11. Dezember 2011 Lesezeit: ~4 Minuten

Die Luft einfangen, die einen Ort umgibt

Yuichiro Miyano glaubt, dass man durch Aufnahme eines Bildes auf Film die Luft einfangen kann, die einen Ort umgibt. Einer der Gründe dafür, warum er die analoge Fotografie liebt. Vielleicht liegt es aber auch nur am höheren Kontastumfang des analogen Materials im Vergleich zum digitalen.

Was auch immer die Gründe für die Andersartigkeit von Bildern auf Film sein mögen, Miyano liebt ihre feine und reiche Gradation, die lebensechten Texturen und die authentische Wärme, die er damit einfangen kann. Die Liebe zum Mittelformat äußert sich auch darin, dass in seinen Bildern immer wieder eine Zweiäugige auftaucht, die seine Modelle halten oder durch sie hindurchblicken.

Feinheit ist überhaupt das, was auf verschiedenen Ebenen ein wichtiger Aspekt in Miyanos Arbeiten ist. Sanfte Farben unterstützen die abwesende Stimmung, in der die zumeist jungen Frauen auf seinen Bildern abgebildet sind und in weiten Landschaften stehen, die sich von der milden Seite anstatt mit wilden Naturgewalten zeigen.

Jüngst beschäftigt er sich damit, die Luft und den Raum zwischen einer Person und der Landschaft einzufangen und speziell zu thematisieren. In einem größeren Rahmen bestehen für ihn Landschaften immer auch aus Menschen. Diese beiden arrangiert er und lotet behutsam die Konstellationen aus.

Besonders mag ich die Melancholie, die sich in seinen Bildern findet: Sie ist oft auch hell und leicht und nicht im üblicherweise düsteren Mantel der Schwermut verpackt. Sie ist nicht allein, sondern lässt auch Nachdenklichkeit und Konzentriertheit durchschimmern.

Mir scheint, seine Modelle verharren in einem Augenblick der Erkenntnis, sind sich gerade der schieren Weite der Natur bewusst, deren Ausmaß nicht zu fassen ist und sie daher mit dem Wunsch, alles zu umarmen, zurücklässt. Es bleibt nur übrig, weiter ein ganz kleiner Teil in dieser end- und randlosen Welt zu sein.

Eine ähnliche Stimmung erzeugen seine Landschafts- und Detailbilder, die zwischen den Portraits immer wieder auftauchen. Seltsame Arrangements, die wahrscheinlich natürlich oder zufällig im Wald, am Meer, auf der Straße oder in einem Zimmer entstanden sind, hält er ebenso fest.

Klare und gleichzeitig zurückhaltende Linien strukturieren die oft minimalistische Komposition, Richtungen weisen das Auge und spielen mit der Balance des Bildes in sich. Auch hier stellt sich die Frage, welche Rolle der scheinbar zufällige Ausschnitt in der Welt spielt oder wie die abgebildete Situation entstanden ist.

Miyano ist 37 Jahre alt und arbeitet als Angestellter in einer Tokyoter Firma. Erst seit vier Jahren beschäftigt er sich autodidaktisch mit Fotografie, er selbst nennt es eine „Liebesaffäre mit dem Mittelformatfilm“.

Es ist sehr spannend, sich in Miyanos Flickr-Stream einmal durch seine bisherige Schaffenszeit zu blättern. Dann sieht man, wie er rückblickend langsam seinen Stil herausgearbeitet hat. Selbst in seinen ersten Schnappschüssen sind bereits die Versatzstücke zu finden, die jetzt seinen ruhigen Stil ausmachen.

Er arbeitet mit verschiedenen Kameras von Hasselblad bis Holga und schafft es mit der Spielzeugkamera ebenso wie mit dem Porsche unter den Kameras, seine persönliche Vision umzusetzen, seinen Stil sichtbar zu machen. Auch die Frage, ob Schwarzweiß oder Farbe stellt sich ihm nicht, er beherrscht beide Paletten.

Am liebsten hätten wir ein Interview mit Miyano geführt, um mehr darüber zu erfahren, was hinter seiner naturverbundenen Philosophie und seinen Theorien über das Einfangen von Luft und Raum in Bildern steckt.

Doch dieses Mal konnten wir die Sprachbarriere kaum überwinden, da Miyano nur wenig Englisch spricht und unser Japanisch leider gar nicht vorhanden ist. Was uns zum Glück nicht davon abhalten konnte, Euch hier einen Einblick in sein Schaffen zu geben.

Auf Miyanos Webseite findet sich ein kleines Portfolio seiner Arbeit. Ausgiebig verfolgen kann man sein Schaffen über Flickr und über seinen Fotoblog, der passenderweise einfach 120 heißt.