22. Dezember 2011 Lesezeit: ~5 Minuten

Ubermütiger Filmanfang & andere verquere Dinge

Bevor ich im nächsten Jahr unsere provisorische Dunkelkammer etwas intensiver benutze, dachte ich mir, zum Jahresende passt es doch, ein paar filmische Querschläger als leichte Kost zu offenbaren.

Da hätten wir zum einen den übermütigen Filmanfang, der entsteht, wenn man den Film zu früh belichtet. Dann bekommt man nämlich ein halbes Bild geschenkt. Der untere Teil ist sichtbar und der obere Teil verschwindet in neblig zerfaserndem Weiß. Es erinnert ein bisschen an das Nichts aus der unendlichen Geschichte oder aber – wie beim unteren Bild – an ein Wolkengebilde, das ganz zufällig mit den Tropfen auf der Scheibe harmoniert.

Und da ich mir dachte, dass es sicherlich nicht nur mir so geht, habe ich einige Fotografen gefragt, was sie in ihren Negativordnern an kleinen Ungereimtheiten haben. Und ich freue mich sehr, Euch nun auf eine kleine persönliche Reise durch die fotografischen „Unfälle“ mitzunehmen. Und vielleicht entdeckt Ihr im Unperfekten kleine „Ahhs“ und „Ohhs“.

Foto: Oliver

Im Falle von Olivers Bild finde ich diesen Zufall sehr passend. Glühbirnchen und das zerfasernde Nichts darüber. Da könnten einem so einige philosophische Betrachtungen einfallen.

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Filmklammerkunst

Besonders hübsch sind aber auch Filmklammerlöcher. Wenn auf den Mittelformatfilm statt 12 doch 13 Bilder draufpassen, aber dann kein Platz mehr für die Aufhängung zum Trocknen des Filmstreifens ist, dann bekommt man dieses schöne Ergebnis.


Foto: Susann Probst

Nach dem Entwickeln und Herausnehmen des Films hat man nicht mehr viele Möglichkeiten des Aufhängens. Der Filmstreifen ist nass und je länger er in der Hand und an der Luft ist, desto eher kann sich Staub verfangen.

Also kneift man schnell am oberen Ende des Films die Klammern rein und ärgert sich dann vielleicht später, wenn das Bild doch eines der guten ist. Anderen ist das aber auch egal. Filmlöcher können ja manchmal auch rocken.

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Verschnitt

Wenn man seine Bilder bei Großlaboren entwickeln lässt, kann es auch schon einmal vorkommen, dass die Bilder an der falschen Stelle zerschnitten werden. Herr Beckmann war erfinderisch und setzte zwei falsche Filmteile einfach zu einem zusammen. Genannt hat er es: „Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile.“ (Der Titel bezieht sich auf das rechte Bild.)


Fotos: Rüdiger Beckmann

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Chemieunfall

Verstörend können kleine Chemieunfälle wirken. Wenn beim Entwickeln oder Abziehen einfach mal was daneben geht oder man irgendwas falsch gemacht hat. Der Zufall spielt dabei wieder eine große Rolle dafür, ob man danach völlig deprimiert oder verwundert ist. Unikate sind es dann in jedem Fall.


Foto: Nancy Eichler


Foto: Susann Probst


Foto: Rüdiger Beckmann

Das folgende Bild wirkt gar nicht wie ein Chemieunfall, sondern wie gewollt, aber auch hier ist etwas schief gegangen. Nach dem Entwickeln und vor dem Fixieren wurde der Deckel des Entwicklertanks aus Versehen ganz kurz geöffnet und danach fixiert.

Beim Wässern gab es dann eine Überraschung. Die oberste Schicht des Films und die Finger waren schmierig-silbrig und durch den Versuch, nach dem Trocknen das Schmierige noch mit Filmreiniger zu entfernen, sind dann diese hübschen Sternschnuppen entstanden.

Was genau der Grund für diesen Unfall ist, das Öffnen des Deckels oder ob der Film selbst nicht in Ordnung war, das lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Aber dass hier zufällig alles passt, Motiv und Struktur eine Gesamtheit bilden, das ist glückliche Fügung.


Foto: Marcel Pommer

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Lichteinfall

Holga-Besitzer kennen das „Problem“ und rechnen natürlich damit. Immerhin wird beim Verkauf der Holga oft schwarzes Tesa mitgeliefert, um die Filmklappe zu befestigen, da diese doch meist undicht ist und auch gerne mal aufspringt. Ich habe meine Holga nach solch einem Vorfall übrigens meiner Mitbewohnerin geschenkt.


Foto: Rüdiger Beckmann

Aber auch bei guten Kameras kann so etwas passieren, wenn die Kamera nicht dicht ist, man beim Filmeinlegen die Klappe nicht richtig verschlossen hat oder einem die Kamera runterfällt und die Klappe kurz aufspringt.

Beim unteren Bild war der Fotograf nicht dicht, weil er in dem Glauben, in der Kamera wäre kein Film, die Klappe öffnete. Einem gefühlt zu langem „Ähh..“ folgte hastiges Schließen. Wir danken dafür. Denn das Ergebnis ist hübsch. Redscale der anderen Art.


Foto: Marcel Pommer

Meiner Meinung nach haben solche Resultate gerade wegen des Unbeabsichtigten ein Kreativitätspotential. Ich überlege mir zum Beispiel, ob ich die halben Filmanfänge nicht mal absichtlich komponiere, muss aber zugeben, dass ich meine Chemieunfälle aus der Dunkelkammer unmittelbar danach direkt dem Mülleimer übergebe, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, was ich da fabriziert habe. Aber vielleicht sollte ich solche Sachen demnächst einfach mal scannen.

Unser kleiner Ausflug durch die Welt der charmanten bis abstrusen Filmunfälle ist hiermit leider zu Ende. Ich hätte gern noch viel mehr gezeigt, denke aber, hier eine gute Auswahl getroffen zu haben.

Jetzt frage ich Euch: Bewahrt Ihr auch das eine oder andere Missgeschick in einem Ordner auf, weil es trotz oder gerade wegen einem kleinen Unfall etwas Besonderes geworden ist? Zeigt es uns!

Ein Dank geht an Susann Probst, Nancy Eichler, Oliver, Rüdiger Beckmann und Marcel Pommer für das Zeigendürfen ihrer kleinen Filmunfälle.

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