05. November 2011 Lesezeit: ~8 Minuten

Wenig Licht und viel Rauschen

Durch puren Zufall und viel Glück kam ich zur Konzertfotografie. Davor hatte ich weder Vorbilder noch irgendein Interesse an dem Bereich. Der einzige „Hintergedanke“ war: So komme ich vielleicht umsonst auf Konzerte! Mittlerweile habe ich aber eine ganze Menge an Bands gesehen und Bilder geschossen.

The Toxic Airborne Event

Ab und zu liest man in Foren Beiträge, in denen überlegt wird, wie man seine Kamera am besten mit in die Konzerthalle bekommt. Es wird jedoch auch immer wieder erklärt, dass es fast unmöglich ist.

Ich fing – um Fotografen kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln – bei einer Eventcommunity an, die auch mit einer Nachrichtenagentur zusammenarbeitete. Kurz darauf verließ der Fotograf, der dort hauptsächlich Konzerte fotografierte, die Agentur und ich bat darum, auf ein paar Konzerte gehen zu dürfen.

Und schon war ich auf meinem ersten Konzert: WASP 2009, im Hirsch (Nürnberg). Natürlich hatte ich aber noch absolut keine Ahnung, wie das Ganze abläuft und bis dato nur eine mündliche Bestätigung, dass die Akkreditierung in Ordnung geht. Es ging nur eine E-Mail von meinem Ansprechpartner zum Veranstalter.

Einlass war um 19 Uhr, Beginn um 20 Uhr, daher war ich um 18:45 Uhr als einer der Ersten vor der Tür. Ich dachte mir: Lieber bin ich 15 Minuten vorher da, schaue mir alles an und quatsche eventuell mit ein paar Leuten – oder habe eben einen zeitlichen Puffer. In diesem Fall stand ich aber einfach nur vor einem verschlossenen Tor.

Also ging ich zur Kasse, sagte, dass ich für die Agentur fotografiere und meinen Namen. Dann bekam ich einen schnieken Aufkleber, der mich als Fotograf brandmarkte. Irgendwie hatte ich gedacht, dass man mich wenigstens nach meinem Personalausweis fragen würde. Dem war aber nicht so, vermutlich machen die das schon seit Jahren so, darauf deutete auch die lustlose Art.

Die Anweisung war simpel: Drei Lieder, kein Blitz. Wie sich über die Jahre für mich herausgestellt hat, ist das bei jedem Konzert so. Ausnahmen gibt es nur bei sehr wenigen Bands: So darf man zum Beispiel mal nur die ersten 30 Sekunden, nur von einer bestimmten Seite oder auch mal das ganze Konzert fotografieren.

Casper

Vorher war ich noch nie auf einem Konzert. Also erstmal ab in die Konzerthalle. Vorne die Bühne, davor eine Absperrung. Daneben der Eingang „Backstage“, bewacht von einem Securitymenschen. Und jetzt? Ich stand in einer fast leeren Halle, ein Securitymann neben mir und die Bühne war leer.

Der Sicherheitsmann, Tom, sah meinen Aufkleber und deute auf eine kleine Lücke in der Absperrung. Aha, ich soll da also rein. Tom ist mein Begleiter über fast alle Konzerte und einige Festivals hinweg.

Es gab schon Konzerte, da schüttelte er den Kopf als er sah, dass ich in die Halle ging: „Der schon wieder…“ Aber wir verstanden uns… so gut, dass er mich ab und zu vor dem Konzert mit seiner 90000-Lumen-Taschenlampe blendete und ich die Vorband über nur Punkte sah.

Korn Philipp Poisel

Also musste ich nun eine ganze Stunde warten bis das Konzert anfing. Zuhause hatte ich mich schon vorbereitet, indem ich ein paar Lieder von WASP angehört und auf YouTube Livemitschnitte von Konzerten begutachtet hatte.

Ich versuchte so, eventuelle Bewegungsmuster zu erkennen, welches Licht verwendet wird und ob es Besonderheiten gibt, die die Band nutzte. Irgendwie tat ich professionell, hatte aber – ehrlich gesagt – keinen blassen Schimmer, was passieren würde und was ich machen muss.

Der Druck, innerhalb von nur drei Liedern brauchbares Material abzuliefern, ist auch enorm. Schließlich mussten im besten Fall Bilder für die Agentur rauskommen … im schlimmsten Fall nur eine kleine Galerie für die Community.

Millencolin

Die Kameraeinstellungen hatte ich mir wie folgt ausgedacht:

  • Offenblende: f/2.8
  • Maximal brauchbare ISO an der Canon 350D: 800
  • Verschlusszeit, die ich noch halten kann: 1/100s
  • Objektive: Tokina 50mm-135mm; Tokina 24mm-40mm

So habe ich das ganze Konzert durch fotografiert. Die Bilder sind zu einem großen Teil unscharf oder verwackelt, die Farben nicht das Wahre, ein Großteil „kreativ schief“. Alles andere als perfekt. Ich habe eben vieles sehr schnell aus- und durchprobieren müssen.

