19. Dezember 2011 Lesezeit: ~8 Minuten

Im Gespräch mit Hannes Caspar

Ich sitze bereits vor dem ausgemachten Treffpunkt, einem kleinen Lokal in Berlin-Mitte und warte auf Hannes Caspar. Einigen vielleicht schon vom Projekt Facity bekannt, dessen Mitbegründer er ist.

Wartend lese noch in meinem Buch „Just Kids“ von Patty Smith, um die Anspannung ein bisschen loszuwerden, als ich merke, wie jemand Hochgewachsenes an mir vorbeiläuft und gerade das Cafe betreten möchte. Ich rufe seinen Namen und er dreht sich um. Wunderbar.

Wir suchen uns einen gemütlichen Platz ganz hinten im Cafe, bestellen frischen Pfefferminztee und unterhalten uns erst einmal über Dinge, die wir in diesem Moment um uns herum wahrnehmen. Ich packe das Aufnahmegerät aus und drücke auf das Mikrosymbol. Wir machen einen Aufnahme-Test und er liest mir folgendes aus „Just Kids“ vor:

„[…] Am Ende wird man die Wahrheit in seinem Werk finden, der eigentlichen Verkörperung des Künstlers. Sein Werk wird nicht vergehen. Es entzieht sich dem menschlichen Urteil. Denn die Kunst besingt Gott und ist letzlich sein.“

Hannes, erzähl uns doch erst einmal ein bisschen was von Dir.

Ich bin 1979 in Berlin geboren und habe schon früh angefangen, visuell zu denken und Dinge zu bewerten, vielleicht so mit 12 bis 13 Jahren kann ich mich bewusst daran erinnern. Anfangs über Filme, mir fielen Details auf, oft grafischer Natur. Mich interessierten auch die Kameraeinstellung, wie etwas aufgenommen wurde und dann auf mich wirkte.

Bevor ich zur Fotografie kam, habe ich viel mit Musik gemacht, Musik war und ist für mich essentieller als Fotografie. Ich habe 15 Jahre lang Klavier gespielt und wäre ich nicht Fotograf geworden, wäre ich jetzt sicher Musiker.

Wann hast Du dann bewusst angefangen, zu fotografieren?

Weihnachten 2005 habe ich meine erste DSLR bekommen, eine Canon 350D. Damit fing es dann langsam an. Ich habe sehr viel damit ausprobiert. Anfangs eher Abstraktes und Grafisches, dann Freunde fotografiert und dokumentiert.

Damals waren diverse Fotoforen sehr wichtig für mich. Ich war unsicher und hatte immer wieder Zweifel. Dort gab es Feedback auf meine Fotos und und das half mir damals sehr. Aber auch heute noch habe ich einen hohen Anspruch an mich, kritisiere mich selbst und zweifle manchmal.

Was kritisierst und zweifelst Du an?

Die Fotografie ist allgegenwärtig. Überall wo wir hinschauen, werden Fotos hochgeladen, ob in sozialen Netzwerken oder Fotoforen. Jeder Klick ein Foto. Ich habe das Gefühl, mit jedem weiteren Foto wird das Foto selbst entwertet. Ich finde die Fotografie verhält sich hier inflationär.

Es gibt kaum noch Neues, es ist ein Wiederkäuen von Bildinhalten. Ich habe den Anspruch an mich, in meinen Arbeiten einen neuen Aspekt aufzuzeigen, mich auch abzugrenzen gegen die Bilderflut. Ich möchte nicht grundsätzlich etwas Neues erschaffen, aber ein Detail, eine Nuance die anders ist, vielleicht sogar provokant sein kann.

Was zeichnet Deine Arbeiten grundsätzlich aus?

Ich ästhetisiere meine Bilder. Das ist mein eigener Anspruch. Ich denke und sehe grafisch, was in der Menschenfotografie erstmal komisch erscheint. Aber es passt. Der Mensch ist für mich nicht austauschbar. Mit ihm und meiner ästhetisierten Sicht auf ihn entsteht das Bild.

Außerdem ist die Reduktion in meinen Bildern allgegenwärtig. Ich versuche, alles aus dem Bild herauszunehmen, was den Mensch verschleiern oder verstecken könnte. Ich möchte ihn so zeigen wie er dort ist. Nicht mit Schminke oder Kostümen vollpacken. Ästhetik und Reduktion sind die beiden Schlüsselwörter.

Was ist wichtig beim Fotografieren von Menschen?

