21. November 2011 Lesezeit: ~10 Minuten

Im Gespräch mit Henrik Pfeifer

Es war einer dieser schönen windigen Herbsttage, als ich nach dem Atelier von Henrik Pfeifer suchte. Zwischen den neu aufgehübschten Wohnhäusern der Straße im sogenannten Prenzlberg fand sich nur ein einziges noch immer altes und verwunschenes Wohnhaus wie es früher so typisch für die Gegend war.

Ich war aufgeregt, war es doch mein erstes Interview von Angesicht zu Angesicht mit einem Fotografen für KWERFELDEIN. Kennengelernt hatte ich Henrik über die Model-Kartei. Ihm gefielen meine Bilder und er wollte einmal umgekehrt von einer Fotografin portraitiert werden. Ich fand seine Arbeiten und seine Ansichten jedoch so spannend, dass ich ihn zunächst um ein Interview bat.

Ein gut gelaunter und mit Umarmung begrüßender Fotograf empfing mich und führte mich in sein Atelier. Die Anspannung und Aufregung glitt schnell von mir, denn Henrik arbeitete gerade an einem seiner Bilder und ich durfte zuschauen und Fragen für die Leser stellen.

Henrik, erzähl uns doch erstmal ein wenig von Dir.

Ich bin 1968 in Remscheid geboren und fotografiere schon mein ganzes Leben lang. Mit sechs Jahren habe ich die erste Kamera von meinen Eltern geschenkt bekommen.

Henrik geht mit mir ins Nebenzimmer, während das Aufnahmegerät in seinem Atelier die Stille aufnimmt. Er öffnet einen Schrank und kramt sich durch alte Kameras, Filme, eine Super8-Kamera, Diarahmen. Er zeigt mir stolz seine erste Kamera, eine Agfamatic 50. Das dazugehörige Fotoalbum findet er auch und zeigt mir seine ersten Aufnahmen.

Wir wühlen uns durch fototechnische Zeitgeschichte. Die Arette von seinen Eltern, eine Ritsch-Ratsch-Pocket-Kamera, die er sich als Kind immer wünschte, aber nie bekam und dann, als er eigenes Geld hatte, unbedingt besitzen musste. Eine Plattenkamera von seinem Onkel ließen wir staunend durch unsere Hände rauschen, während wir eine gefühlte Stunde dort auf dem Boden hockten.

Du wolltest also schon immer Fotograf werden bzw. warst und bist es ja auch?

Mit 15 oder 16 wollte ich natürlich Starfotograf werden. Im Garagenhof habe ich Fotos von meiner Cousine gemacht, die wiederum Model werden wollte. Ich fand es cool in der Rolle des Fotografen und ich behielt diesen Status auch in meiner Schulzeit bei. Während andere Fußball spielten, machte ich die Fotos dazu.

Ich habe keine Ausbildung gemacht. Zur Fotografie trieb es mich in all den Jahren über Umwege. Ich wollte eigentlich Schauspieler werden und habe dann über meinen Schauspiellehrer einen Job als Requisitenfahrer bekommen und dachte, ach, ich komm dann an das Set gefahren, der Regisseur sieht mich und besetzt mich gleich in seinem Film.

Natürlich total naiv gedacht, aber damals war ich schwer von mir überzeugt. Ich machte dann ein Praktikum als Innenrequisitenassistent bei der Lindenstraße und so ging es immer weiter. Während meiner Arbeit beim Film konnte ich den Regisseuren natürlich über die Schulter schauen, habe dann auch als Regieassistent gearbeitet und fand das Inszenieren ganz spannend.

Du warst dann auch kurzzeitig Filmemacher?

Als Viva gerade entstand, habe ich mit einem Freund und mit der Super8-Kamera Musikclips gedreht. Aber die Musikindustrie und ich hatten unterschiedliche Vorstellungen und so kamen wir nicht zusammen.

Anschließend wollte ich ewig lang mal einen Film drehen, aber es scheiterte immer am Geld. Ich habe 2004 mit dem Dreh von Emilia Galotti von Lessing angefangen können. Die Idee war, einen Film komplett ohne Geld zu machen. Aber immer mehr Leute waren davon begeistert und es kam doch noch eine Menge Geld zusammen.

Der Film lief zwar nicht gerade erfolgreich in der Schweiz im Kino, dafür aber fünf Mal auf ARTE und auf anderen Sendern. Allerdings habe ich  nach dem Film keine weitere Chance mehr bekommen, weil ich keinen Mainstream drehen wollte.

Du hast Dich dann dem Portraitieren von Schauspielern gewidmet?

Ja, das hat sich dann auch langsam entwickelt. Ich habe anfangs für meine Freundin, die Schauspielerin war, Portraits gemacht und von da an wurde das ein Selbstläufer. Heute lebe ich hauptsächlich von Schauspielerportraits.

Du hast in der Fotografie also Deine wahre Berufung gefunden?

Ja, ich habe gemerkt, dass mir Leute für das, was ich gern mache, Geld geben. Ich habe also etwas gefunden, mit dem ich vollkommen glücklich bin. Ich muss mich nicht verbiegen, habe genügend Freiraum, um tun zu können, was ich gern möchte. Ich kann mich nicht unterordnen oder mich fügen und somit ist die Entwicklung, die ich gemacht habe, eine glückliche Fügung.

Wieviel Zeit nimmst Du Dir für eine Person und mit welcher Kamera arbeitest Du?

Ich arbeite mit einer Pentax 6×7, mache während einer Session immer 100 Bilder und nehme mir so vier bis fünf Stunden Zeit oder auch mal länger. Ich arbeite am liebsten bei den Leuten zuhause und mit natürlichem Licht.