Recht schnell habe ich erkannt, dass die geringe brauchbare ISO-Empfindlichkeit der 350D sehr einschränkend ist, denn viele der Bilder wurden sehr dunkel. Mit der neu angeschafften Canon 50D konnte ich auf ISO 1600 gehen und hatte entsprechend doppelt so viel Licht zur Verfügung. Entweder, um die Verschlusszeit zu verkürzen und schnellere Bewegungen einzufrieren oder um dunklere Szenen besser einzufangen.

Die Einstellungen änderten sich objektivabhängig auch recht schnell auf:

  • Offenblende: f/1.2 – f/2.8
  • Maximale ISO: 1600
  • Maximale Verschlusszeit: 1/160s

Eine Neuanschaffung, das Tokina 11mm-16mm, wurde mein Lieblingsobjektiv und „Immerdrauf“ bei niedrigen Bühnen. Das Canon 50mm f/1.2 nutze ich als Notobjektiv, wenn wirklich nichts an Licht vorhanden ist.

Aufgrund des Zeitdrucks ist man gezwungen, sehr schnell Lichtsituationen einzuschätzen und entsprechend Korrekturen vorzunehmen. Ich habe mir ein simples System ausgedacht, um damit umzugehen: Bis auf die oben genannten Einstellungen bleibt alles außer der Verschlusszeit unverändert.

Also immer Offenblende, immer ISO1600. Nur am Rädchen für die Verschlusszeit wird gedreht. Das hat den Vorteil, dass man nicht drüber nachdenkt, was man am geschicktesten umstellt – ob nun Blende oder ISO – sondern einfach nur am Rädchen nach Gefühl dreht, um die Lichtmenge zu steuern. So kann man von extrem dunklen Szenen mit zum Beispiel einer 1/60 Sekunde sehr schnell auf eine helle Szene mit einer 1/800 Sekunde wechseln.

Klar bleibt der recht geringe Schärfebereich und evtl. das erhöhte Bildrauschen, aber zumindest die Bilder können schnell und effektiv bei korrektem Licht geschossen werden. Es können dann auch mal EXIF-Daten mit 1/1000 Sekunde und ISO 1600 auftauchen, aber das ist egal, solange man sein Bild gemacht hat.

Nach dem dritten Lied habe ich immer einen beherzten Tritt oder Klaps von Tom bekommen. So nett er auch war, Extrawürste gab es bei ihm kaum. Ab dem dritten Lied beginnt jedenfalls das Schlimmste an der Konzertfotografie: Das Sich-Durchquetschen durch den Bühnengraben, durch unzählige Fans, bis man einen Ort findet, an dem die Ausrüstung verpackt werden kann.

Worauf dann noch der Weg zum Ausgang folgt. Hier hat sich irgendwann eine Taschenlampe bewährt, mit der man den Boden anleuchtet, was für viele wohl das Zeichen ist: „Oh, dem müssen wir Platz machen, der hat Licht!“ Die anschließende Heimfahrt mit dem Bangen, ob denn gute Bilder dabei sind, ist auch nicht ohne.

Soviel zu „ein Tag in der Konzertfotografie“. Die Bilder, die man macht, ergeben sich immer aus dem, was die Band an dem Tag liefert und teilweise auch aus der Laune des Lichtmischers. Hier kann es feste Programme geben und auch Abschweifungen der Band. Da es aber kaum Konzertfotografen gibt, mit denen man sich austauschen kann, muss man sich meistens wohl überraschen lassen, was da auf einen zukommt.

Abschließend und vermutlich lang ersehnt, hier meine Tipps, um an Akkreditierungen zu kommen:

  • Partyportale/Evenetcommunitys. Hier kommt man sehr simpel an Akkreditierungen für kleinere bis etwas größere Bands. Anforderungen gibt es meist keine oder es sind nur sehr geringe vorhanden.
  • Nachrichtenagenturen. Es gibt nicht nur die ganz großen Nachrichtenagenturen wie dpa, actionpress, sondern auch kleine, die eventuell auch jemanden brauchen, der Konzerte fotografiert.
  • Zeitungen direkt. Wie allgemein bekannt, gibt es in Zeitungen fast nur noch freie Fotografen. Also nicht zögern, seine Künste anzubieten.

Inwiefern man hierfür eine Bezahlung verlangt oder auch nicht, muss jeder für sich selbst herausfinden.

In dem Sinne: Viele Akkreditierungen und gutes Licht!

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