Kommunikation und Austausch, wie auch überall sonst im Leben. Nur so kann ich einem Menschen näher kommen, ihn verstehen. Ich möchte, dass sich der Mensch in meinem Umfeld wohl fühlt, ihm Sicherheit geben, die Unsicherheit nehmen und nur so kann ich ihn dann auch fotografieren.

Das bringt uns zu einem Deiner Projekte, Facity, da hast Du ja mit vielen Menschen zu tun. Kannst Du uns etwas mehr zur Entstehungsgeschichte erzählen?

Die Initialzündung kam durch ein Theaterprojekt. Ich sollte einheitliche Portraits von Schauspielern für ein Theaterstück anfertigen und das natürlich mit einfachen Mitteln und ohne großen Aufwand. Ich überlegte mir also, alle Portraits mit Tageslicht zu machen und die Gesichter frontal zu fotografieren. Übrigens das Erfolgsrezept von Facity, diese Methode ist eine todsichere Sache, da kann eigentlich nichts schiefgehen.

Da ich Haare ebenfalls als zu ablenkend und wertend empfand, fotografierte ich den Mensch so, dass der obere Abschluss des Bildes direkt durch die Mitte der Stirn geht. Ohne Haare ist der Mensch plötzlich einfach nur Mensch. Ob Mann oder Frau, das wird unwichtig.

Um die Serialität aufzuzeigen, ordnete ich die Portraits der Schauspieler alle auf einem Bild an und zeigte diese dann einem Freund, den ich schon ewig kenne und der selbst aus der Medienecke kommt. Er fand das so super, dass er meinte, wir müssten daraus was machen. So kamen wir auf die Idee, Berliner zu fotografieren. Der Anfang von Facity.

Während des Gesprächs über Facity und dem Folgeprojekt CACHU, fiel uns auf, dass es darüber eine Menge zu sagen gibt und der Inhalt der Sache die Länge des Interviews sprengen würde. Den Projekten Facity und CACHU werden wir uns demnächst also noch einmal gesondert widmen.

Neben Facity findet man auf Deiner Seite auch noch andere Projekte. Du machst auch kleine Filme. Ein neuer Weg?

Ja, die kleinen Filme sind ein weiterer Schritt, ein Bild weiter auszubauen. Mit den Filmen habe ich die Möglichkeit, eine größere emotionale Wirkung zu erzielen. Ich habe nicht nur einfach ein Bild, sondern pro Sekunde 24 Bilder. Es sind Geschichten ohne Worte.

Mit welcher Kamera arbeitest Du dabei?

Ich habe sie mit der Canon 5DMark II aufgenommen, die letzten jedoch mit einer Red One.

Als du letztens unseren ersten Interview-Termin absagtest, waren der Grund zwei kleine Filme, auf die Du Dich vorbereiten wolltest. Erzählst Du uns mehr davon?

Genau, ich habe am Wochenende zusammen mit einem Freund zwei kleine Filme gedreht, die mit größerem Aufwand verbunden waren als sonst. Der erste Film hat einen erzählerischen Aspekt, während der zweite eine träumerische Stimmung transportiert. Es gab ein kleines Team, bestehend aus zwölf Leuten.

Eine ungewohnte, aber spannende Erfahrung, die mich für weitere Fimprojekte inspiriert hat. In Zukunft möchte ich allerdings Filme mit Ton, also gesprochenen Dialog machen. Bilder mit Musik allein reichen mir nicht mehr. Deswegen arbeite ich gerade intensiv an einem Drehbuch für einen Spielfilm.

Das ist eine ganz andere Art der Kreativität. Während bei den Fotos ein Augenblick zählt, der Zufall mein Freund ist, kann ich hier nun wirklich eine Geschichte erzählen und bin gefordert, das dann auch so umzusetzen. Das ist auf einmal ein ganz anderer Anspruch.

Klingt so, als hätte Dich die Sache ganz schon gepackt. Es wird also in dieser Richtung weitergehen?

Ja, auf jeden Fall. Es eröffnet einem ganz andere Möglichkeiten und es macht Spaß!

Die Vielgestaltigkeit Deiner Projekte und Arbeiten finde ich aufregend und inspirierend und kann die KWERFELDEIN-Leser nur dazu aufrufen, sich mit Deinen Arbeiten auseinander zu setzen, sofern sie diese nicht schon längst kennen. Ich bin außerdem gespannt auf die zukünftigen Filme, die Du drehen wirst.

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