlaufsfiltern ein möglichst gutes Ergenis zu bekommen. Wenn das Histogramm jedoch Probleme in Lichtern oder Tiefen offenbart, mache ich zusätzliche Belichtungen, um damit umzugehen.

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Autumn Twilight – Hoya Pro Polarizer, Lee 0,6 hard GND, Lee 0.6 soft GND + 2 zusätzliche Belichtungen für späteres Blending

Welches Filtersystem?

Nun wisst Ihr, warum ich gern auf Verlaufsfilter zurückgreife. Vielleicht hat sich ja der eine oder andere von Euch auch schon damit beschäftigt und war sich unschlüssig. Wem meine Ausführungen bis hierher Lust auf Verlaufsfilter gemacht haben, dem möchte ich meine Ausrüstung als Beispiel nicht vorenthalten.

Ich habe bereits erwähnt, dass ich das Filtersystem von Lee verwende. Alternativen gibt es von Cokin, Hitech oder wenn man einen ganz dicken Geldbeutel hat, auch von Singh-Ray. Hier ist ein interessantes Video von PhotographyCourses.Biz über Lee-Filter und den Herstellungsprozess. Das erklärt auch, woher der Preis kommt.

Mit Lee habe ich mich nicht gerade für die billigste Variante entschieden. Auch wenn damals ein Shop für Lee-Filter schwer zu finden war, so war es für Hitech-Filter noch schwerer. Cokin wollte ich nicht, da sie keine gleichwertige Qualität bieten. Dafür sind sie aber auch billiger.

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Ich habe mir bei Wex Cameras den Lee-Filterhalter, einen Lee 0.6 hard GND und eine Triple Pouch bestellt. Jetzt gibt es bei Wex Cameras auch Hitech-Filter und laut einiger Berichte sollen die sich nicht viel nehmen.

Zudem habe ich mittlerweile einen Lee 0.9 hard GND, der jedoch fast nie zum Einsatz kommt und einen Lee 0.6 soft GND. Diesen verwende ich gerne in Kombination mit dem Lee 0.6 hard GND. Zu den Verlaufsfiltern gesellt sich ein 0.9 ND, den ich oft für Wasserfälle oder am Meer benutze. Ein Big Stopper ist auch in meinem Rucksack, aber da bleibt er meistens. Nur, wenn ich tagsüber Langzeitbelichtungen machen möchte, verwende ich ihn.

Ich hoffe, ich habe Euch etwas für Verlaufsfilter begeistern können und vielleicht auch ein paar Fragen beantwortet, die Ihr Euch auch schon gestellt habt.

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