Nimmst Du auch andere Jobs an?

Manchmal mache ich auch PR-Jobs. Bei solchen kommerziellen Sachen bin ich allerdings nicht bereit, für jeden Preis zu arbeiten. Ich werde öfter angefragt, bin dann aber den Leuten zu teuer. Meine Arbeit hat einen gewissen Wert. Preise sind jedoch immer individuell verhandelbar.

Wir gehen wieder ins Atelier zurück. Henrik schneidet mit dem Cuttermesser Teile eines Bildes zurecht und legt diese auf einem anderen Tisch wieder zusammen.


Henrik beim Zuschneiden…

Erklär mal, Henrik, was machst Du da und warum?

Für einen Kunden setze ich gerade ein Bild zusammen, das er im Weinmeister, einem Hotel, entdeckte. Im Rahmen des 88Tesa-Projekts hatte ich für das Hotel 88 großflächige Portraits aufgenommen und bearbeitet.

Ursprünglich wollte ich großflächige Aufnahmen meiner Schauspielerportraits. Großflächige Ausbelichtungen konnte und kann ich mir aber nicht leisten. Also überlegte ich, wie ich mit meinen mir zur Verfügung stehenden Mitteln ein vergleichbares Ergebnis erzielen kann.


…und beim Zusammenlegen der einzelnen Teile

Inspirierend dabei war ein Interview von Josef Beuys, in dem er von seinen Lieblingsmaterialien Filz und Fett berichtete. Heute wie damals billige Materialien. Ich entschied mich also, meine Bilder mit einem einfachen Laserdrucker stückweise auszudrucken, um sie dann mit Tesa wieder zusammenzukleben. Also ebenfalls billige Materialien.

Anfangs wollte ich das so ordentlich wie möglich machen. Aber der Kleber wellte das Papier und das Tesa machte die Bilder unperfekt. Ich kam zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Nach und nach nahm ich die Unperfektheit der Bilder an und bemerkte plötzlich diesen künstlerisch-kreativen Prozess.

Die Risse, fehlenden Teile, das Zerstückelte fügte sich zu einem Ganzen zusammen. Entpackte ich die Portraitierten zunächst für das Foto, verpackte ich sie nun wieder.

Kreativ-künstlerischer Prozess? Erzähl uns mehr.

Meiner Meinung nach ist die Fotografie unendlich reproduzierbar. Ich kann zwar eine bestimme Auflage festlegen, aber im Grunde kann ich jedes Bild unendlich vervielfachen. Ich habe mit dem Laserprint nun eine Technik für mich entwickelt, mit der ich meine Bilder zu einem Unikat werden lasse.

Reine Fotografie ist also keine Kunst?

Fotografie ist auch Kunst. Aber was heutzutage stattfindet, ist reproduzierend, es ist nichts mehr neu. Ich glaube nicht, dass man Fotografie neu erfinden kann. Aber gut, mit neuer Technik vielleicht, beispielsweise dem iPhone (Henrik zeigt auf das rechteckige schwarze Ding auf seinem Arbeitstisch, das gerade unser Gespräch aufzeichnet) gibt es wieder eine neue bzw. andere Möglichkeit des Ausdrucks. Es ist eine neue Form bzw. eine Chance, was Neues zu sein. Zeitgenössisch eben. Aber ich glaube nicht, dass sich diese Ausdrucksform lange halten wird.

Wie definierst Du dann Kunst?

Kunst fängt da an, wo eine zweite Ebene reinkommt, wo das Bild zur Kommunikation mit dem Bild selber zwingt.

Wir stehen beide vor einem seiner Tesa-Bilder und betrachten das Bild lange und eingehend. Ich lasse meinen Blick über die Kanten gleiten, finde den Glanz des Bildes seltsam entrückt und doch ist der Mensch dahinter klar. Die zweite Ebene, die er wohl zu meinen scheint, zeigt Wirkung. Vor mir hängt nicht ein einfaches Portrait. Es ist zerschnitten und wieder zusammengesetzt, wie das Passbild eines geliebten Menschen wirkt es auf mich, das man in Wut und Frust zuerst zerschnitten und danach wieder liebevoll zusammengeklebt hat.

Gut, genug über Kunst philosophiert. Kommen wir abschließend zu den handfesten Dingen des Lebens. Auf Deiner Internetseite steht ein Zitat vom Playboy über Dich. Wie kam es dazu?

Ich habe beim Playboy angerufen, nach der Mail-Adresse der Art-Direktorin gefragt und ein paar meiner Aktbilder hingeschickt. Eine halbe Stunde später rief sie mich an, mit den Worten: „Sie glauben ja nicht, was für einen Mist wir hier angeboten bekommen, Ihre Fotos fallen da komplett raus. Sind die noch zu haben?“ Sie haben dann ein Interview und Akt- Fotos veröffentlicht. Und aus diesem Interview ist auch das Zitat. Komplette Aktserien habe ich dann allerdings im Matador veröffentlichen können.

Henrik, vielen Dank für das Gespräch. Es war mir eine Freude.

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Und wer jetzt neugierig geworden ist, der kann sich die Laserprints vom 24. November – 24. Dezember 2011, 14 – 20Uhr im Hotel Weinmeister in der Weinmeisterstraße 2, 10178 Berlin ansehen. Neben den Laserprints werden auch die neuen Werke von Henrik Pfeifer  mit dem Titel „web sessions“ vorgestellt, über die wir im Interview noch nicht reden, ich aber schon begutachten durfte. Der geneigte Besucher darf also gespannt sein.

Die Vernissage ist am 24. November um 20Uhr im Weinmeister – mit anwesendem Künstler natürlich.

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